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  BFH-Urteil vom 4.12.1991 (I R 163/90) BStBl. 1993 II S. 362

Entgegen Tz. 63 ff. des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 16. Juni 1978, BStBl I S. 235, bleibt es ohne Einfluß auf die Vergünstigung des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977, wenn der Anteilseigner die Kapitalanteile bereits in dem Veranlagungszeitraum veräußert, der einer Besteuerung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1977 folgt.

UmwStG 1977 § 21 Abs. 2 Satz 3.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1991, 159)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Gesellschafter der Firma P GmbH & Co. KG (im folgenden: KG). Die KG wurde im Streitjahr (1987) nach § 20 des Umwandlungs-Steuergesetzes 1977 (UmwStG 1977) zu Buchwerten in die Firma P GmbH (im folgenden: GmbH) eingebracht. Die GmbH wurde später in die Firma P AG umgewandelt.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger einen Veräußerungsgewinn nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG. Bereits vorher hatte er beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) u. a. beantragt, die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977 in jährlichen Teilbeträgen von je 1/5 entrichten zu können.

Im Jahr 1988 veräußerte der Kläger 43,27 v. H. der durch die Umwandlung erlangten Aktien.

Das FA unterwarf im Einkommensteuerbescheid für 1987 antragsgemäß den erklärten Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer. Mit Verfügung vom 8. September 1989 gewährte das FA teilweise die begehrte Stundung. Es lehnte sie insoweit ab, als der Kläger im Jahr 1988 durch den Verkauf einbringungsgeborener Aktien einen Erlös erzielt hatte. Zur Begründung für die teilweise Ablehnung des Antrags verwies das FA auf Tz. 63 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16. Juni 1978 IV B 2 - S 1909 - 8/78 (BStBl I 1978, 235).

Die Beschwerde der Kläger blieb erfolglos. Auf die Klage verpflichtete das Finanzgericht (FG) das FA, den Klägern die begehrten Teilzahlungen zu gewähren. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 159 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977.

Es beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 30. August 1990 X-K 8/90 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Klage ist zulässig. Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob im Streitfall anstatt durch Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) durch Einspruchsentscheidung des FA über den von den Klägern eingelegten außergerichtlichen Rechtsbehelf (vgl. § 357 Abs. 1 Satz 4 der Abgabenordnung - AO 1977 -) hätte entschieden werden müssen, weil die Gewährung einer Stundung nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977 eine gebundene Entscheidung darstellt (vgl. § 348 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977). In keinem Fall kann davon die Zulässigkeit der von den Klägern erhobenen Klage gemäß § 44 FGO abhängen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juni 1986 II R 38/84, BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704). Im übrigen verweist der erkennende Senat auf die zutreffenden Ausführungen des FG zu dieser Frage.

2. Die Kläger sind gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG berechtigt, die Einkommensteuer für 1977 in jährlichen Teilbeträgen, wie vom FG erkannt, zu entrichten.

§ 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG räumt den Klägern insoweit - unabhängig von persönlicher Härte und Unbilligkeit im Einzelfall (§ 222 AO 1977) - einen Rechtsanspruch auf Stundung ein, sofern - was hier nicht streitig ist - die Entrichtung der Teilbeträge sichergestellt ist (Hübl in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21 UmwStG, Rdnr. 100). Dieser Stundungsanspruch steht beiden Klägern zu, da sie hinsichtlich der Einkommensteuer, deren Stundung von ihnen begehrt wird, gemäß §§ 26, 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusammen zu veranlagen waren (§ 44 Abs. 1 AO 1977) und die Stundung nicht von persönlichen Eigenschaften eines der Kläger abhängt (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 3 AO 1977).

Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977 sind im Streitfall erfüllt, da die Einkommensteuern, deren Stundung begehrt wird, auf einen "Veräußerungsgewinn" entfallen, den der Kläger nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1977 ausgelöst hat. Es wurde damit der gemeine Wert von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft besteuert, die der Kläger durch eine Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 UmwStG 1977) erworben hat.

Entgegen der Auffassung des BMF im Schreiben vom 16. Juni 1978 Tz. 63 ff. bleibt es ohne Einfluß auf die Vergünstigung des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977, daß der Kläger im Streitfall die entsprechenden Kapitalanteile im folgenden Veranlagungszeitraum veräußerte (Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rdnr. 7449; Hübl, a. a. O., § 20 UmwStG, Rdnr. 102, und Loos, Umwandlungs-Steuergesetz 1969, 2. Aufl., Rdnr. 1023; a. A. Glade/Steinfeld, Umwandlungs-Steuergesetz 1977, Rdnr. 1204 für den Fall, daß die Veräußerung der Anteile bei Verwirklichung der Tatbestände des § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG schon vorgesehen ist bzw. kurze Zeit später nachfolgt).

