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  BFH-Urteil vom 22.10.1992 (V R 53/89) BStBl. 1993 II S. 318

Der Unternehmer führt durch die entgeltliche Übernahme einer Ausbietungsgarantie einen nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1980 steuerfreien Umsatz aus.

UStG 1980 § 4 Nr. 8 Buchst. g.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verpflichtete sich gegenüber Bauherren einer Wohnanlage in G, die Vermietung von Eigentumswohnungen der Bauherren zu monatlich 5,20 DM pro qm Wohnfläche für fünf Jahre fest zu vermitteln.

Außerdem ist in § 2 Abs. III und IV des Vertrages für die Durchführung der Vermietung vereinbart worden:

"Der Auftragnehmer garantiert dem Auftraggeber eine durchschnittliche Kaltmiete von 5,20 DM pro qm Wohnfläche für den Zeitraum von 41/2 Jahren, gerechnet vom Tage des vertragsgemäßen Mietzuflusses an. Soweit die Mieteinnahmen (Kaltmiete) aus dem gesamten Garantiezeitraum einen geringeren durchschnittlichen Mietzins als monatlich 5,20 DM pro qm Wohnfläche ergeben, hat der Auftragnehmer den Fehlbetrag innerhalb eines Monats nach Ablauf des Garantiezeitraums durch Zahlung an den Auftraggeber auszugleichen. Der Auftraggeber kann den Auftragnehmer nicht in Anspruch nehmen, wenn infolge von gesetzgeberischen Maßnahmen, insbesondere auf den Gebieten des Mietpreises oder des Steuerrechts, die freie Preisbildung in der Wohnungswirtschaft beeinträchtigt oder außer Kraft gesetzt wird."

Die Entgelte für die Übernahme der bezeichneten Verpflichtungen von 198.417 DM für 1978 und von 36.997,32 DM für 1979 ordnete die Klägerin nach § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973/1980 steuerfrei ausgeführten Leistungen zu. Die gleiche Beurteilung nahm sie für Entgelte von 2.672.006,08 DM vor, die sie 1981 für von ihr übernommene Ausbietungsgarantien erhalten hatte. Die Finanzierung von Bauvorhaben in S, in W und in H hatte die Landesbank LB vom Abschluß von Ausbietungsgarantieverträgen zwischen den Bauherren (Auftraggeber) und der Klägerin (Auftragnehmer/Garantiegeber) abhängig gemacht.

Der als Anlage jeweils dem notariellen Grundstückskaufvertrag beigefügte "Ausbietungsgarantievertrag" hat in § 1 folgenden Inhalt:

"Der Garantiegeber verpflichtet sich, gegenüber dem endfinanzierenden Kreditinstitut auf die Dauer von drei Jahren ab Auszahlung der Endfinanzierungsmittel im Falle einer etwaigen Zwangsversteigerung des Kaufobjektes ein Gebot bis zur Höhe des vom Erwerber aufgenommenen Endfinanzierungsdarlehens abzugeben, sofern das Kreditinstitut eine derartige Verpflichtung fordert. Diese Verpflichtung gilt für jeden in einem etwaigen Zwangsversteigerungsverfahren stattfindenden Termin."

Die Klägerin gab die bezeichneten Erklärungen auf Anforderung der LB ab.

In dem angefochtenen Umsatzsteuersammeländerungsbescheid 1978 und 1979 und in der erstmaligen Umsatzsteuerfestsetzung für 1981 - jeweils vom 10. April 1984 - besteuerte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die bezeichneten Leistungen, weil er die Voraussetzungen für steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 UStG 1973/1980 nicht als gegeben ansah.

Die nach erfolglos durchgeführten Vorverfahren erhobene Klage führte zu der beantragten Steuerminderung. Das Finanzgericht (FG) beurteilte sowohl die übernommene Vermietungsgarantie als auch die Ausbietungsgarantie als Übernahme einer ähnlichen Sicherheit i. S. von § 4 Nr. 8 UStG 1973/1980.

