| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 8.4.1992 (XI R 37/88) BStBl. 1992 II S. 812

Arbeitgeberanteile eines Kommanditisten, der sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer der KG angesehen wird, gehören zu den Vergütungen, die der Kommanditist von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen hat. § 3 Nr. 62 EStG steht dem nicht entgegen.

EStG § 3 Nr. 62, § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

An der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist der Beigeladene S mit einem Anteil von etwas mehr als 3 v. H. als Kommanditist beteiligt. S war in den Streitjahren 1977 und 1978 als Einzelprokurist für die KG tätig. Nach Umgestaltung der Klägerin in eine GmbH & Co. KG wurde S Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Aufgrund seiner geringen prozentualen Beteiligung an der Klägerin und an der Komplementär-GmbH unterlag er der Rentenversicherungspflicht. Vom jeweiligen Arbeitgeber wurden deshalb Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung geleistet. Die Klägerin behandelte diese sog. Arbeitgeberanteile in ihren Feststellungserklärungen für die Jahre 1977 bis 1980 als Betriebsausgaben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) verweigerte im Anschluß an eine Außenprüfung den Betriebsausgabenabzug und rechnete die Beiträge dem Gewinnanteil des S zu.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im wesentlichen durch Bezugnahme auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Oktober 1970 GrS 1/70 (BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177) und führte ergänzend aus, daß § 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht generell eine Steuerbefreiung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung anordne. Die Vorschrift sei vielmehr i. V. m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu sehen, wonach zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben den Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile gehörten, denen die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung grundsätzlich zuzurechnen seien. § 3 Nr. 62 EStG diene nur dem Zweck, klarzustellen, daß derartige Bezüge des Arbeitnehmers nicht der Besteuerung unterworfen werden könnten. Die Vorschrift sei dagegen nicht geeignet, die Zurechnungsnorm des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG außer Kraft zu setzen.

Mit der vom VIII. Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht die Klägerin insbesondere geltend, daß nicht einzusehen sei, warum durch § 3 Nr. 62 EStG zwar die Zurechnungsnorm des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht dagegen die des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, durchbrochen werde. Auch stütze sich das FG zu Unrecht auf den Vergleich zwischen Mitunternehmer und Einzelunternehmer, bei deren steuerlicher Behandlung es keine Unterschiede geben dürfe. Das FG übersehe hierbei, daß ein solcher Vergleich nicht zulässig sei, weil ein Einzelunternehmer niemals Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sein könne und deshalb für ihn auch keine gesetzliche Versicherungspflicht entstehen könne. Die ungleiche Behandlung von Einzelunternehmer und Mitunternehmer im Rahmen der Sozialversicherung lasse es durchaus zu, daß daraus auch unterschiedliche steuerrechtliche Folgen gezogen werden könnten. Schließlich lasse das FG in seinen Entscheidungsgründen das rechtskräftige Urteil des FG des Saarlandes vom 19. November 1982 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983, 340) außer Betracht. In diesem Urteil sei entschieden worden, daß § 3 Nr. 62 EStG auf den sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abhebe.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung des FA vom 5. Juli 1983 aufzuheben und (sinngemäß) die Gewinnfeststellungsbescheide 1977 bis 1980 dahingehend abzuändern, daß die Gewinnanteile des S wie folgt ermäßigt werden:

für 1977 um 4.284 DM,

für 1978 um 4.462 DM,

für 1979 um 5.040 DM und

für 1980 um 5.292 DM.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision. Es macht insbesondere geltend, daß die Befreiung nach § 3 Nr. 62 EStG nur zum Zuge komme für Zukunftssicherungsleistungen für einen Arbeitnehmer, der auch im steuerlichen Sinne Arbeitnehmer sei. In dem von der Klägerin zitierten Urteil des Saarländischen FG werde nicht ausgesagt, daß § 3 Nr. 62 EStG auf den sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abstelle, sondern daß die Beantwortung der Frage, inwieweit eine gesetzliche Verpflichtung bestanden habe, Arbeitgeberbeiträge zu leisten, sich nach dem Sozialversicherungsrecht richte.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Ohne Rechtsverstoß ist das FG davon ausgegangen, daß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 62 EStG nicht berührt wird.