Der Senat verkennt nicht, daß den die Veräußerung planenden Steuerpflichtigen damit die Möglichkeit eingeräumt ist, zunächst den Antrag auf Besteuerung der stillen Reserven gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1977 zu stellen, um dadurch die gesetzliche Stundung auszulösen, und danach die Anteile zu veräußern, wofür ihnen das Gesetz kein Recht auf Stundung eingeräumt hätte.

Indes steht der Auffassung des BMF der eindeutige Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977 entgegen. Der Zweck der Vorschrift, durch die Stundung einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß im Fall der Realisierung der stillen Reserven auf Antrag dem Steuerpflichtigen keine Mittel zur Steuerzahlung zufließen, vermag - entgegen der Auffassung des BMF - keine teleologische Reduktion des gesetzlichen Wortlauts zu begründen, da dieser Zweck vom Gesetz selbst nicht widerspruchsfrei durchgeführt wurde. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 UmwStG gewährt die gesetzliche Stundung auch in den Fällen der Kapitalherabsetzung und Liquidation, in denen dem Anteilseigner im Regelfall der Gegenwert seiner Anteile sofort oder jedenfalls alsbald zur Verfügung steht. Darauf hat das FG zutreffend hingewiesen. Aus § 6 Abs. 5 des Außensteuergesetzes (AStG) ergibt sich zudem, daß es der Gesetzgeber in ähnlichen Fällen ausdrücklich festgelegt hat, wenn die gesetzliche Stundung durch eine Veräußerung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft aufgehoben werden soll.

Des weiteren läßt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht erkennen, daß der Gesetzgeber die Vergünstigung des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG bei anschließender Veräußerung der Kapitalanteile versagen wollte. Die Vorschrift entspricht wortgleich dem § 18 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1969 und wurde in das UmwStG 1977 ohne eigene Begründung übernommen. Da diese Regelung in den Ausschußberatungen des Bundestages (BT) entstanden ist, liegt als Gesetzesmaterial lediglich der Bericht des Finanzausschusses des BT vor. Darin ist dazu lediglich ausgeführt, "die übrigen Abweichungen der vom Finanzausschuß vorgeschlagenen Fassung des Absatzes 2 von der Regierungsvorlage" hätten nur redaktionelle Bedeutung (BTDrucks V/4245, S. 7). Ein Hinweis darauf, der Gesetzgeber wolle eine Stundung bei anschließender Veräußerung der Kapitalanteile versagen, folgt daraus nicht.

Ebensowenig steht der begehrten Stundung nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG die zur "Verhinderung von Mißbräuchen" (vgl. die Überschrift zum 8. Teil des UmwStG 1977) getroffene Regelung des § 25 Abs. 3 Satz 2 UmwStG entgegen. Sie gebietet zwar die sofortige Entrichtung gestundeter Steuern, "wenn in anderen Fällen die Übernehmerin den auf sie übergegangenen Betrieb innerhalb des Stundungszeitraums veräußert oder aufgibt". Nach ihrem gesetzlichen Zusammenhang bezieht sich indes diese Regelung nur auf die Fälle der §§ 7 und 18 Abs. 4 UmwStG (vgl. Widmann/Mayer, a. a. O., Rdnrn. 8682 ff., und Hübl, a. a. O., § 25 UmwStG, Rdnr. 66). Es bedarf daher keiner Erörterung, ob und inwieweit unter "Betrieb" i. S. dieser Vorschrift auch einbringungsgeborene Kapitalanteile zu verstehen sind (vgl. dazu Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr. B 23), zumal diese Eigenschaft mit der Versteuerung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1977 beendet ist. Die ausdrücklich eine Stundung aufhebende Regelung des § 25 Abs. 3 UmwStG 1977 spricht im übrigen ebenfalls dafür, daß ohne eine solche Regelung eine Stundung nach § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977 nicht versagt werden darf.

§ 42 AO 1977 greift im Streitfall ebenfalls nicht ein. Diese Bestimmung ist nicht geeignet, die fehlenden gesetzlichen Beschränkungen des § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977 zu ersetzen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 I R 118/87, BFHE 159, 455, BStBl II 1990, 474; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 42 AO 1977 Rdnr. 98).