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  BFH-Urteil vom 24.11.1992 (IX R 99/89) BStBl. 1993 II S. 593

Hat der Steuerpflichtige größere Erhaltungsaufwendungen im Jahr ihrer Entstehung weder in vollem Umfang gemäß § 11 Abs. 2 EStG noch anteilig gemäß § 82 b EStDV als Werbungskosten abgezogen, so kann er die Aufwendungen auch dann noch anteilig gleichmäßig auf die folgenden Jahre des Verteilungszeitraums verteilen, wenn für das Jahr der Entstehung Festsetzungsverjährung eingetreten ist (Anschluß an Senatsurteil vom 27. Oktober 1992 IX R 152/89, BFHE 170, 57, BStBl II 1993, 589).

EStDV § 82 b.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Die Klägerin erbte 1976 verschiedene Grundstücke und ein Wohngebäude, die sämtlich als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet waren. Sie übertrug das Wohngrundstück zur Hälfte auf ihren Ehemann. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) festgestellt hatte, daß die Landwirtschaft 1977 aufgegeben worden war, bewertete er das Wohngrundstück im Wege der Nachfeststellung als Mietwohngrundstück, mit steuerlicher Wirkung aber erst ab 1. Januar 1982, weil für die Vorjahre Festsetzungsverjährung eingetreten war. Die Kläger, die bis dahin keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt hatten, holten dies auf Anforderung des FA nach. Sie beantragten, größere Erhaltungsaufwendungen aus den Jahren 1978 bis 1981, die der Höhe nach unstreitig sind, nach § 82 b EStDV auf die Streitjahre 1982 bis 1984 zu verteilen. Das FA lehnte in den nach § 173 der Abgabenordnung (AO 1977) erlassenen Änderungsbescheiden eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab.

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Das Wahlrecht nach § 82 b Abs. 1 Satz 1 EStDV könne nur im Veranlagungsverfahren für das Jahr ausgeübt werden, in dem der Erhaltungsaufwand tatsächlich geleistet worden sei. Würde die nachträgliche Ausübung des Wahlrechts zugelassen, könnten die Kläger im Streitfall einerseits die Erfassung der Mieterträge in den Aufwandsjahren vermeiden, andererseits den Aufwand nunmehr zu einer weiteren Steuerminderung verwenden.

Mit der Revision berufen sich die Kläger auf die Urteile des FG Hamburg vom 19. Januar 1979 III 147/76 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1979, 331) und des FG München vom 13. Oktober 1989 8 K 13297/86 (EFG 1990, 60) sowie auf die Kommentierung von Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, Anhang 5 zu § 7 a EStG Anm. 13, Stand: Juni 1988, und machen ferner geltend, sie hätten aus Unwissenheit in den Vorjahren keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt und ihr Wahlrecht nach § 82 b EStDV nicht ausgeübt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO ist die Vorentscheidung aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Das FG hat den Klägern zu Unrecht den Abzug der geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen nach Maßgabe des § 82 b EStDV versagt.

1. Nach § 82 b Abs. 1 Satz 1 EStDV kann ein Steuerpflichtiger größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, die im Zeitpunkt der Leistung des Erhaltungsaufwands nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und überwiegend Wohnzwecken dienen, abweichend von § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen. Daraus ergibt sich, daß der Steuerpflichtige für das Jahr der Entstehung der Aufwendungen wählen kann, ob er die genannten Aufwendungen in diesem Jahr voll als Werbungskosten absetzen oder auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen will (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Oktober 1977 VIII R 6/75, BFHE 123, 489, BStBl II 1978, 96, und vom 26. Oktober 1977 VIII R 111/74, BFHE 124, 498, BStBl II 1978, 367).

Wie der Senat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1992 IX R 152/89, BFHE 170, 57, BStBl II 1993, 589 entschieden hat, kann der Steuerpflichtige die im Entstehungsjahr nicht als Werbungskosten abgezogenen Aufwendungen, soweit sie nicht aufgrund der Bestandskraft des Steuerbescheids dieses Jahres anteilig von der Verteilung ausgeschlossen sind, auch dann noch anteilig gleichmäßig auf die Folgejahre verteilen, wenn er im Entstehungsjahr das Wahlrecht nach § 82 b EStDV nicht ausgeübt hat. Ist der Steuerbescheid für das Jahr der Entstehung der Aufwendungen bestandskräftig geworden, so schließt dies zwar den Abzug des auf dieses Jahr entfallenden Anteils der verteilten Aufwendungen aus, steht aber einer gleichmäßigen anteiligen Verteilung der verbleibenden Aufwendungen in den übrigen Jahren des Verteilungszeitraums nicht entgegen. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das Urteil in BFHE 170, 57, BStBl II 1993, 589 verwiesen.

Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn für die Veranlagung des Entstehungsjahres der Aufwendungen Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO 1977) eingetreten ist und der Steuerpflichtige in diesem Jahr weder die Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 EStG abgezogen noch sein Wahlrecht nach § 82 b EStDV ausgeübt hat. Es kann dahinstehen, ob nach der Regelung des § 47 AO 1977, derzufolge durch Verjährung die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen, der abstrakte Steueranspruch untergeht (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 47 Tz. 1), oder ob die Verjährung den abstrakten Steueranspruch unberührt läßt und nur die Festsetzung der Steuer hindert (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977; vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., 1990, § 47 Anm. 2 d). Jedenfalls entfaltet die Festsetzungsverjährung ihre Rechtswirkungen nur für die Veranlagungszeiträume, für die die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Umfaßt der Verteilungszeitraum nach § 82 b EStDV sowohl Veranlagungszeiträume, für die die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, als auch solche Veranlagungszeiträume, für die dies nicht der Fall ist, so schließt die Festsetzungsverjährung nur den Anteil der Aufwendungen vom Abzug aus, der auf die von der Verjährung erfaßten Jahre entfällt. In den übrigen Jahren des Verteilungszeitraums können die verbleibenden Aufwendungen hingegen gleichmäßig anteilig abgezogen werden.

2. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Den Klägern steht der anteilige Abzug nach § 82 b EStDV für die Streitjahre zu. Die Höhe der auf die einzelnen Jahre entfallenden Aufwendungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.