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  BFH-Urteil vom 23.6.1993 (I R 14/93) BStBl. 1993 II S. 806

Die Kosten einer für Geschäftsfreunde veranstalteten Auslandsreise sind Aufwendungen für Geschenke i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG.

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 4 Abs. 5 Nr. 1, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt einen Verlag, wobei sie auch Nebengeschäfte, wie Durchführung von Maßnahmen der Werbung, Verkaufsförderung und Information übernimmt. Der Schwerpunkt der Tätigkeit lag im Streitjahr (1984) in der Erstellung von Werbeträgern, die insbesondere einzelnen Zeitschriftenausgaben als Beilagen eingebunden waren.

In der Zeit vom 24. bis 27. Mai 1984 veranstaltete die Klägerin eine Informationsreise nach Rom. Wegen der Einzelheiten zum Reiseablauf hat das Finanzgericht (FG) auf das Reiseprogramm Bezug genommen.

An der Reise nahmen neben der Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin und drei Vertretern des mitveranstaltenden Verlagshauses weitere 16 Personen teil.

Dieser Teilnehmerkreis setzte sich zusammen aus:

a) 10 Personen, die als Marketingleiter, Produktmanager, Pressechefs oder Werbeleiter bei Firmen verschiedener Branchen tätig waren,

b) drei Angestellten verschiedener Werbeagenturen,

c) zwei Generalvertretern für Anzeigenwerbung für den mitveranstaltenden Verlag,

d) dem Geschäftsführer der Druckereigesellschaft, mit der die Klägerin in ständiger Geschäftsbeziehung stand.

Für die zu a) und b) genannten Firmen führte die Klägerin verschiedentlich direkt oder indirekt, teilweise mehrfach, Aufträge der Druckwerbung durch, eine ständige Geschäftsbeziehung bestand jedoch nicht. Die Reisekosten für alle Teilnehmer (Flug nach und von Rom, Hotelunterbringung in Rom) wurden von der Klägerin getragen. In ihrer Gewinn- und Verlustrechnung des Streitjahres erfaßte sie die Gesamtkosten unter dem Gliederungspunkt "Vertriebskosten" als "Marketingkosten".

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte der Gewinnermittlung der Klägerin und erließ einen jeweils endgültigen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheid für das Streitjahr. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1984 erging ebenfalls endgültig.

Nach einer Betriebsprüfung behandelte das FA die von der Klägerin übernommenen Flug- und Hotelkosten im wesentlichen als nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbare Betriebsausgaben. Das FA erließ entsprechende, auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Körperschaftsteuer- und Gewerbesteueränderungsbescheide für das Streitjahr. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1984 wurde gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG und des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung der angefochtenen Bescheide die Ausgaben für Flug- und Hotelkosten in Höhe von 40.751 DM als abzugsfähige Betriebsausgaben zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat die von der Klägerin übernommenen Kosten einer für deren Geschäftsfreunde veranstalteten Auslandsreise zu Recht als Aufwendungen für Geschenke i. S. des § 8 KStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG (in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung) behandelt und insoweit eine Änderung der Steuerbescheide zugelassen.

1. Der Geschenkbegriff des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG entspricht dem Begriff der bürgerlich-rechtlichen Schenkung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Februar 1987 I R 132/83, BFH/NV 1988, 352; vgl. ferner BFH-Urteil vom 26. November 1985 IX R 64/82, BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161, m. w. N.). Eine Schenkung ist nach § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide Teile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.

a) Die von der Klägerin ihren Geschäftspartnern im Ergebnis zugewendete Reise bewirkt eine objektive Bereicherung der Bedachten. Denn eine solche Reise, die - wie hier - Fahrt, Unterkunft und ein festes Programm einschließt, wird in Form der sog. Pauschalreise auch gegen Entgelt angeboten und besitzt damit im Wirtschaftsverkehr einen Geldwert (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995). Die Reise ist insoweit insgesamt und als Einheit zu beurteilen, weil die einzelnen Teile von der Organisation und Durchführung her nur im Zusammenhang gesehen werden können (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

