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  BFH-Urteil vom 11.3.1992 (XI R 38/89) BStBl. 1992 II S. 797

Die Gewinnermittlung für Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter einer gewerblich tätigen Personenhandelsgesellschaft erfolgt nach § 5 EStG. § 55 EStG ist nicht anwendbar.

EStG § 4 Abs. 1, § 5, § 55.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1989, 162)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG) einen Metallhandel mit Containerdienst. Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin war als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes vom 1. April 1969 bis zum 8. März 1970 Frau R. Vom 9. März 1970 bis zum 31. Dezember 1982 war Frau R als Kommanditistin an der KG beteiligt. Sie ist 1984 verstorben und von den Beigeladenen beerbt worden. Zur Erbschaft von Frau R nach ihrem Ehemann gehörte auch das Eigentum an einem Lagergrundstück, das schon vor 1953 erworben und seitdem der Klägerin als Schrottlagerplatz zur Verfügung gestellt worden war. Das Grundstück wurde in der Bilanz der Klägerin nach dem Einheitswert zum 21. Juni 1948 mit 4.300 DM aktiviert und beim Ausscheiden von Frau R aus der KG entnommen. Im Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1982 vom 23. Juli 1984 berücksichtigte das Finanzamt (FA) bei der Ermittlung des Aufgabegewinns von Frau R den bisherigen Buchwert. Der Bescheid stand unter Vorbehalt der Nachprüfung. Am 25. März 1985 begehrte die Klägerin die Änderung des Feststellungsbescheides in der Weise, daß bei der Ermittlung des Aufgabegewinns gemäß § 55 Abs. 1, Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) das Zweifache des Einheitswerts des Grundstücks auf den 1. Januar 1964 (30.600 DM) als fiktive Anschaffungskosten zu berücksichtigen seien. Nach Ablehnung dieses Antrags und erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage und berief sich darauf, für den Gesellschafter einer Personengesellschaft erfolge die Gewinnermittlung hinsichtlich von Sonderbetriebsvermögen nach § 4 Abs. 1 EStG; bis zum 30. Juni 1970 habe der Grund und Boden hierbei nicht berücksichtigt werden müssen. § 5 EStG gelte nur für Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Buchführung verpflichtet seien oder dies freiwillig täten; eine derartige Verpflichtung bestehe für Sonderbetriebsvermögen von Gesellschaftern nicht. Die Gesamtbilanz einer Mitunternehmerschaft werde nicht aus einer Handelsbilanz abgeleitet. Es müsse vielmehr unterschieden werden zwischen der aus der Handelsbilanz abgeleiteten Steuerbilanz der Gesellschaft hinsichtlich ihres Gesamthandsvermögens und den nach § 4 Abs. 1 EStG zu erstellenden Sonderbilanzen der Gesellschafter hinsichtlich ihres Sonderbetriebsvermögens. Hilfsweise müsse das Lagergrundstück mit dem Teilwert auf den 1. Januar 1955 angesetzt werden, da bis zu diesem Zeitpunkt nur im Handelsregister eingetragene Gewerbetreibende zu einer Gewinnermittlung nach § 5 EStG verpflichtet gewesen seien. Das zum Sonderbetriebsvermögen gehörende Grundstück könne deshalb in jedem Fall frühestens ab 1. Januar 1955 der Gewinnermittlung nach § 5 EStG unterliegen.

Durch das angegriffene Urteil wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Gewinnermittlung einer Mitunternehmerschaft könne nur nach einheitlichen Bilanzierungsgrundsätzen erfolgen. Deshalb sei die Gewinnermittlung hinsichtlich der Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter ebenfalls nach § 5 EStG vorzunehmen. Der Hilfsantrag könne deshalb keinen Erfolg haben, weil schon vor dem 1. Januar 1955 der Gewinn aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters steuerpflichtig und nach § 5 EStG zu ermitteln gewesen sei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin unverändert das Ziel, den Veräußerungsgewinn aus dem im Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin gewesenen Grundstück nach § 4 Abs. 1 EStG unter Zugrundelegung des Ausgangswertes nach § 55 EStG zu ermitteln und den Aufgabegewinn entsprechend niedriger festzusetzen, hilfsweise, den Aufgabegewinn unter Berücksichtigung des Teilwerts auf den 1. Januar 1955 zu ermitteln.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils das FA zu verpflichten, einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid zu erlassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Vorinstanz hat zu Recht den Standpunkt eingenommen, daß die von der Klägerin in Anspruch genommene Vergünstigung aus § 55 Abs. 1 EStG nicht gewährt werden könne. Diese Vorschrift erfaßt ausdrücklich nur Steuerpflichtige, deren Gewinn nicht nach § 5 EStG ermittelt wird. An dieser Voraussetzung mangelt es im Streitfall. Das Grundstück, das bereits der Rechtsvorgänger der Kommanditistin der KG als Lagergrundstück zur Verfügung gestellt hatte, ist als Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin anzusehen, weil es in vollem Umfang der betrieblichen Nutzung durch die Klägerin gewidmet war. Es gehörte deshalb zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. April 1988 IV R 271/84, BFHE 153, 125, BStBl II 1988, 667). Dies hat zur Folge, daß der bei der Aufgabe der Kommanditbeteiligung und der Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen entstandene Gewinn nach §§ 16 Abs. 1 und 3, 15 Abs. 1 EStG bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer zu unterwerfen ist.

