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  BFH-Urteil vom 10.3.1993 (I R 51/92) BStBl. 1993 II S. 635

Eine im Laufe des Jahres verwirklichte verdeckte Gewinnausschüttung wird nicht daduch ganz oder teilweise rückgängig gemacht, daß der mit der Zuwendung verbundene Aufwand den nach Jahresende entstehenden Anspruch der Gesellschafter auf Gewinntantiemen vermindert.

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1993, 99)

Sachverhalt

I.

1. Die mit Gesellschaftsvertrag vom 6. April 1973 gegründete Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb eine Werbeagentur. An der Gesellschaft waren die Eheleute S und Frau S je hälftig beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer war S. Frau S war Prokuristin. Nach den Anstellungsverträgen vom 1. Januar 1973 erhielten beide Eheleute für ihre Tätigkeit außer einem monatlichen Gehalt ein Weihnachtsgeld und eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 50 % des Reingewinns, soweit dieser 15.000 DM überstieg. Von der auszuschüttenden Tantieme sollten S 70 % und Frau S 30 % erhalten. Die Zahlung weiterer Gratifikationen stand nach den Anstellungsverträgen im Ermessen der Geschäftsleitung und sollte sich nach dem Geschäftsergebnis richten.

Im Rahmen einer Außenprüfung wurde festgestellt, daß den Gesellschaftern neben den vertraglich festgelegten Gehaltszahlungen und Weihnachtsgratifikationen Urlaubsgelder in folgender Höhe gezahlt worden waren:

 

1983

1984

1985

1986

DM

DM

DM

DM

S

12.000

8.000

10.000

12.000

Frau S

7.000

4.000

5.000

7.000

 

Eine klare und eindeutige Vereinbarung lag insoweit nicht vor. Andere Arbeitnehmer der Klägerin erhielten kein Urlaubsgeld.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) qualifizierte die Zahlungen in voller Höhe als verdeckte Gewinnausschüttungen und änderte die Körperschaftsteuerbescheide 1983 bis 1986 und die Gewerbesteuermeßbescheide 1983 bis 1986 durch Änderungsbescheide vom 27. Mai 1988 und den Bescheid über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile auf den 31. Dezember 1983 durch Änderungsbescheid vom 26. Mai 1988 entsprechend ab.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, daß nur die Hälfte der Urlaubsgeldzahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen berücksichtigt werden könne. Das FA habe nicht berücksichtigt, daß den Eheleuten eine Gewinntantieme in Höhe der Hälfte des Gewinns zustehe. Durch die Erhöhung des Einkommens um die nicht anerkannten Urlaubsgelder erhöhe sich der Tantiemeanspruch um 50 % der gezahlten Urlaubsgelder.

2. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 99).

3. Das FA stützt seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1977/1984) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH seit seinem Urteil vom 16. März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht gewährt hätte. Bei beherrschenden Gesellschaftern ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll (BFH-Urteil vom 1. Juli 1992 I R 78/91, BFHE 168, 293, BStBl II 1992, 975).

2. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach vorliegen.

a) Die Eheleute S waren nach den Feststellungen des FG in den Streitjahren bei den Entscheidungen über die Zahlung der Urlaubsgelder beherrschende Gesellschafter im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Diese Feststellung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Gesellschafter beherrscht eine Kapitalgesellschaft, wenn er den Abschluß des zu beurteilenden Geschäfts erzwingen kann. Dabei können Stimmrechte mehrerer Gesellschafter zusammengerechnet werden, wenn die Interessen dieser Gesellschafter für das zu beurteilende Geschäft so gleichgerichtet sind, daß das Rechtsgeschäft als Ausdruck dieser gleichgerichteten Interessen anzusehen ist (BFH-Urteile vom 26. Juli 1978 I R 138/76, BFHE 125, 557, BStBl II 1978, 659; vom 1. Februar 1989 I R 73/85, BFHE 156, 155, BStBl II 1989, 522). Zwar verfügte im Streitfall keiner der Gesellschafter über die Mehrheit der Stimmrechte. Sie verfolgten aber bei der Entscheidung über die an sich selbst gezahlten Urlaubsgelder gleichgerichtete Interessen. Dem steht nicht entgegen, daß sich ohne Zahlung der Urlaubsgelder der Gewinn der Klägerin und damit die aus dem Gewinn nach unterschiedlichen Prozentsätzen zu zahlende Tantieme erhöht hätte. Ohne Zahlung der Urlaubsgelder hätte sich die in den Streitjahren an S zu zahlende Tantieme nur um 22.750 DM (35 % von 65.000 DM) erhöht. Dem stand ein an ihn gezahltes Urlaubsgeld von 42.000 DM gegenüber. Frau S hätte ohne Zahlung der Urlaubsgelder nur 9.750 DM Mehrtantieme (15 % aus 65.000 DM) gegenüber einem Urlaubsgeld von 23.000 DM erhalten. Beide Gesellschafter hatten somit gleichgerichtete Interessen an der Zahlung der Urlaubsgelder.

b) Die Zahlungen sind durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, da ihnen keine klaren und im voraus getroffenen Vereinbarungen zugrunde lagen.

