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  BFH-Urteil vom 30.4.1993 (VI R 94/90) BStBl. 1993 II S. 674

Ein Arbeitnehmer, der im Auftrag seines Arbeitgebers eine Bildungsgruppenreise vorzubereiten und an dieser Reise auf eigene Kosten selbst teilzunehmen hat, kann diese Kosten allenfalls dann als Werbungskosten abziehen, wenn für eine dienstliche Weisung durch den Arbeitgeber zwingende betriebsfunktionale Gründe ersichtlich sind und wenn der Arbeitnehmer auf der Reise die Aufgaben eines hauptverantwortlichen Reiseleiters wahrgenommen hat.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die beide als Angestellte im kirchlichen Dienst der katholischen Gesamtkirchengemeinde A tätig sind. Der Kläger ist mit der Geschäftsführung des Katholischen Pfarrverbandes A beauftragt, der der Diözese X angehört. Der Katholische Pfarrverband veranstaltete 1986 eine Bildungsreise nach Israel, an der auch beide Kläger teilnahmen. Die Reise ist über einen Reiseveranstalter R gebucht worden.

Im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung machten die Kläger u. a. die auf den Kläger entfallenden Reiseaufwendungen in Höhe von letztlich 3.463 DM (Reisekosten 2.553 DM zuzüglich Verpflegungsmehraufwand 910 DM) als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Sie trugen dazu unter Vorlage einer Bescheinigung des Pfarrverbandsleiters vor, der Kläger sei als Organisator und Leiter zur Teilnahme an der Reise verpflichtet worden.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat den Abzug der begehrten Kosten mit folgenden Gründen abgelehnt: Die Teilnahme an der Reise durch den Kläger könne nicht mit der Tätigkeit eines Reiseleiters verglichen werden. Einem Reiseleiter oblägen Aufgaben, die über eine bloße Teilnahme hinausgingen. Er habe die Reise zu organisieren, das Programm zusammenzustellen, die Vorbereitungen für die Fahrt und Unterkünfte zu treffen und die Reisegruppe zu den jeweiligen Zielen zu führen. Für den reibungslosen Programmablauf, die Unterbringung der Teilnehmer und die rechtzeitige Weiterfahrt sei er verantwortlich und hafte er. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor. Es habe sich um eine Reise der Firma R gehandelt. Diese Firma habe die Reise organisiert. Das von der Firma vorgelegte Programm sei mit kleinen unwesentlichen Änderungen übernommen worden. Die Firma R habe die Vorbereitungen für die Fahrt und Unterkunft getroffen. Während der Reise sei die Gruppe von einem örtlichen Reiseleiter betreut worden. Auch in dem vorgelegten Reisebericht sei der Kläger nicht als Reiseleiter, sondern nur wie die übrigen Teilnehmer der Reise erwähnt worden. Seine Tätigkeit könne sich damit nur auf im Verhältnis nicht so gewichtige organisatorische Arbeiten, insbesondere vor Beginn der Reise, erstreckt haben.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage im Streitpunkt stattgegeben und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe die Israel-Reise aus unmittelbarem beruflichem Anlaß unternommen. Nach der vorgelegten Bestätigung habe der Pfarrverbandsleiter als unmittelbarer Dienstvorgesetzter dem Kläger die dienstliche Weisung erteilt, eine Reise nach Israel zu organisieren und durchzuführen. Möge diese Weisung, soweit sie die Durchführung der Reise betroffen habe, mangels Zusage einer Reisekostenvergütung auch objektiv rechtswidrig gewesen sein, so sei vom Kläger nicht zu verlangen gewesen, sich gegen die Weisung zur Wehr zu setzen und damit möglicherweise die Basis einer engen Zusammenarbeit mit seinem Vorgesetzten zu gefährden. Dies gelte um so mehr, als nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung zunächst nicht abzusehen gewesen sei, daß an der Reise nur 18 Personen teilnehmen würden und deshalb ein Freiplatz, für den 21 Teilnehmer erforderlich gewesen wären, nicht zur Verfügung stehen würde. Der Kläger habe auch schließlich dargelegt, daß eine spätere Umlage seiner Reisekosten auf die übrigen Teilnehmer nicht zumutbar gewesen sei, weil der Preis der Reise bereits vorher festgelegt worden sei. Habe sich der Kläger demnach unter den gegebenen Umständen als dienstlich beauftragter Organisator der Teilnahme an der Reise auf eigene Kosten nicht entziehen können, so seien die Reiseaufwendungen unmittelbar beruflich veranlaßt. Gegenüber diesem unmittelbaren beruflichen Anlaß der Reise trete ein mögliches privates Interesse in den Hintergrund. Der Kläger, der die Erfahrungen aus drei vorangegangenen Israel-Reisen habe einbringen können, habe während der Reise seine Aufgaben als für die Organisation zuständiger Reisebegleiter wahrgenommen. Die mit der Teilnahme des Klägers am allgemeinen Programm verbundenen Erlebnisse und Eindrücke könnten den dienstlichen Charakter der Reise nicht berühren.