Die Gewinnermittlung bei Mitunternehmerschaften erfolgt in der Weise, daß die Steuerbilanz der Gesellschaft mit den Ergebnissen etwaiger Ergänzungsbilanzen und den Sonderbilanzen der Gesellschafter zusammengefaßt wird. In welcher Weise das zu geschehen hat, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden, da die Entscheidung nur davon abhängt, ob hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens der Kommanditistin die Voraussetzungen des § 5 EStG gegeben sind.

Nach § 238 des Handelsgesetzbuches - HGB - (im Streitjahr § 38 HGB) besteht für Kommanditgesellschaften, die aufgrund von § 6 Abs. 1 HGB Kaufleute sind, Buchführungspflicht. Diese Verpflichtung gilt nach § 160 Abs. 1 der bis 1976 geltenden Reichsabgabenordnung - AO - (seit 1977 § 140 der Abgabenordnung - AO 1977 -) auch für die Besteuerung. Nach handelsrechtlichen Vorschriften ist diese Verpflichtung bei Personengesellschaften allerdings nur für ihr Gesamthandsvermögen vorgesehen, nicht aber für das im Eigentum der Gesellschafter stehende etwaige Sonderbetriebsvermögen. Für das gesamte Vermögen der Mitunternehmerschaft ergibt sich eine Buchführungspflicht jedoch aus § 161 Abs. 1 AO (jetzt § 141 AO 1977). Nach dieser Vorschrift sind Unternehmer, also auch die Klägerin, verpflichtet, Bücher zu führen und regelmäßige Abschlüsse zu machen, wenn sie - wie im Streitfall gegeben - bestimmte Grenzen an Umsatz, Betriebsvermögen oder Gewinn überschreiten. Dabei muß das gesamte Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft berücksichtigt werden, weil es dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft gleichsteht (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 20. Dezember 1977, BStBl I 1978, S. 8 Tz. 18 und 19). Das folgt daraus, daß der Mitunternehmer mit seinem Sonderbetriebsvermögen regelmäßig keinen eigenen Betrieb unterhält und deshalb auch nicht als Unternehmer i. S. von § 161 AO 1977 angesehen werden kann. Es bestand deshalb eine Buchführungspflicht der Klägerin auch hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens mit der Folge, daß § 55 EStG hinsichtlich des Grundstücks der Kommanditistin nicht angewendet werden kann.

Im übrigen ist zweifelhaft, ob § 55 Abs. 1 EStG überhaupt von Personengesellschaften in Anspruch genommen werden kann. Anlaß für den Erlaß dieser Vorschrift war der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Mai 1970 1 BvL 17/67 (BGBl I 1970, 1145), der die sich aus § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG i. d. F. vom 23. September 1958 (BGBl I, 673) ergebende unterschiedslose Privilegierung der Landwirte bei der steuerlichen Erfassung der Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden für mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar erklärt hat. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BTDrucks VI/1901, S. 8) soll § 55 EStG die Besteuerung der bisher nach § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG steuerfreien Bodengewinne neu regeln. Diese umfaßten nach der bis zum Beschluß des BVerfG geltenden Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG neben Land- und Forstwirten nur Kleingewerbetreibende und selbständig Tätige. Personengesellschaften waren davon nicht betroffen. Für eine derartige Beschränkung des Regelungsbereichs spricht auch die Verwendung des Begriffs des Steuerpflichtigen in § 55 EStG, der die selbst nicht steuerpflichtigen Personengesellschaften nicht umfaßt.

Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, daß der Geltungsbereich des § 5 EStG erst durch Gesetz vom 16. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 373, BStBl I 1954, 575) auf alle Gewerbetreibenden ausgedehnt worden ist, die buchführungspflichtig sind oder freiwillig Bücher führen, während zuvor auf die Eintragung des Steuerpflichtigen im Handelsregister abgestellt worden war (Einkommensteueränderungsgesetz vom 1. Februar 1938, RGBl I 1938, 99, RStBl I 1938, 97). Für die Klägerin als KG hat sich durch diese Gesetzesänderung aber keine Änderung ergeben. Das fragliche Grundstück hat auch vor dem 31. Dezember 1954 als Sonderbetriebsvermögen des damaligen Gesellschafters zum Gesamtbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft mit der Folge einheitlicher Gewinnermittlung gehört und ist nicht etwa an diesem Stichtag als Betriebsvermögen eingelegt worden. Der Ansatz des Teilwerts vom 1. Januar 1955 ist deshalb nicht möglich.