Mit der Revision macht das FA Verletzung der bezeichneten Steuerbefreiungsvorschrift geltend. Die Übernahme der Vermietungsgarantie - so führt das FA zur Begründung u. a. aus - sei nicht steuerfrei, weil die Klägerin als Garantiegeberin nicht einem Dritten gegenüber verpflichtet worden sei. Die Ausbietungsgarantie sei keine bürgschaftsähnliche Leistung. Die Klägerin habe dadurch auch keine vertragliche Gewähr für die Gefahr eines künftigen Schadens übernommen, sondern sie sei eine nicht steuerbefreite bedingte Erwerbsverpflichtung eingegangen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat § 4 Nr. 8 UStG 1973/1980 zutreffend angewendet.

1. Die Vermietungsgarantie

Die Leistungen der Klägerin durch Übernahme einer Vermietungsgarantie sind nach § 4 Nr. 8 UStG 1973/1980 steuerfrei.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Abgabe selbständiger Garantieversprechen als Übernahme einer der Bürgschaft ähnlichen Sicherheit zu beurteilen. Dafür wird nicht vorausgesetzt, daß sich der Garantiegeber auch einem anderen Gläubiger als dem Garantieempfänger gegenüber verpflichtet (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Dezember 1989 V R 125/84, BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401; vom 24. Januar 1991 V R 19/87, BFHE 164, 137, BStBl II 1991, 539). Die Steuerbefreiung der Garantieübernahme als Übernahme einer der Bürgschaft ähnlichen Sicherheit ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs unabhängig davon, ob ein Dritter in die Vertragsbeziehungen einbezogen wird oder nicht (vgl. dazu auch Philipowski, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1990, 183). Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen.

Das von der Klägerin abgegebene Versprechen, den jeweiligen Garantienehmer so zu stellen, als wenn er während des Garantiezeitraums eine durchschnittliche Miete von monatlich 5,20 DM pro qm Wohnfläche erzielt hätte, enthält - wie das FG zutreffend durch Vertragsauslegung ermittelt hat - ein selbständiges Garantieversprechen (Vermietungsgarantie). Die Klägerin hat es übernommen, dafür einzustehen, daß sich für den jeweiligen Garantienehmer die Gefahr nicht verwirklichte, die Wohnungen nicht, nicht rechtzeitig oder nicht zu einer durchschnittlich 5,20 DM monatlich betragenden Miete je qm Wohnfläche vermieten zu können. Das FG hat es als bedeutungslos angesehen, aus welchem Grund die von der Klägerin auszugleichende Unterdeckung entstand. Die Ausgleichsverpflichtung hing insbesondere nicht von einem Verschulden ab. Inhalt des Garantieversprechens der Klägerin war somit die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos aus dem ungewissen Ausgang ihrer Vermietungstätigkeit.

Die Klägerin übernahm durch die Garantie nichts, was sie den Garantienehmern bereits wegen ihrer Verpflichtung zur Vermietung der Wohnungen schuldete (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401, unter II. 2 c bb). Für eine schuldhafte Verletzung ihrer Tätigkeit, die Wohnungen im Namen der Garantienehmer zu vermieten, hätte sie aus diesem entgeltlichen Geschäftsbesorgungsverhältnis eintreten müssen. Für die Folgen aus schuldhafter Verletzung der Geschäftsbesorgung galt die Garantie - wie das FG vertretbar ausgelegt hat - nicht.

Die Garantie deckte - wie sich aus dem Zusammenhang der vom FG festgestellten Vertragsbestimmungen ergibt - darüber hinaus das wirtschaftliche Risiko der Garantienehmer ab, daß ihre Wohnungen trotz vertragsgemäßer Vermietungsbemühungen der Klägerin nicht, nicht rechtzeitig oder nicht zu den vorausberechneten Mieten vermietet werden konnten. Sie schuldete für diesen Fall aus der Garantie die Zahlung eines Ausgleichsbetrages, der den jeweiligen Garantienehmer so stellte, als wäre das abgesicherte Ereignis nicht eingetreten. Wirtschaftlich sicherte die Klägerin den jeweiligen Garantienehmer ähnlich wie durch Eingehung einer Bürgschaft.

2. Die Ausbietungsgarantie

Zutreffend hat das FG die Leistung der Klägerin durch Erfüllung des "Ausbietungsgarantievertrages" als nach § 4 Nr. 8 UStG 1973/1980 steuerfreie Leistung beurteilt. Das FG hat dieser Vereinbarung die Übernahme einer Ausbietungsgarantie durch Auslegung entnommen. Diese Auslegung verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Der mit diesem Inhalt festgestellte Wille der Beteiligten ist für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO); denn die Schlußfolgerungen des FG auf den Willen der Beteiligten sind vertretbar. Zwingend brauchen sie nicht zu sein.