Mit der vom FG zugelassenen Revision begehrt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Das FG habe den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt. Die von den Klägern vorgelegten Bescheinigungen seien vom Pfarrverbandsvorsitzenden ausgestellt worden. Arbeitgeberin des Klägers sei aber die Diözese gewesen. Als Geschäftsstellenleiter des Pfarrverbandes sei der Kläger beauftragt, die Verwaltung und die seelsorgerischen Aufgaben im Pfarrverband A zu organisieren und zu überwachen. Zu den Dienstpflichten habe die Übernahme einer Reiseleitung nicht gehört. Gegen ein ausschließliches berufliches Tätigwerden des Klägers während der Reise spreche ferner die Tatsache, daß der Kläger Sonderurlaub gewährt bekommen habe. Wäre die Reise Ausfluß der beruflichen Tätigkeit gewesen, wäre Sonderurlaub nicht erforderlich gewesen. Dies spreche dafür, daß die Diözese als Arbeitgeberin des Klägers die Reise als Bildungs- und Fortbildungsreise angesehen habe. Auch die Umstände der Gestellung eines Freiplatzes durch das Reiseunternehmen sei nicht hinreichend aufgeklärt, insbesondere, weil - wie vor dem FG vorgetragen worden sei - ein anderer Reiseteilnehmer kostenlos mitgefahren sei. Die Vorentscheidung verletze auch materielles Recht. Bei der Reise habe es sich um eine typische Bildungsreise gehandelt. Eine solche Reise sei nur dann im Sinne des Werbungskostenbegriffs beruflich veranlaßt, wenn sie vom Steuerpflichtigen nahezu ausschließlich unternommen worden sei, um im Reisegebiet beruflich tätig zu werden. Dies müsse anhand objektiver Merkmale eindeutig festgestellt werden. Nicht nur unwesentliche private Motive für die Reise seien daraus abzuleiten, daß der Kläger auf der bei einem Reiseunternehmen gebuchten Reise von seiner Ehefrau begleitet worden sei. Aus dem dem FG vorgelegten Reisebericht ergebe sich nicht, daß der Kläger als Reiseleiter tätig geworden sei. Der Kläger habe die Reise geplant und sie dann mit dem Reiseunternehmen R durchgesprochen, abgestimmt und bei diesem Reiseunternehmen gebucht. Das Reiseunternehmen habe die weiteren Schritte veranlaßt. Diese Arbeiten seien von der regelmäßigen Arbeitsstelle des Klägers im Inland aus erfolgt. Wie sich aus dem Reisebericht ergebe, sei die Reise in Israel von einer Reiseleiterin betreut worden. Von dem Kläger werde als Reiseleiter nicht berichtet. Sein Vortrag, der einheimische Begleiter nehme nur dann teil, wenn auch Sehenswürdigkeiten besucht werden sollten, und seine Tätigkeit habe sich im wesentlichen auf die Begleitung während der Rundreisen erschöpft, entspreche nicht dem vorliegenden Reisebericht. Für den Kläger sei die Reise insgesamt eine Fortbildungs- und Bildungsreise gewesen, deren Kosten nicht als Werbungskosten abziehbar seien.

