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  BFH-Urteil vom 25.5.1992 (VI R 146/88) BStBl. 1992 II S. 700

1. Überläßt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Kfz zur kostenlosen Benutzung, so kann der darin liegende geldwerte Vorteil (Arbeitslohn) mit monatlich 1 v. H. des sog. Listenpreises des Kfz berechnet werden. Die ggf. niedrigeren tatsächlichen Anschaffungskosten des Arbeitgebers für das Kfz sind nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von Tz. 7.4 des BMF-Schreibens vom 8. November 1982 IV B 6 - S 2353 - 76/82, BStBl I 1982, 814).

2. Aufwendungen des Arbeitgebers für einen zweitägigen Betriebsausflug mit Übernachtung sind Arbeitslohn.

EStG § 8 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 40 Abs. 2; AO 1977 § 162; LStDV § 3 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1989, 80)

Sachverhalt

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhält Verkaufsstellen im gesamten Bundesgebiet. Sie gewährt ihren Arbeitnehmern regelmäßig und unregelmäßig Sachzuwendungen. Sie verständigte sich im Jahre 1976/1977 mit dem damals zuständigen Finanzamt (FA), dessen Funktionsnachfolgerin der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das FA) ist, darauf, daß sie die auf derartige Sachzuwendungen entfallende Lohnsteuer generell pauschal übernimmt und die pauschale Lohnsteuer einmal jährlich im Dezember eines jeden Jahres anmeldet und abführt. Gesonderte Pauschalierungsanträge gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wurden seitens der Klägerin in der Folgezeit nicht gestellt. Es erfolgte auch keine gesonderte Genehmigung der Pauschalierung durch das FA. Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen, daß in der Absprache aus dem Jahre 1976/1977 ein Antrag gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG für alle zukünftigen Fälle und dessen generelle Genehmigung durch das FA zu sehen sei.

Die Klägerin reichte am 13. Januar 1984 ihre Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 1983 beim FA ein. In einer am 8. März 1984 übergebenen geänderten Lohnsteuer-Anmeldung waren von dem angemeldeten Gesamtbetrag u. a. die folgenden Positionen zwischen den Beteiligten streitig:

Die Klägerin führte im November des Jahres 1983 eine sich über zwei Tage erstreckende Betriebsveranstaltung durch, an der ihre Mitarbeiter aus dem gesamten Bundesgebiet - in der Regel mit Ehepartnern - teilnahmen. Von ihren Gesamtaufwendungen für diese Veranstaltung (ca. 600 DM pro Teilnehmer) ermittelte die Klägerin die sich aus § 40 Abs. 2 Satz 1 EStG ergebende pauschale Lohnsteuer mit 33.888,26 DM.

Die Klägerin stellt einem Teil ihrer Mitarbeiter firmeneigene Kfz zur Verfügung, die auch für private Zwecke genutzt werden dürfen. Die hiermit verbundenen geldwerten Vorteile lohnversteuerte sie individuell für jeden Arbeitnehmer mit monatlich 1 v. H. der bilanzierten Anschaffungskosten der Fahrzeuge, bei denen die ihr gewährten Mengenrabatte (zwischen 7 bis 10 v. H.) abgezogen waren. In der geänderten Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 1983 setzte die Klägerin für die private PKW-Nutzung eine zusätzliche Lohnsteuer von 39.213,48 DM an. Dieser Betrag resultiert daraus, daß sich bei Zugrundelegung des jeweiligen Listenpreises eines Kfz ohne Rabatte für alle Fahrzeuge auf das Streitjahr bezogen ein weiterer geldwerter Vorteil von 69.650,94 DM errechnet und die Klägerin darauf den - zwischen den Beteiligten nicht streitigen - Pauschsteuersatz von 56,3 v. H. angewendet hat.

Die Klägerin legte gleichzeitig mit der Einreichung der geänderten Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 1983 u. a. wegen der angeführten Beträge Einspruch ein, der in diesen Punkten erfolglos blieb.

Im Klageverfahren erließ das FA einen geänderten Bescheid über die Lohnsteuerfestsetzung für Dezember 1983, mit dem es einem weiteren, von der Klägerin ebenfalls mit dem Einspruch verfolgten Begehren entsprach. Die Klägerin machte diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage wegen der Aufwendungen für die Betriebsveranstaltung insgesamt und wegen der auf die Kfz-Nutzung entfallenden Lohnsteuer in Höhe von 11/12 (Januar bis November 1983) statt. Das FG vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 80 veröffentlichten Urteil die Ansicht, es sei zwar nicht zu beanstanden, daß der geldwerte Vorteil der kostenlosen Überlassung der Kfz mit 1 v. H. des Listenpreises des betreffenden Kfz angesetzt worden sei. Es fehle aber an einer zeitgerechten Zuordnung der Sachzuwendungen und der hierauf entfallenden Lohnsteuer zu den jeweiligen Lohnsteuer-Anmeldungszeiträumen.

Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligte die vom FG zugelassene Revision eingelegt.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 8 Abs. 2 EStG, § 3 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) und § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) und führt aus: Entgegen der Auffassung des FG müsse für die Ermittlung des geldwerten Vorteils einer Kfz-Nutzungsüberlassung der tatsächliche Anschaffungspreis und nicht der Listenpreis des Kfz zugrunde gelegt werden. Die nach § 8 Abs. 2 EStG mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzende Nutzungsüberlassung des Kfz zu privaten Zwecken dürfe gemäß § 3 Abs. 2 LStDV unter Berücksichtigung von Durchschnittswerten im Wege der Schätzung festgesetzt werden. Eine Schätzung könne von den FG auf ihre Schlüssigkeit überprüft werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. November 1975 III R 134/73, BFHE 117, 486, BStBl II 1976, 207). In dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 8. November 1982 (BStBl I 1982, 814) seien in Ziffer 7.2 bis 7.4 drei verschiedene Schätzungsmethoden vorgesehen. Die Schätzungsmethode, die auf den Listenpreis entfalle, sei in sich unschlüssig und mithin grundsätzlich nicht anzuwenden.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Bescheid des FA vom 24. Februar 1988 dahin zu ändern, daß die Lohnsteuer für Dezember 1983 auf 2.409.946,17 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen und unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Es hält an seiner Auffassung fest, daß der Listenpreis eine zutreffende Grundlage für die Ermittlung des geldwerten Vorteils der Nutzungsüberlassung eines Kfz für private Zwecke sei. Es stützt seine eigene Revision auf eine Verletzung von § 40 Abs. 1 und 3 EStG sowie auf eine Divergenz zu dem BFH-Urteil vom 8. März 1988 VII R 6/87 (BFHE 152, 418, BStBl II 1988, 480) und trägt vor: Entgegen der Ansicht des FG entstehe der pauschale Lohnsteueranspruch gegen den Arbeitgeber erst im Moment der Durchführung der Pauschalierung und nicht bereits im Zeitpunkt des Zuflusses der sonstigen Bezüge beim Arbeitnehmer.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das FG hat den angefochtenen Bescheid über die Lohnsteuerfestsetzung für Dezember 1983 zu Unrecht hinsichtlich der pauschalen Steuer für Zuwendungen anläßlich der Betriebsveranstaltung im November 1983 und für die PKW-Nutzung in den Monaten Januar bis November 1983 aufgehoben.

1. Es kann dahingestellt bleiben, wann im Streitfall unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Pauschalierungsabrede zwischen den Beteiligten die pauschale Steuer entstanden ist.

Es braucht auch nicht abschließend entschieden zu werden, ob § 42 d Abs. 4 EStG dahin auszulegen ist, daß eine Lohnsteuer-Anmeldung auch in der Form abgegeben werden kann, daß in der für einen bestimmten Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum (§ 41 a Abs. 2 EStG) abzugebenden Steuererklärung (vgl. § 149 Abs. 1 Satz 1, § 150 AO 1977 i. V. m. § 41 a Abs. 1 EStG) die Lohnsteuer für diesen Anmeldungszeitraum sowie gleichzeitig die Lohnsteuer für weitere Sachverhalte angemeldet wird, die zu einem Lohnzufluß beim Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG) in anderen Anmeldungszeiträumen geführt haben (vgl. Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 42 d, Rdnrn. E 1 ff.). Denn der Senat ist der Auffassung, daß eine solche zusammengefaßte Lohnsteuer-Anmeldung, die einerseits zeitraumbezogen und andererseits bzgl. früherer Anmeldungszeiträume sachverhaltsbezogen ist, jedenfalls dann wie ein insoweit rechtmäßiger Steuerbescheid (vgl. §§ 164, 168 AO 1977 i. V. m. § 41 a Abs. 1 EStG) zu behandeln ist, wenn sich - wie im Streitfall - die jeweilige Lohnsteuer für die einzelnen zusätzlich erfaßten Sachverhalte mit den Lohnzuflüssen aus anderen Anmeldungszeiträumen aus einer vom Arbeitgeber eingereichten Anlage der Steuererklärung ergibt und wenn sich die Beteiligten - wie im Streitfall - über dieses verfahrensmäßige Vorgehen vorher tatsächlich verständigt haben.

2. Bei der Ermittlung des in der unentgeltlichen Kfz-Überlassung für private Zwecke liegenden geldwerten Vorteils hat das FG zu Recht den Ansatz von monatlich 1 v. H. des Listenpreises des jeweiligen Kfz gebilligt.

