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  BFH-Beschluß vom 5.3.1992 (IV B 178/90) BStBl. 1992 II S. 725

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß während der Geltungsdauer des § 23 GewStDV der nach dieser Vorschrift festzustellende Hilfswert für das Gewerbekapital maßgeblich für die Frage ist, ob die für die Gewährung der Sonderabschreibung nach § 7 g EStG zu beachtende Höchstgrenze für kleinere und mittlere Betriebe überschritten wird.

EStG § 7 g; GewStDV § 23.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Das von der Beschwerdeführerin betriebene Küstenmotorschiff wurde mit Bauvertrag vom 23. Februar 1984 bei der Werft in Auftrag gegeben. Am 27. Dezember 1984 fand die Probefahrt statt, anläßlich derer die Werft der Beschwerdeführerin das Schiff übergab. Ab dem 28. Dezember 1984 wurde der Schiffahrtsbetrieb aufgenommen. Dies geschah in Erfüllung eines Zeitchartervertrages, den die Beschwerdeführerin mit der A-GmbH für drei Jahre ab Fertigstellung des Schiffes abgeschlossen hatte.

In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1984 aktivierte die Beschwerdeführerin Anschaffungskosten des Schiffes in Höhe von 7.788.264 DM. Hiervon setzte sie neben der linearen Absetzung für Abnutzung (AfA) eine Sonderabschreibung gemäß § 7 g EStG in Höhe von 778.826 DM ab. Anläßlich einer Betriebsprüfung erkannte der Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) diese Sonderabschreibung nicht an, da nach seiner Meinung die in § 7 g EStG normierte Gewerbekapitalgrenze in Höhe von 500.000 DM überschritten war.

Gegen die aufgrund der Betriebsprüfung geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 1984, 1985 und 1987 legte die Beschwerdeführerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Den in diesem Zusammenhang gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA ab. Der daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag hatte nur in einem hier nicht interessierenden Punkt Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, unter Änderung des angefochtenen Beschlusses nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Betrachtung bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, denen das FG im angefochtenen Beschluß nicht bereits Rechnung getragen hätte.

Voraussetzung für eine Sonderabschreibung gemäß § 7 g EStG ist u. a., daß im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsgutes der Einheitswert des Betriebs, zu dessen Anlagevermögen das Wirtschaftsgut gehört, nicht mehr als 120.000 DM beträgt und bei Gewerbebetrieben das Gewerbekapital den Betrag von 500.000 DM nicht überschreitet.

Liegt die Anschaffung oder Herstellung wie im Streitfall vor dem Zeitpunkt, zu dem ein Einheitswert festgestellt wird (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes - BewG - hier: 1. Januar 1985), so ist nach Auffassung der Finanzverwaltung der Einheitswert maßgebend, der auf den der Anschaffung oder Herstellung folgenden Feststellungszeitpunkt festgestellt wird. Es sollen jedoch keine Bedenken bestehen, statt dessen bei der Beurteilung der Frage, ob die Höchstgrenzen überschritten sind, statt des Einheitswerts einen Hilfswert zugrunde zu legen, der in sinngemäßer Anwendung des § 23 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) in der Fassung vor Aufhebung der Vorschrift durch die Verordnung vom 24. November 1986 (BGBl I, 2073, BStBl I 1986, 541) zu ermitteln ist. In entsprechender Weise soll bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbekapitals verfahren werden (Abschn. 83 Abs. 1 Sätze 6 und 7 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990). Von dieser Auffassung ist unter Berufung auf den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Zweck der Regelung, lediglich kleine und mittlere Unternehmen zu begünstigen (BTDrucks 10/336), auch das FG ausgegangen.

Demgegenüber wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß in dem Fall, daß zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung ein Einheitswert noch nicht festzustellen ist, die Höchstgrenze nicht überschritten sein könne (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 7 g Anm. 3; Altehoefer/Krebs/Nolte/Roland, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1984, 12; Bordewin, Finanz-Rundschau - FR - 1984, 52, 56; zweifelnd: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 g EStG Anm. 49). Es wird ferner darauf hingewiesen, daß Anschaffung oder Herstellung vor Beginn der Gewerbesteuerpflicht liegen können, so daß in derartigen Fällen auch § 23 GewStDV keine Grundlage biete, einen Hilfswert für das Gewerbekapital auf den Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung zu bilden (vgl. z. B. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., Anm. 45, m. w. N.; Schmidt/Drenseck, a. a. O.). Hinzu kommt, daß § 23 GewStDV vom Erhebungszeitraum 1986 an aufgehoben ist.

Kann demnach die in Abschn. 83 Abs. 1 Sätze 6 und 7 EStR vertretene Auffassung Anlaß zu ernstlichen Zweifeln geben, so kommt es im Streitfall jedoch nicht darauf an. Für das insofern maßgebliche Streitjahr 1984 war § 23 GewStDV jedenfalls noch anzuwenden. Die Vorschrift ist auch entgegen der Auffassung des FG Hamburg vom 29. April 1987 II 19/85 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 576) nicht unwirksam (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juli 1990 I R 98/87, BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073, mit Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung). Demzufolge konnte das FA - was auch geschehen ist - auf den Beginn der Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführerin einen Hilfswert für das Gewerbekapital feststellen. Der Hilfswert überschritt unstreitig die Grenze von 500.000 DM.

