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  BFH-Urteil vom 19.5.1993 (II R 23/92) BStBl. 1993 II S. 628

Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR ist nur erfüllt, wenn die zur Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags erforderliche Genehmigung erteilt ist. Die Erteilung der Genehmigung ist für das Entstehen der Steuer erforderlich.

GrEStG DDR § 1 Abs. 1 Nr. 1; Grundstücksverkehrsverordnung § 2.

Vorinstanz: BG Potsdam (EFG 1992, 356)

Sachverhalt

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 30. Oktober 1990, geändert durch notariell beurkundeten Vertrag vom 13. Dezember 1990, erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ein Grundstück in Potsdam. Am 8. Januar 1991 erteilte der Magistrat der Stadt Potsdam die Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsverordnung. Diese wurde jedoch nicht dem Kläger bekanntgegeben, sondern lediglich dem Grundbuchamt zugeleitet. Auf Veranlassung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen widerrief der Magistrat dem Grundbuchamt gegenüber diese Genehmigung und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 5. April 1991 mit, daß die Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht erteilt werden könne, da vermögensrechtliche Ansprüche auf das verkaufte Grundstück geltend gemacht worden seien.

Durch Bescheid vom 7. Februar 1991 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Grunderwerbsteuer in Höhe von 26.110 DM gegen den Kläger fest. Dies entsprach 7 v. H. der Bemessungsgrundlage (Kaufpreis). Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Am 26. März 1991 erließ das FA einen berichtigten Bescheid gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO 1977). Unter Beibehaltung des Steuerbetrags von 26.110 DM wurde nunmehr ausdrücklich auf den Steuersatz von 7 v. H. nach § 13 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) DDR im Bescheid hingewiesen. Durch Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1991 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage begehrte der Kläger, den Grunderwerbsteuerbescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheids vom 26. März 1991 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. In Ermangelung der Grundstücksverkehrsgenehmigung sei die Grunderwerbsteuer noch nicht entstanden.

Das Bezirksgericht (BG) Potsdam - Senat für Finanzrecht - hat der Klage stattgegeben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. Februar 1991 in der Fassung des berichtigten Bescheids vom 26. März 1991 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1991 aufgehoben (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1992, 356). Der notariell beurkundete Grundstückskaufvertrag sei nach § 2 Abs. 1 Buchst. a der Grundstücksverkehrsverordnung, die in der Fassung des Einigungsvertrags (Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschn. II Nr. 1) im Beitrittsgebiet fortgelte, genehmigungsbedürftig. Diese Genehmigung sei im Streitfall (noch) nicht erteilt worden. Die dem Grundbuchamt zunächst zugeleitete Genehmigung sei dem Kläger selbst nicht bekanntgegeben und infolgedessen nicht wirksam geworden. Bedürfe ein Erwerbsvorgang einer behördlichen Genehmigung, so entstehe die Grunderwerbsteuer erst mit der Genehmigung. Dies ergebe sich für das GrEStG 1983 aus dessen § 14 Nr. 2. Für das GrEStG DDR habe nichts anderes gegolten, auch wenn es seit dem Außerkrafttreten der Abgabenordnung der DDR an einer entsprechenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für die Entstehung der Steuer bei aufschiebend bedingten und genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen gefehlt habe. Mit dem Steuertatbestand "Kaufvertrag oder anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründe" könne nur ein (endgültig) wirksames Rechtsgeschäft gemeint sein, nicht aber ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft, das zu seiner Wirksamkeit einer Genehmigung oder des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung bedürfe. Das folge bereits aus der Gesetzgebungsgeschichte des GrEStG 1940. Selbst wenn man der gegenteiligen Auffassung folge, käme man zum selben Ergebnis, da dann nach dem 30. Juni 1990 im GrEStG DDR eine planwidrige Lücke bestünde, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung im Sinne der bisherigen Regelung geschlossen werden müßte.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Mit dieser wird Verletzung materiellen Rechts geltend gemacht. Das FA beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