Die Klägerin hat durch die übernommene Ausbietungsgarantie eine "andere Sicherheit" (als durch Übernahme von Verbindlichkeiten oder Bürgschaften) i. S. von § 4 Nr. 8 UStG 1973/1980 geleistet. Der Senat hat diese Vorschrift so ausgelegt, daß keine rechtstechnische Übereinstimmung (Ähnlichkeit) zwischen der übernommenen Leistung mit einer Schuldübernahme oder einer Bürgschaft bestehen muß. Maßgebend ist vielmehr, daß die Leistung dem Begünstigten eine wirtschaftliche Sicherheit gewährt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401, unter II. 2. a zum UStG 1967/1973; in BFHE 164, 137, BStBl II 1991, 539, unter II. 1. a zum UStG 1980). Seine wirtschaftliche Lage muß durch die Leistung sicherer als ohne diese Leistung sein.

Mit einer Ausbietungsgarantie übernimmt der Garantiegeber die Gewähr dafür, daß der Gläubiger eines Grundpfandrechts bei einer Zwangsversteigerung des Grundstücks keinen Ausfall erleidet (vgl. Pecher in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Schuldrecht, Besonderer Teil, 2. Halbband, 2. Aufl., 1986, vor § 765 Rdnr. 14). Die Übernahme erfolgt durch Garantie-(Gewähr-)Vertrag (vgl. Palandt/Thomas, Bürgerliches Gesetzbuch, 51. Aufl., vor § 765 Rdnr. 20). Sie verstärkt die Sicherheit des (begünstigten) Grundpfandgläubigers, Befriedigung aus dem Grundstück (§§ 1147, 1191, 1192 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) zu finden und die grundpfandrechtlich gesicherte Forderung auf Rückzahlung eines dem Grundstückseigentümer gewährten Darlehens zu verwirklichen. Die Erhöhung der Sicherheit des Grundpfandgläubigers ist der Zweck der Übernahme der Ausbietungsgarantie (vgl. dazu auch Reichsgericht - RG -, Urteil vom 23. November 1917 III 213/17, RGZ 91, 213, 216, 217). Daß die Klägerin mit der Übernahme der Ausbietungsgarantie auch eine aufschiebend bedingte Verpflichtung zum Selbsterwerb des Grundstücks eingegangen ist, ändert umsatzsteuerrechtlich nichts. Die Sicherheit des begünstigten Grundpfandgläubigers ist in jedem Fall verstärkt. Sie verstärkt seine Sicherheit, wenn es nicht zur Zwangsversteigerung des Grundstücks kommt. Das gleiche gilt, wenn die Klägerin in Erfüllung der übernommenen Garantie ein Gebot bis zur Höhe der vom Erwerber aufgenommenen Endfinanzierungsdarlehen abgegeben, aber den Zuschlag nicht erhalten hat. Ebenso wird die Sicherheit verstärkt, wenn sie aufgrund ihres Gebots den Zuschlag erhalten und damit das Eigentum erworben hat. Der Eigentumserwerb ist unter den bezeichneten Voraussetzungen gerade die Verwirklichung der bereits vorher durch Übernahme der Ausbietungsgarantie gewährten Sicherheit.

Sicherheitsleistung durch Ausbietungsgarantie hat die Rechtsprechung des BFH im Kapitalverkehrsteuerrecht angenommen (BFH-Urteil vom 8. November 1978 II R 6/74, BFHE 126, 483). Daß der Ausbietungsverpflichtete mit einem Grundpfandgläubiger grunderwerbsteuerrechtlich nicht gleichgestellt worden ist (BFH-Urteil vom 23. Januar 1980 II R 20/74, BFHE 129, 415, BStBl II 1980, 221), steht der vorliegenden Beurteilung, bei der über eine "andere Sicherheit" zu befinden ist, nicht entgegen.

3. Das FG hat berücksichtigt, daß die mit den steuerfreien Leistungen der Klägerin zusammenhängenden Vorsteuerbeträge vom Abzug gemäß § 15 Abs. 4, § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1973/1980 ausgeschlossen sind.