Zutreffend weist das FA darauf hin, daß die Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführerin mit der Ablieferung des Schiffes (Flaggenwechsel) anläßlich der Probefahrt am 27. Dezember 1984 begann (vgl. auch Senatsurteil vom 17. April 1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527).

Dieser Zeitpunkt des Beginns der Gewerbesteuerpflicht ist - jedenfalls solange § 23 GewStDV galt - für die Frage, ob das Gewerbekapital die gesetzlich normierte Höchstgrenze überschritt, maßgeblich (Schmidt/Drenseck, a. a. O.; Jebens in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 7 g Anm. 23). Der Einwand der Beschwerdeführerin, § 7 g EStG postuliere einkommensteuerliche Grundsätze und sei nicht entscheidend vom Beginn der Gewerbesteuerpflicht geprägt, ist schon deshalb unerheblich, weil einkommensteuerlich der Gewerbebetrieb bereits vor Aufnahme der werbenden Tätigkeit beginnt (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1988 III R 116/86, BFHE 156, 312, BStBl II 1989, 380).

Die Beschwerdeführerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe das Küstenmotorschiff nicht angeschafft, sondern hergestellt, so daß maßgeblich nicht der Zeitpunkt der Lieferung, sondern der der Fertigstellung sei (§ 9 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -), der vor der Übergabe am 27. Dezember 1984 gelegen habe.

Im Unterschied zur Anschaffung liegt (bilanz- und bilanzsteuerrechtlich) eine Herstellung immer dann vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut auf eigene Rechnung und Gefahr herstellt oder herstellen läßt und das Herstellungsgeschehen beherrscht (BFH-Urteil vom 25. Juni 1976 III R 167/73, BFHE 119, 336, BStBl II 1976, 728). Die Frage, ob Anschaffung oder Herstellung vorliegt, ist für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter gleich zu beantworten (BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 53/84, BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009; B. Hartmann, Anschaffungen im Handels- und Steuerrecht anhand typischer Fälle, 1980, 30, 31; Gail/Grote, Betriebs-Berater - BB - 1975, 551). Trotzdem sind manche der für die Bestimmung des Bauherrn entwickelten Kriterien wegen ihrer Anknüpfung an Grundstücksgegebenheiten (Risiko der Tragfähigkeit des Grundes, Grundwasserstörungen) oder an öffentliches Baurecht für die Beantwortung der Frage, wer die Herstellung einer beweglichen Sache beherrscht, nicht verwertbar.

Ein Schiff wird im Steuerrecht als bewegliche Sache behandelt (vgl. Blümich/Uelner, Einkommensteuergesetz, § 6 b Rdnr. 61). Beim "Bauvertrag" über ein neu zu erbauendes Schiff handelt es sich regelmäßig um einen Werklieferungsvertrag (Schaps/Abraham, Seehandelsrecht, Vor § 476 Rdnr. 44), also einen Vertrag, auf den nach § 651 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - (ausschließlich oder teilweise) Kaufregeln anzuwenden sind. Auch bilanzsteuerrechtlich wird nicht der Reeder als derjenige angesehen, der das Schiff herstellt (Felix, BB 1965, 553, 559; Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 6 b EStG Anm. 243, m. w. N.).

Im Streitfall gilt nichts anderes. Insbesondere die von der Beschwerdeführerin hervorgehobene Vertragsklausel, derzufolge sie berechtigt war, den Bau des Schiffes zu beaufsichtigen (Art. 2 des Bauvertrages vom 23. Februar 1984), führt nicht dazu, daß sie den Bauablauf beherrscht hätte. Eine solche Klausel ist nicht unüblich (vgl. den im Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 6. März 1972 II ZR 95/70, Versicherungsrecht - VersR - 1972, 553 mitgeteilten Sachverhalt) und dient offenbar vornehmlich dazu, eine Kontrolle darüber zu ermöglichen, ob sich die Werft im Falle einer Verzögerung des Liefertermins zu Recht auf höhere Gewalt (Art. 5 des Bauvertrages) beruft. Gegen die Beherrschung des Baues durch die Beschwerdeführerin spricht insbesondere, daß ein Festpreis vereinbart war, daß es sich um einen Serienbau handelte, daß die Werft die Kosten der Versicherung gegen zufällige Schäden am Bauwerk übernommen hatte und daß Fehler der Zulieferer und Unterlieferanten von der Gewährleistungspflicht der Werft umfaßt waren. Die Werft war schließlich verantwortlich für die Sicherheit berechtigter Besucher des Schiffsneubaus (BGH in VersR 1972, 553). Nicht zuletzt sind auch die Vertragschließenden offensichtlich von einer Herstellung seitens der Werft und anschließender Lieferung (§ 9 a EStDV) an die Beschwerdeführerin ausgegangen. Das ergibt sich daraus, daß sowohl im Beteiligungsangebot (steuerliches Gutachten) als auch in den Bilanzen der Beschwerdeführerin von Anschaffungskosten die Rede ist.