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  BFH-Urteil vom 8.5.1992 (VI R 134/88) BStBl. 1992 II S. 965

Aufwendungen eines approbierten Humanmediziners für das Studium der Zahnmedizin mit dem Ziel, Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg zu werden, sind Fortbildungskosten und als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist nach dem Studium der Humanmedizin und der Approbation seit 1982 als Arzt tätig. Im Streitjahr 1984 befand er sich in der Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie. Außerdem studierte er an der Universität M Zahnmedizin mit dem Ziel, nach dem Bestehen des Staatsexamens der Zahnmedizin sich in einem weiteren dreijährigen Abschnitt zum Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen weiterzubilden. Letzteres setzt nach § 3 der Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer die Approbation als Arzt und die Bestallung als Zahnarzt voraus.

Das Studium der Zahnmedizin absolvierte der Kläger als Vollstudium. Während des Vorklinikums wurden ihm die Vorlesungen und Veranstaltungen erlassen, die er schon während seines Studiums der Humanmedizin belegt hatte, so daß er das Vorklinikum nach zwei Semestern anstelle der üblichen fünf Semester beenden konnte. Das Physikum wurde ihm erlassen. Das Klinikum absolvierte er in vier Semestern anstelle der üblichen fünf Semester, da er einigen Kursen bevorzugt zugewiesen wurde und einige während des Studiums der Humanmedizin belegte Fächer entfielen. Im Staatsexamen der Zahnmedizin wurde der Kläger in den Fächern nicht erneut geprüft, die bereits Gegenstand des Staatsexamens der Humanmedizin gewesen sind.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte nur einen Teil der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Arbeitsmittel und Fachliteratur als Werbungskosten an. Die übrigen Aufwendungen behandelte er als Ausbildungskosten, die er mit dem Höchstbetrag von 900 DM berücksichtigte. Er vertrat die Auffassung, bei den Aufwendungen für das Studium der Zahnmedizin handele es sich um Ausbildungskosten.

Mit der auf Anerkennung weiterer Werbungskosten in Höhe von 7.758 DM gerichteten Klage machte der Kläger geltend, er habe mit dem Studium der Zahnmedizin letztlich eine Spezialisierung in seinem ausgeübten Beruf angestrebt.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als zwischen den Beteiligten Einigkeit herbeigeführt worden war, daß weitere Aufwendungen in Höhe von insgesamt 1.507 DM der Tätigkeit des Klägers als Humanmediziner zuzuordnen seien. Im übrigen wies es die Klage ab und führte im einzelnen aus: Aufwendungen für ein Zweitstudium seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich keine Fortbildungs-, sondern Ausbildungskosten. Soweit der BFH in einigen Fällen (Urteile vom 12. Juli 1974 VI R 125/72, BFHE 113, 109, BStBl II 1974, 712; vom 3. Dezember 1974 VI R 189/73, BFHE 114, 361, BStBl II 1975, 280; vom 18. März 1977 I R 2/76, BFHE 122, 77, BStBl II 1977, 547) die Aufwendungen für ein Zweitstudium als Fortbildungskosten zum Abzug zugelassen habe, sei der Streitfall mit den entschiedenen Fällen nicht vergleichbar. Zwar habe der Kläger mit seinem Zweitstudium nicht das Ziel verfolgt, sich als Zahnarzt niederzulassen oder später als Zahnarzt tätig zu werden. Er habe vielmehr das Studium ausschließlich deshalb absolviert, um die Zugangsvoraussetzungen nach § 3 der Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer für eine Weiterbildung zum Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen zu erfüllen. Setze jedoch die Erreichung eines spezialisierten Berufsbildes den Abschluß zweier kompletter Studiengänge voraus, so handele es sich bei dem jeweiligen Zweitstudium nicht um Fortbildung in bezug auf den durch das Erststudium bereits erzielten Beruf, sondern um Ausbildung.

Der Kläger verfolgt mit seiner vom FG zugelassenen Revision sein Klagebegehren weiter, soweit das FG die Klage abgewiesen hat.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Bei den Aufwendungen des Klägers für das Zweitstudium der Zahnmedizin handelt es sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz um als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) abziehbare Aufwendungen bei den Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit.

1. Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung sind nach ständiger Rechtsprechung Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Hierunter fallen Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärtszukommen (vgl. z. B. Urteil des BFH vom 7. November 1980 VI 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216). Hiervon zu unterscheiden sind die Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Solche liegen vor, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94). Hierzu zählen auch Aufwendungen zum Erwerb von Kenntnissen, die die Grundlage dafür bilden sollen, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln (BFH-Urteil vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616, 617).

