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  BFH-Urteil vom 22.1.1993 (VI R 64/91) BStBl. 1993 II S. 612

Aufwendungen für eine Studienreise in ein fernöstliches Land sind als Werbungskosten nur abziehbar, wenn ein konkreter Bezug zur beruflichen Tätigkeit des jeweiligen Teilnehmers besteht. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Reise durch die besonderen Belange des Berufs oder der speziellen Tätigkeit des Arbeitnehmers veranlaßt ist.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1992, 254)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Richter am Landgericht; im Streitjahr gehörte er einer Zivilkammer an. Ferner leitet er Referendararbeitsgemeinschaften.

Im Streitjahr nahm der Kläger zusammen mit 25 Richtern aller Gerichtszweige und Staatsanwälten an einer von deutschen Justizbehörden unterstützten Studienreise nach Japan teil. Das Programm der (23 Tage dauernden) Reise umfaßte an 15 Tagen Besuche bei verschiedenen japanischen Gerichten und anderen Institutionen, verbunden mit Vorträgen, Besichtigungen und Diskussionen. Örtlicher Schwerpunkt der Veranstaltung war Tokio; es wurden aber auch anschließende Reisen nach Kioto, Osaka und Hiroshima unternommen. Inhaltlich erstreckte sich das Programm auf die Grundsätze des japanischen Rechtssystems, auf das materielle Recht, die Rechtspflege, den Strafvollzug, die Juristenausbildung, die Rechtsvergleichung, daneben auf wirtschaftsrechtliche Aspekte. Der Kläger hat an allen Veranstaltungen teilgenommen. Die verbleibenden Tage fielen überwiegend auf Wochenenden oder dienten der An- und Abreise.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger mit der Reise zusammenhängende Aufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte ihre Berücksichtigung ab.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Reise weitaus überwiegend beruflich veranlaßt war.

Das tatsächlich durchgeführte Reiseprogramm sei auf die beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten gewesen. Denn die Veranstaltung habe dazu gedient, bessere Erkenntnisse für die Tätigkeit auch des Klägers zu gewinnen. Es komme nicht darauf an, ob sich diese Erkenntnisse nachweislich auf die Erledigung der beruflichen Arbeiten ausgewirkt hätten, sondern es sei bedeutsam, daß ein bloßes Interesse der Teilnehmer an allgemeiner wirtschaftlicher oder kultureller Bildung als Anlaß der Reise nicht in Betracht komme. Bei den Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen sei der berufliche Bezug kaum unterbrochen worden. Diese hätten nahezu ausschließlich dazu gedient, Einblicke in das japanische Rechtssystem, in die Rechtstheorie und die praktische Rechtsanwendung zu bekommen. Ein mit Ortswechseln verbundener Erlebniswert könne demgegenüber den beruflichen Charakter der Reise nicht in Frage stellen. Im einzelnen wird auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 254 veröffentlichten Entscheidungsgründe verwiesen.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 9 und § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FG habe die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die Abgrenzung allgemein beruflicher Information von den beruflichen Bedürfnissen eines Steuerpflichtigen unzutreffend angewendet und den privaten Erlebniswert der Reise im Streitfall nicht entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung gewürdigt. Im Streitfall könne nur ein allgemeines berufliches Interesse des Klägers an der Studienreise bestanden haben, das für die Anerkennung der Aufwendungen als Werbungskosten nicht ausreiche. Lediglich an drei Tagen der Veranstaltung seien zivilrechtliche Themen behandelt worden, die den Gegenstand des Aufgabenbereichs des Klägers bildeten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG besteht ein Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die der Lebensführung des Steuerpflichtigen dienen, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Die Vorschrift enthält damit eine gesetzliche Typisierung und ein gesetzliches Verbot der Aufteilung. Abziehbare Aufwendungen liegen nur vor, wenn sie ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse getätigt werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist (Beschlüsse des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der privaten Lebensführung eine Rolle gespielt haben, hat der BFH in ständiger Rechtsprechung in erster Linie auf ihren Zweck abgestellt (BFH-Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; BFH-Urteile vom 23. Oktober 1981 VI R 71/78, BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69, und vom 18. Oktober 1990 IV R 72/89, BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92). Reisen sind in der Regel nur dann ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen, wenn ihnen offensichtlich ein unmittelbarer beruflicher Anlaß zugrunde liegt. Das ist bei Auslandsgruppenreisen regelmäßig nicht der Fall. Der Anlaß für solche Reisen besteht vielmehr im Interesse an allgemeiner Information und beruflicher Fortbildung. Zudem kommt Auslandsgruppenreisen meist auch ein gewisser Erlebniswert zu. Ganz überwiegend beruflich veranlaßt kann eine solche Reise daher nur sein, wenn das Reiseprogramm auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse und Gegebenheiten der Teilnehmer zugeschnitten ist (vgl. den BFH-Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Der Steuerpflichtige muß im einzelnen darlegen und beweisen, daß seine Reise durch die besonderen Belange seines Berufes und durch seine spezielle Tätigkeit veranlaßt war und damit ein persönlicher Erlebniswert gegenüber der beruflichen Veranlassung nicht ins Gewicht fällt (BFH-Urteil in BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69).