Wie der Große Senat des BFH durch den Beschluß in BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177 entschieden hat, gehören die Arbeitgeberanteile eines Kommanditisten, der sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft angesehen wird, zu den Vergütungen, die der Kommanditist von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen hat. Zur Begründung im einzelnen wird auf diesen Beschluß Bezug genommen. Der Senat folgt dieser Rechtsauffassung.

§ 3 Nr. 62 EStG steht dem nicht entgegen. Zwar wurde diese Vorschrift erst durch das Zweite Krankenversicherungsänderungsgesetz vom 21. Dezember 1970 (BGBl I 1970, 1770) - mithin nach dem Ergehen des o. a. Beschlusses des Großen Senats - in das EStG eingefügt. Gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschluß des Großen Senats in BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177 durch diese Gesetzesänderung überholt worden sei. Denn die Ergänzung des § 3 EStG um die Nr. 62 durch das Zweite Krankenversicherungsänderungsgesetz bedeutete bezüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitgeberanteile zu den gesetzlichen Sozialversicherungen der Arbeitnehmer keine Änderung der Rechtslage. Arbeitgeberleistungen dieser Art waren schon vor dem Inkrafttreten des Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetzes gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) 1968 steuerfrei (vgl. BTDrucks VI/1130, S. 5, sowie v. Beckerath in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. A 445). Hiervon ist der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 19. Oktober 1970 auch erkennbar ausgegangen, indem er ausführt, daß "die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung" nicht ausschlaggebend dafür sein kann, ob sie gewinnmindernd zu behandeln ist. § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV wird im übrigen auch in dem o. a. Beschluß des Großen Senats des BFH ausdrücklich angesprochen.

Der Einwand der Revision, es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb durch § 3 Nr. 62 EStG zwar die Zurechnungsnorm des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht aber diejenige des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG außer Kraft gesetzt werde, greift nicht durch. Durch § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG werden bestimmte Vergütungen, die ein Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft erhält und die ihrem Wesen nach einer anderen Einkunftsart (z. B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) zuzuordnen wären, zu Einkünften aus der gewerblichen Beteiligung umqualifiziert. Dadurch verliert derjenige, der diese Vergütungen zahlt, kraft ausdrücklicher steuerrechtlicher Vorschrift die Eigenschaft eines fremden Arbeitgebers, mag auch zivilrechtlich und sozialversicherungsrechtlich ein Arbeitsverhältnis vorliegen. Der Anwendungsbereich des § 3 Nr. 62 EStG ist aber naturgemäß auf Leistungen zwischen zwei einander fremden Personen, nämlich auf Ausgaben des "Arbeitgebers" zugunsten des "Arbeitnehmers" beschränkt. Entfällt aufgrund ausdrücklichen Gesetzesbefehls (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) durch Umqualifizierung der Einkunftsart das Begriffspaar "Arbeitgeber-Arbeitnehmer", so kann § 3 Nr. 62 EStG denkgesetzlich nicht mehr zum Zuge kommen.

Auf das Urteil des FG des Saarlandes in EFG 1983, 340 kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil in dem dort zu entscheidenden Fall darauf abgestellt wurde, daß der Zuschußempfänger - weil selbst keinem fremden Direktionsrecht unterliegend - in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinne gestanden habe. Im vorliegenden Falle dagegen wird von sämtlichen Beteiligten die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Arbeitgeberanteilen zugunsten des S als unstreitig angesehen. Hinzu kommt, daß - soweit ersichtlich - der dem Urteil des Saarländischen FG in EFG 1983, 340 vorangestellte Leitsatz zu 1. von den Urteilsgründen nicht gedeckt wird, so daß sich schon deshalb eine weitergehende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin erübrigt.