1. Gegen das Urteil eines Finanzgerichts (FG) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof (BFH) nach § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu. Für Sachen, für die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) die Finanzgerichte zuständig sind, sind im Beitrittsgebiet (zunächst) die für Finanzrecht eingerichteten Senate der Bezirksgerichte zuständig (Art. 8 mit Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Buchst. a Abs. 3 Buchst. t und v des Einigungsvertrags). Gegen das Urteil des BG - Senat für Finanzrecht - ist daher die Revision zum BFH statthaft. Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Revision sind gewahrt.

2. Das BG hat zutreffend erkannt, daß der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid rechtswidrig ist. Durch den zwar genehmigungsbedürftigen, aber nicht genehmigten Grundstückskaufvertrag ist Grunderwerbsteuer nach dem GrEStG DDR nicht entstanden.

a) Nach Art. 8 i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 des Einigungsvertrags ist im Beitrittsgebiet auf dem Gebiet des Rechts der Besitz- und Verkehrsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer bis zum 31. Dezember 1990 das bisher im Beitrittsgebiet geltende Recht weiter anzuwenden. Diese Regelung erstreckt sich auch auf das GrEStG DDR. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei dem GrEStG DDR handelt es sich um revisibles Recht i. S. des § 118 Abs. 1 FGO, das zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags im Streitfall anwendbar war (vgl. II. 3. a bis c des Senatsurteils vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BStBl II 1993, 630).

b) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Ein wirksamer Anspruch des Klägers auf Eigentumsübertragung an einem Grundstück im Sinne dieser Vorschrift ist durch den Kaufvertrag jedoch nicht begründet worden. Der Kaufvertrag bedurfte nach § 2 der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken (Grundstücksverkehrsverordnung) der ehemaligen DDR vom 15. Dezember 1977 (Gesetzblatt 1978 I Nr. 5, S. 73) der Genehmigung. Die Grundstücksverkehrsverordnung galt in der Fassung des Einigungsvertrags nach dem 3. Oktober 1990 fort (Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschn. II Nr. 1 Einigungsvertrag). Genehmigungsbedürftig war nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Buchst. a der Grundstücksverkehrsverordnung in der damals geltenden Fassung "die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch Vertrag". Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist diese Formulierung dahin zu verstehen, daß sich die Genehmigungspflicht zumindest auch auf die schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bezieht. Inwieweit sie auch die Auflassung erfaßt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Ohne diese Genehmigung ist der Grundstückskaufvertrag (zumindest) schwebend unwirksam, d. h. die Parteien sind zwar gebunden, es bestehen aber keine Erfüllungsansprüche. Das Bestehen eines solchen Anspruchs (auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück) ist jedoch Voraussetzung für das Entstehen der Grunderwerbsteuer nach dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR. Das GrEStG besteuert grundsätzlich jede Änderung der eigentumsmäßigen Zuordnung des Grundstücks. Steuertechnisch wird dies dadurch verwirklicht, daß (als Haupttatbestand) bereits die entsprechende schuldrechtliche Verpflichtung die Steuer auslöst. Das spätere Schicksal dieser schuldrechtlichen Verpflichtung (Erfüllung oder Nichterfüllung, Aufhebung oder Weiterbestehen) ist für den einmal entstandenen Steueranspruch grundsätzlich ohne Bedeutung, notwendigerweise muß jedoch die schuldrechtliche Verpflichtung selbst rechtlich wirksam geworden sein. Es entspricht dem Sinn der Grunderwerbsteuer, nur rechtsgültige Verpflichtungen zur Steuer heranzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 1960 II 247/58 U, BFHE 70, 468, BStBl III 1960, 175). Eine Besteuerung ohne Rücksicht auf eine von vornherein bestehende Unwirksamkeit des der Besteuerung unterliegenden Rechtsgeschäfts ist vom Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gedeckt.