Die Kläger sind der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Werbungskosten setzt voraus, daß sie durci den Beruf veranlaßt sind. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die aus beruflichen Gründen erwachsenen Kosten zugleich Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen darstellen. Diese sog. gemischten Aufwendungen sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbar.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führen Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen als auch dem Bereich der privaten Lebensführung angehören können, nur dann zu abziehbaren Werbungskosten, wenn die Reisen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen, wie z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen sind. Andernfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den Beruf veranlaßter Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen läßt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 VI R 72/89, BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92).

b) Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der privaten Lebensführung eine Rolle gespielt haben, hat die Rechtsprechung in erster Linie auf den Zweck der Reise abgestellt. Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer beruflicher Anlaß zugrunde liegt, sind in der Regel ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen, selbst wenn solche Reisen in mehr oder weniger großem Umfang auch zu privaten Unternehmungen genutzt werden. Als unmittelbaren beruflichen Anlaß hat der BFH das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongreß, die Durchführung eines Forschungsauftrages oder die Absicht eines Künstlers, am Reiseziel wegen des dort vorhandenen landschaftlichen oder kulturellen Umfelds in einer seinem besonderen Malstil entsprechenden Arbeitsweise tätig zu werden, angesehen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1986 IV R 138/83, BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208). Anders dagegen sind Auslandsreisen zu beurteilen, denen ein solcher konkreter Bezug zur beruflichen Tätigkeit fehlt. Hierzu gehören insbesondere Reisen zu Informationszwecken, wie z. B. Gruppenreisen zu Studienzwecken oder Kongreßreisen.

2. Das FG hat im Streitfall einen unmittelbaren beruflichen Anlaß für die Israel-Reise daraus abgeleitet, daß der Pfarrverbandsleiter den Kläger dienstlich auch zur Durchführung der Reise angewiesen habe und daß dem Kläger nicht zuzumuten gewesen sei, sich dieser dienstlichen Anweisung zu widersetzen. Das FG hat weiter darauf abgestellt, der Kläger habe während der Reise seine Aufgaben als für die Organisation zuständiger Reisebegleiter wahrgenommen.

Diese Wertungen und Feststellungen tragen die Entscheidung hingegen nicht. Bei der zu beurteilenden Israel-Reise handelte es sich eindeutig um eine sog. Bildungsreise, die durch den Besuch beliebter Ziele des Tourismus geprägt war. Dies allein ist ein Indiz für die private Mitveranlassung der Reise. In einem solchen Fall können die Reisekosten nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn aufgrund anderer Indizien festgestellt wird, daß diese Reise nahezu ausschließlich aus beruflichen Gründen unternommen worden ist. Ein solches den privaten Charakter der Reise zurückdrängendes Indiz kann aus einer dienstlichen Anweisung der Reise nur dann abgeleitet werden, wenn für die dienstliche Anweisung zur Teilnahme an der Reise zwingende betriebsfunktionale Gründe ersichtlich sind und wenn der angewiesene Arbeitnehmer auf der Reise auch tatsächlich die Aufgaben eines hauptverantwortlichen Reiseleiters wahrgenommen hat.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, aus welchen Gründen der Dienstvorgesetzte, ohne willkürlich zu handeln, den Kläger zu dieser kostspieligen Reise anweisen konnte. Derartige Feststellungen sind aber, um Mißbräuchen durch Gefälligkeitsbescheinigungen des Arbeitgebers zu begegnen, unverzichtbar. Das FG hat ferner keine Feststellungen dazu getroffen, welche Tätigkeiten im einzelnen der Kläger auf der Reise als Reiseleiter auszuführen hatte. Allein die Wertung des FG, daß der Kläger "während der Reise seine Aufgaben als für die Organisation zuständiger Reisebegleiter wahrgenommen" hat, ersetzt die nötigen Feststellungen nicht.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG dem Umstand besondere Bedeutung beimessen und ggf. durch Zeugenvernehmung erhellen müssen, daß in den vorgelegten Reiseberichten stets nur von der Reiseleiterin die Rede ist. Das FG wird aufklären müssen, wie die Organisationsbereiche des Klägers und der Reiseleiterin abgegrenzt waren. Der Senat weist darauf hin, daß eine Reiseleitung durch den Kläger nur dann als die private Mitveranlassung zurückdrängendes Indiz angesehen werden kann, wenn die Reisetage für den Kläger wie normale Arbeitstage mit beruflicher Reiseorganisation ausgefüllt waren. Diese Voraussetzungen wären z. B. nicht erfüllt, wenn der Kläger nur unwesentliche organisatorische Aufgaben, wie z. B. Verteilung der Hotelzimmer und Ankündigung des weiteren Reiseverlaufs, wahrzunehmen hatte.

Das FG wird unter Umständen ferner der Frage nachzugehen haben, ob einer der Reiseteilnehmer kostenlos gereist ist und warum dies nicht der als Reiseleiter vorgesehene Kläger war.