Nach dem Inhalt der Anstellungsverträge hatten die Gesellschafter lediglich Anspruch auf monatliche Gehälter, auf ein Weihnachtsgeld und auf Tantiemen. Wenn den beherrschenden Gesellschaftern darüber hinaus Leistungen ohne erkennbare Vereinbarungen gewährt wurden, ist davon auszugehen, daß diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind. Das gilt in besonderem Maße, wenn jährlich wechselnde Beträge gezahlt werden und die übrigen Arbeitnehmer keine vergleichbaren Zuwendungen erhalten.

3. Die Urlaubsgelder führten in voller Höhe zu einer Vermögensminderung der Klägerin und wirkten sich - ebenfalls in voller Höhe - auf das Einkommen der Klägerin aus. Die Ausführungen des FG zu diesem Punkt sind nicht frei von Rechtsirrtum.

a) Gewinn und Einkommen einer Kapitalgesellschaft ergeben sich zwar grundsätzlich durch Vergleich der in der Steuerbilanz ausgewiesenen und aus der Handelsbilanz abgeleiteten Anfangs- und Endvermögen (§ 8 Abs. 1 KStG, §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG über verdeckte Gewinnausschüttungen ist jedoch als körperschaftsteuerliche Sonderregelung vorrangig zu berücksichtigen. Ist das Vermögen der Kapitalgesellschaft im Laufe des Jahres durch eine als Betriebsausgabe behandelte und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte Zuwendung an den Gesellschafter vermindert worden, so sind die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung erfüllt. Selbst wenn die Vermögensminderung durch einen später entstehenden Tantiemeanspruch teilweise wieder neutralisiert wird, ändert das nichts an der durch die Zuwendung an die Gesellschafter bewirkten verdeckten Gewinnausschüttung. Die Zahlung der Urlaubsgelder im Laufe der Streitjahre verminderte jeweils das Vermögen der Klägerin und wirkte sich durch ihre Behandlung als Betriebsausgabe in der Buchführung auch auf Gewinn und Einkommen der Klägerin aus. Demgegenüber sind die Ansprüche auf die - durch die Urlaubsgelder verringerten - Tantiemen frühestens mit Ablauf der Streitjahre entstanden (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., § 6 Anh. 32; für Entstehung erst mit Aufstellung der Bilanz: Scholz/Emmerich, GmbHG, Kommentar, 8. Aufl., § 29 Rz. 91; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 29 Rz. 83). Diese Auswirkung auf Vermögen und Einkommen der Klägerin vermag an der durch die Zahlung im Laufe der einzelnen Streitjahre eingetretenen Vermögensminderung und an ihrer Auswirkung auf das Einkommen durch die Buchung als Betriebsausgabe nichts mehr zu ändern (vgl. auch Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., S. 172). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Auswirkung auf spätere Tantiemezahlungen im Zahlungszeitpunkt schon deshalb nicht absehbar ist, weil zu dieser Zeit nicht feststeht, ob und in welcher Höhe überhaupt eine Gewinntantieme zu zahlen ist.

Die Voraussetzungen der von der Klägerin zitierten Ausnahmeregelung der Finanzverwaltung in Abschn. 31 Abs. 9 Satz 6 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1990 und des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. August 1981 (BStBl I 1981, 599) liegen nicht vor.

b) Eine spätere Vermögenserhöhung könnte die einmal eingetretene verdeckte Gewinnausschüttung allenfalls überlagern, wenn ein auch steuerlich zu berücksichtigender "Vorteilsausgleich" vorläge. Er setzt zum einen voraus, daß Leistungen der Gesellschaft durch Leistungen des Gesellschafters aufgewogen werden (vgl. BFH-Urteile vom 8. Juni 1977 I R 95/75, BFHE 122, 490, 494, BStBl II 1977, 704; vom 7. Dezember 1988 I R 25/82, BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248). Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs ist jedoch bei Gesellschaften mit beherrschenden Gesellschaftern, daß der Vorteilsausgleich auf einer im voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung beruht (BFH-Urteile in BFHE 122, 490, 494, BStBl II 1977, 704; in BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248, und BFH-Beschluß vom 28. Februar 1990 I R 83/87, BFHE 160, 192, BStBl II 1990, 649).

Ein "Vorteilsausgleich" kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen des Vorteilsausgleichs fehlt. Ein Vorteilsausgleich ist nur dann klar und im voraus vereinbart, wenn bei Abschluß eines gegenseitigen Vertrages Leistungspflichten aus dem gleichen oder einem anderen Vertrag nachweisbar Grundlage oder Bestandteil der vertraglichen Vereinbarungen waren und bei der Bemessung von Leistung und Gegenleistung berücksichtigt wurden (vgl. BFH in BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248, 250). Aus den Vereinbarungen müßte erkennbar sein, daß die Höhe der Urlaubsgelder im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Höhe der Tantieme bemessen wurde. Da keine Unterlagen über die Rechtsgrundlage der Urlaubsgelder vorhanden sind, fehlt es zwangsläufig auch an einer klaren und überprüfbaren Vereinbarung, aus der eine gewollte Wechselbeziehung zwischen diesen Zahlungen und den Urlaubsgeldern zu entnehmen wäre.