b) Die vorgenannte Bereicherung stammt aus dem Vermögen der Klägerin, da diese die Reise finanzierte. Die Zuwendung einer solchen Reise ist nicht anders zu beurteilen als die Zuwendung eines Gutscheins für eine von einem Reisebüro durchgeführte Reise oder die Zuwendung von Geld mit der Auflage, die betreffende Reise durchzuführen (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 106/87, BFHE 157, 118, BStBl II 1989, 641). Geld kann aber ebenfalls Gegenstand eines Geschenkes sein (Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5 EStG Rdnr. 1674; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., 1993, § 4 Anm. 100 b). In der Rechtsprechung des BFH wird deshalb bei der Zuwendung einer Reise von einer Sachleistung gesprochen (vgl. Urteile in BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995, und in BFHE 157, 118, BStBl II 1989, 641). Es bedarf daher auch keiner näheren Aufklärung, ob und inwieweit die Klägerin die zugewendete Reise selbst organisierte. Jedenfalls hat die Klägerin den Bedachten Dienstleistungen Dritter verschafft.

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob auch die unentgeltliche Nutzungsüberlassung eigener Vermögensgegenstände oder die eigene Erbringung von Dienstleistungen als Zuwendung i. S. von § 516 BGB anzusehen sind (strittig; verneinend Erman/Seiler, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 8. Aufl., § 516 Rdnr. 4; Kollhosser in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1988, § 516 Rdnr. 3 m. w. N.).

c) Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG tritt dessen Rechtsfolge auch dann ein, wenn die unentgeltliche Zuwendung dem Empfänger Betriebsausgaben oder Werbungskosten erspart und deshalb bei ihm nicht zu den Kosten der Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 EStG gehört. Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob insoweit eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG geboten ist (bejahend Wolff-Diepenbrock, a. a. O., Rdnr. 1675; vgl. auch BFH-Urteil vom 3. Februar 1993 I R 18/92, BFHE 170, 537, BStBl II 1993, 367). Das FG hat im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung festgestellt, daß die von der Klägerin zugewendete Reise in nicht untergeordnetem Maße touristische und damit private Motive mit betrieblichen oder beruflichen Interessen verband. Diese Würdigung bindet den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO, da sie möglich ist, nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt und gegen sie keine Verfahrensrügen erhoben wurden.

d) Die Klägerin hat die Reise ihren Geschäftspartnern unentgeltlich zugewendet. An der erforderlichen konkreten Gegenleistung fehlt es, wenn die Zuwendung - wie im Streitfall - nur die Aufgabe hat, Geschäftsverbindungen anzuknüpfen, zu sichern oder zu verbessern (BFH-Urteil vom 18. Februar 1982 IV R 46/78, BFHE 135, 206, BStBl II 1982, 394). Darüber hinaus hat das FG keine konkrete Gegenleistung der Geschäftspartner festgestellt. Die Gegenleistung kann jedenfalls nicht - wie die Klägerin einwendet - darin bestehen, sich vermittels der Reise "auf eine bestimmte Art und Weise informieren und unterrichten zu lassen".

2. Das FA hat den ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid und den Gewerbesteuermeßbescheid zu Recht gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert. Die Tatsache, daß die Klägerin ihren Geschäftspartnern im Streitjahr eine Reise zuwendete, wurde dem FA erst durch die Betriebsprüfung bekannt. Es konnte diese Tatsache nicht daraus entnehmen, daß die Klägerin in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung "Marketingkosten" angesetzt hatte.

Zwar wäre die Änderung zum Nachteil des Steuerpflichtigen ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekanntgewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Das FA verletzt die Ermittlungspflicht (§ 88 AO 1977), wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen müßten, nicht nachgeht (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Aus dem Ansatz von Marketingkosten in Höhe von 46.289 DM mußte sich aber angesichts des Geschäftsgegenstandes der Klägerin, dessen Schwerpunkt nach den Feststellungen des FG im Streitjahr im Bereich der Werbung lag, dem FA nicht aufdrängen, daß sich dahinter Geschenke an Dritte oder sonst überhöhte oder unangemessene Aufwendungen verbargen. Das FA braucht Steuererklärungen und den damit vorgelegten Jahresabschlüssen nicht mit Mißtrauen zu begegnen, sondern kann regelmäßig von der Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 1988 V R 206/83, BFH/NV 1990, 1).