Der Vorinstanz ist danach nicht zu folgen, wenn sie von einer weitaus überwiegenden beruflichen Veranlassung der Reise des Klägers ausgegangen ist. Zwar obliegt bei der Beurteilung der Frage, ob eine Reise aus beruflichen oder privaten Gründen unternommen wurde, die tatsächliche Feststellung der Merkmale und deren Würdigung dem FG als Tatsacheninstanz. Das Revisionsgericht ist dennoch zur Prüfung aufgerufen, ob bei der Würdigung dieser Merkmale die maßgebenden rechtlichen Kriterien zutreffend berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil in BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69). Entgegen den Feststellungen des FG widerspricht es allgemeiner Erfahrung, daß einer dreiwöchigen Studienreise nach Japan wie im Streitfall lediglich ein ganz untergeordneter Erlebniswert zukommt. Zwar war das Programm der Veranstaltung straff organisiert und hat daneben nur wenig Zeit belassen, die für umfangreiche private Unternehmungen hätte genutzt werden können. Dennoch bedeutet auch in diesem vorgegebenen Rahmen der Besuch eines fernöstlichen Landes und der Kontakt mit japanischen Kollegen selbst nach heutigen Maßstäben eine Erweiterung des individuellen Gesichtskreises und damit eine nachhaltige persönliche Bereicherung.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz wäre für die Anerkennung der Aufwendungen des Klägers als Werbungskosten daher zu fordern gewesen, daß die Reise gerade durch die besonderen Belange seines Berufes und seiner speziellen Tätigkeit veranlaßt war. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Veranstaltung war allgemein auf das Informationsbedürfnis von Richtern aller Gerichtszweige und Staatsanwälten ausgerichtet und ließ für eine Spezialisierung keinen Raum. Daher kann auch nicht von einem hinreichend homogenen Teilnehmerkreis ausgegangen werden. Eine Reise ist nicht bereits dann auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten, wenn ein bloßes Interesse an allgemeiner wirtschaftlicher oder kultureller Bildung als alleiniger Anlaß der Reise nicht in Betracht kommt. Auch die Tatsache, daß die Reise von den deutschen Justizbehörden unterstützt und gefördert wurde, läßt einen Schluß auf besondere dienstliche Belange nicht zu.

Eine besondere Veranlassung durch die berufliche Tätigkeit wäre nur zu bejahen gewesen, wenn der Kläger sich im Rahmen seiner Richter- oder Ausbildertätigkeit unmittelbar mit japanischem Recht oder der Rechtsvergleichung zu befassen gehabt und die Reise diesen besonderen Zwecken gedient hätte.

Da die Vorentscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif, die Klage war daher abzuweisen.