Diese Auslegung wird durch die Systematik des Gesetzes bestätigt. Nach § 17 GrEStG DDR werden - unter bestimmten Voraussetzungen - steuerliche Härten beseitigt, die dadurch entstehen, daß das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft später nicht erfüllt, rückgängig gemacht wird oder das bereits übertragene Eigentum am Grundstück wieder rückübertragen wird. Diese Vorschrift greift jedoch nur Platz, wenn ursprünglich ein wirksames Rechtsgeschäft vorlag. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß dann, wenn ursprünglich kein wirksames Rechtsgeschäft vorlag, bereits der zur Entstehung der Steuer führende Tatbestand nicht erfüllt sein kann und es deswegen keiner Korrektur der steuerlichen Folgen über eine dem § 17 GrEStG DDR entsprechende Vorschrift bedarf.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Anwendungsbereich des GrEStG 1983 bzw. des durch dieses abgelösten Bundes- und Landesrechts ist allerdings ein Erwerbsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 bereits dann verwirklicht, wenn die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, eine erforderliche behördliche Genehmigung aber noch nicht erteilt ist (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 1989 II R 31/88, BFHE 159, 260, BStBl II 1990, 234, und vom 17. September 1986 II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35). Diese Entscheidungen knüpfen an die ältere Rechtsprechung des Senats an, nach der grundsätzlich zwischen Erwerbsvorgang und Erwerb zu differenzieren ist. Diese Unterscheidung geht zurück auf das BFH-Urteil vom 21. Dezember 1961 II 146/61 U (BFHE 74, 431, BStBl III 1962, 162), sie ist allerdings in der Folge nicht oder nicht in dieser Konsequenz von der Rechtsprechung beibehalten worden (vgl. BFH-Urteile vom 18. Mai 1966 II 114/64, BFHE 86, 262, BStBl III 1966, 399; vom 20. Juni 1968 II R 15/68, BFHE 93, 340, BStBl II 1968, 783, und vom 25. Juni 1980 II R 28/79, BFHE 132, 316, BStBl II 1981, 332). Die zu speziellen Übergangsproblemen entwickelte Rechtsprechung des erkennenden Senats steht der hier vertretenen Auffassung zur Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR nicht entgegen. Keiner dieser Senatsentscheidungen läßt sich entnehmen, daß Grunderwerbsteuer auch ohne eine erforderliche behördliche Genehmigung des schuldrechtlichen Geschäfts entstehen könnte. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG DDR ist daher auch ohne Rückgriff auf eine ggf. durch Rechtsprechung zu schließende Regelungslücke dahin gehend auszulegen, daß er nur erfüllt ist, wenn die zur Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags erforderliche Genehmigung erteilt ist. Zur Entstehung der Steuer ist daher in einem derartigen Fall die Erteilung der Genehmigung erforderlich. Damit ist noch nicht entschieden, zu welchem Zeitpunkt in einem derartigen Fall die Steuer entsteht (zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung oder rückwirkend zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags). Darauf kommt es im Streitfall jedoch nicht an, da die Genehmigung ohnehin nicht erteilt wurde.

Die Auffassung, daß auch ohne eine dem § 14 GrEStG 1983 entsprechende Vorschrift die Grunderwerbsteuer ohne Erteilung der Genehmigung nicht entstehen kann, steht auch - worauf das BG zutreffend hinweist - im Einklang mit der Entstehungsgeschichte des GrEStG DDR. Auch dessen Vorläufer war das GrEStG 1940. In der Begründung zu diesem Gesetz wurde seinerzeit darauf hingewiesen, daß mit der Regelung des § 3 des Steueranpassungsgesetzes die Entstehung der Steuerschuld in den Fällen klargestellt wird, in denen die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängt oder ein Erwerbsvorgang der Genehmigung einer Behörde bedarf.