Der Senat hat nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung in dem Urteil vom 14. Februar 1992 VI R 26/90, BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556 das Zweitstudium eines Lehrers mit der Befähigung für das Lehramt für die Sekundarstufe I zur Erlangung der Qualifikation für das Lehramt für die Sekundarstufe II als Fortbildung gewertet. Er hat es dabei als unschädlich angesehen, daß das Hochschulstudium für diejenigen Studenten, die unmittelbar die Qualifikation für die Sekundarstufe II anstreben, als Ausbildung zu beurteilen ist. Als vorrangig ist vielmehr gewichtet worden, daß das auf die bisherige Qualifikation aufbauende Zweitstudium dem Steuerpflichtigen weiterhin nur eine Tätigkeit im Lehrberuf ermöglichte und daß im Rahmen der Prüfung für die Qualifikation zur Sekundarstufe II Leistungen aus der bisherigen abgeschlossenen Berufsausbildung mit der Qualifikation zur Sekundarstufe I zur Anrechnung gelangt sind.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze spricht im Streitfall für die Beurteilung des Zweitstudiums als Fortbildung, daß sich die Studiendauer des Zweitstudiums wegen der umfangreichen Anrechnung von Prüfungen aus dem Erststudium und wegen der Nützlichkeit der in dem Erststudium erworbenen Kenntnisse ganz erheblich verkürzt hatte. Die vom FG festgestellte Anrechnung von Prüfungsergebnissen aus dem Erststudium gab dem Zweitstudium - ungeachtet dessen, daß es sich wegen der angestrebten Qualifikation um ein Vollstudium handelte - den Charakter eines Aufbaustudiums.

Das Zweitstudium des Klägers unterscheidet sich von demjenigen des Lehrers, der ein höher besoldetes Lehramt angestrebt hat, allerdings dadurch, daß der Kläger nicht nur seine bisherigen Kenntnisse als Humanmediziner ergänzt und vertieft hat, sondern durch das von Anfang an angestrebte Examen in der Zahnmedizin zusätzlich die Qualifikation erworben hat, sich als Zahnarzt niederzulassen. Die Frage, ob der Wechsel von der Humanmedizin zur Zahnmedizin trotz der dargestellten Überschneidungen der Prüfungsgebiete als Wechsel der Berufsart und deswegen als Ausbildung zu beurteilen ist, bedarf im Streitfall aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Kläger mit seinem Studium nicht das Ziel verfolgt, sich als Zahnarzt niederzulassen oder später als Zahnarzt tätig zu werden. Er hat vielmehr das Studium der Zahnmedizin ausschließlich mit Rücksicht auf sein weitergehendes Ziel absolviert, die Zugangsvoraussetzungen nach § 3 der Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer für eine Weiterbildung zum Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen zu erfüllen. Für die angestrebte Weiterbildung war das Studium der Zahnmedizin nicht nur nützlich, sondern die Bestallung als Zahnarzt war unerläßliche Voraussetzung. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber und auch das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Aufwendungen des Klägers dafür, Facharzt für Chirurgie zu werden, als Fortbildungskosten zu beurteilen sind. Gegenüber der Tätigkeit eines Chirurgen beinhaltet diejenige des Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen aber nur eine weitere Spezialisierung. Sie führt nach Auffassung des Senats insofern nicht zu einer anderen Berufsart, als weiterhin eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Chirurgie, wenn auch in einem speziellen Bereich, ausgeübt wird. Die Absicht des Klägers, Facharzt für Chirurgie zu werden und nach dem Studium der Zahnmedizin und einer Weiterbildung als Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg tätig sein zu wollen, rechtfertigt die Einstufung der Aufwendungen für das Zweitstudium als Fortbildungskosten. Die theoretisch für den Kläger bestehende Möglichkeit, nach Abschluß seines Zweitstudiums als Zahnarzt tätig zu werden, tritt gegenüber der den Senat bindenden Feststellung des FG, der Kläger habe auch nach Abschluß des Zweitstudiums eine Tätigkeit als Chirurg auf einem Spezialgebiet angestrebt, zurück.

3. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zur Höhe der geltend gemachten Aufwendungen getroffen. Es wird dies im zweiten Rechtsgang nachholen müssen.