Der in der unentgeltlichen Überlassung von Kfz an Arbeitnehmer zu privaten Zwecken liegende Vorteil ist Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 EStG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2 LStDV in der für das Streitjahr geltenden Fassung mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts zu bewerten. Die Ermittlung des üblichen Mittelpreises des Verbrauchsorts ist eine Schätzung nach § 162 AO 1977 (vgl. Crezelius in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 8 Rdnr. C 23). Der BMF hat in dem Schreiben vom 8. November 1982 unter Tz. 7 drei verschiedene Methoden der Schätzung des in der privaten Kfz-Nutzung liegenden geldwerten Vorteils als möglich angesehen. Die Klägerin hat sich in ihrer ursprünglichen Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 1983 für keine dieser Möglichkeiten entschieden, sondern den individuell versteuerten geldwerten Vorteil in Anlehnung an Tz. 7.4 des BMF-Schreibens auf der Grundlage ihrer eigenen tatsächlichen, unter dem Listenpreis liegenden Anschaffungskosten berechnet. Die in Tz. 7.4 des BMF-Schreibens vom 8. November 1982 vorgesehene Schätzungsmethode bedeutet gegenüber den in den beiden anderen Textziffern angeführten Methoden unter Verzicht auf eine ansonsten gebotene Sachverhaltsermittlung eine wesentlich gröbere Schätzung, bei der die Besonderheiten des Einzelfalles, wie z. B. Vorhandensein eines Zweitwagens und die Übernahme der Treibstoffkosten, weitestgehend außer Betracht bleiben. Dem Nachteil, daß mit dieser Schätzungsmethode nur eine wesentlich ungenauere Annäherung an den zutreffenden Wert möglich ist als mit den beiden anderen Methoden, steht der Vorteil gegenüber, daß eine Ermittlung der Gesamtkosten und der gefahrenen Kilometer entbehrlich ist. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich die Mühe der Anfertigung von Aufzeichnungen, die ohne die in Tz. 7.4 vorgesehene Möglichkeit für eine Schätzung notwendig wären, ersparen wollen, so müssen sie es in Kauf nehmen, daß die Schätzung auf die in Tz. 7.4 des BMF-Schreibens vorgesehene Weise erfolgt.

Die gegen diese Schätzungsmethode erhobenen Einwände der Klägerin sind nicht überzeugend. Insbesondere kann die in Tz. 7.4 beschriebene Schätzungsmethode nicht insofern als unschlüssig angesehen werden, als sie nicht an den tatsächlichen Anschaffungspreis des Arbeitgebers, sondern an den sog. Listenpreis anknüpft. Die an den Kaufpreis des Fahrzeugs anknüpfende Schätzung des BMF basiert auf der Erfahrung, daß die monatlichen Kosten eines teuren Fahrzeugs im Regelfall höher sind als die eines preiswerteren Kfz. Auch wenn es bereits im Hinblick auf die unterschiedliche Höhe der Mineralölsteuer für Dieselfahrzeuge insoweit Ausnahmen geben mag, widerspricht dieser Ausgangspunkt der Schätzung jedenfalls keinen Erfahrungssätzen. Dies macht letztlich auch die Klägerin nicht geltend, deren gewünschte Schätzung sich von derjenigen der Verwaltung nicht in der Methode (1 v. H. eines bestimmten Betrages monatlich), sondern nur in der Ermittlung der Bemessungsgrundlage, auf die der Prozentsatz monatlich anzuwenden ist, unterscheidet. Der Ansatz des Listenpreises entspricht aber mehr als der von der Klägerin begehrte Ansatz des tatsächlichen Kaufpreises des Arbeitgebers dem Erfordernis, daß bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 2 EStG nicht auf die Aufwendungen des Arbeitgebers, sondern auf die ersparten Aufwendungen des Arbeitnehmers abzustellen sei (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1963 VI 306/61 U, BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387). Aus diesem Grunde kommt es auf die Frage der Beweislast für die Richtigkeit einer Schätzungsmethode im Streitfall nicht an.

Ob der in der Überlassung der Kfz zu privaten Zwecken liegende Vorteil dann niedriger zu schätzen gewesen wäre, wenn die Klägerin für einen bestimmten Zeitraum und für eine bestimmte Anzahl von Kfz die tatsächlichen Aufwendungen und Verwendungszwecke der Kfz aufgezeichnet und dadurch ggf. glaubhaft gemacht hätte, daß die von ihr im Rahmen der Schätzung gewünschte Bemessungsgrundlage einen höheren Annäherungswert an die Wirklichkeit erreicht als diejenige in Tz. 7.4 des BMF-Schreibens, kann dahingestellt bleiben. Denn einen solchen Sachverhalt hat die Klägerin nicht vorgetragen und das FG nicht festgestellt.

3. Die Sache ist auch spruchreif, soweit die Zuwendungen anläßlich der Betriebsveranstaltung im November 1983 als Arbeitslohn erfaßt und pauschal versteuert worden sind. Der Bescheid ist insoweit rechtmäßig. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz erstreckte sich die Veranstaltung über zwei Tage und war mit einer Übernachtung verbunden. Nach der Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, sind Zuwendungen des Arbeitgebers im Rahmen eines zweitägigen Betriebsausflugs mit Übernachtung grundsätzlich Arbeitslohn, der nach § 40 Abs. 2 EStG mit dem Pauschsteuersatz von 25 v. H. versteuert werden kann (vgl. Urteile vom 7. Oktober 1988 VI R 194/84, BFH/NV 1990, 219; vom 13. Juli 1990 VI R 22/88, BFH/NV 1991, 228).