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  BFH-Urteil vom 8.10.1993 (VI R 10/90) BStBl. 1994 II S. 114

Aufwendungen für eine zur Erteilung von berufsbezogenem Fremdsprachenunterricht in den eigenen Haushalt aufgenommene Person sind nicht als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Bremen (EFG 1990, 105)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Lehrerin und erteilt Englischunterricht. Um ihre Sprachkenntnisse zu aktualisieren und zu verbessern, nahm sie im Streitjahr 1984 für zwei Monate eine angehende Lehrerin aus England in ihren Haushalt auf, damit diese ihr Englischunterricht erteilte.

Die durch den Aufenthalt der Engländerin entstandenen Kosten und das gezahlte Taschengeld machte die Klägerin als Werbungskosten (Fortbildungskosten) bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die Berücksichtigung ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der auf Anerkennung der geltend gemachten Werbungskosten gerichteten Klage statt. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 105 veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die unrichtige Auslegung des § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Verletzung der Ermittlungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG habe die Aufwendungen zu Unrecht als beruflich veranlaßte Fortbildungskosten angesehen. Seine dahingehende Auffassung habe es - ohne entsprechende Ermittlungen anzustellen - darauf gestützt, daß die Engländerin der Klägerin fachbezogenen Einzelunterricht erteilt habe. Außerdem habe das FG nicht beachtet, daß die längerfristige Aufnahme eines ausländischen Gastes nach der Lebenserfahrung in nicht nur untergeordnetem Umfang auch der Befriedigung privater Bildungsinteressen des Gastgebers diene.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie tritt der Revision im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigten nicht die von ihm gezogene Schlußfolgerung, daß es sich bei den Aufwendungen der Klägerin um Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) - Fortbildungskosten - bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) handelt.

1. Werbungskosten sind über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus alle durch den Beruf veranlaßten Aufwendungen (vgl. z. B. Beschluß des Großen Senats vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. November 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75). Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kommt jedoch ein Werbungskostenabzug dann nicht in Betracht, wenn die Aufwendungen zwar den Beruf fördern, daneben aber auch der Lebensführung dienen.

Aufwendungen für Fremdsprachenunterricht betreffen in aller Regel die allgemeine Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 EStG. Sie können nur ausnahmsweise - bei einem konkreten Bezug zu einer Berufstätigkeit - als Fortbildung in diesem Beruf angesehen werden (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1992 VI R 141/89, BFHE 167, 525, BStBl II 1992, 666). In die Beurteilung, ob ein solcher konkreter Bezug gegeben ist, sind auch die Umstände des Fremdsprachenunterrichts mit einzubeziehen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 31. Juli 1980 IV R 153/79, BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746 - Sprachkurs im Ausland). Besteht nach dem äußeren Erscheinungsbild einer Fortbildungsmaßnahme auch die Möglichkeit zur Verfolgung privater Interessen, ist dies - i. S. der Rechtsprechung des BFH zum aus § 12 Nr. 1 EStG folgenden Aufteilungs- und Abzugsverbot für sog. gemischte Aufwendungen - nur dann unschädlich, wenn diesem Umstand angesichts der für den beruflichen Anlaß sprechenden Gesichtspunkte lediglich untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. Urteil in BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746).

Diese Grundsätze sind auch im Streitfall anzuwenden. Denn die Klägerin hat nicht - wie das FG offensichtlich seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat - lediglich einen Sprachkurs (eine Sprachschule) im Inland besucht (einen solchen Fall betraf z. B. das Urteil des Senats vom 20. Oktober 1978 VI R 132/76, BFHE 126, 275, BStBl II 1979, 114), sondern zu Hause einen Gast beherbergt, der ihr - gegen freie Unterkunft, Verpflegung und ein Anerkennungshonorar - Englischunterricht erteilt hat. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der Fortbildungsmaßnahme bestand damit - ebenso wie ggf. bei einem im Ausland besuchten Sprachkurs - die Möglichkeit der Vermengung von privaten und beruflichen Interessen.

Das FG hat die der Klägerin durch die Fortbildungsmaßnahme entstandenen Aufwendungen zu Unrecht als - weitaus überwiegend - beruflich veranlaßt angesehen. Seine dahingehende Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft. Nach der Lebenserfahrung ist - wie das FA mit der Revision zutreffend geltend macht - davon auszugehen, daß die längerfristige Aufnahme eines ausländischen Gastes in den eigenen Haushalt ungeachtet des Interesses an beruflicher Fortbildung in nicht nur untergeordnetem Umfang auch von dem Wunsche nach fremdsprachlichem Kontakt im Familienkreis (im Streitfall z. B. mit den im Streitjahr 12 bzw. 14 Jahre alten Söhnen der Klägerin) getragen wird und zu einer Bereicherung des familiären und gesellschaftlichen Lebens des Gastgebers führen soll. Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß ein in den Haushalt aufgenommener Gast - wie die Klägerin vorträgt - derart vom Familienleben ausgeschlossen ist, daß den privaten Berührungspunkten nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden kann. Dem steht im Streitfall schon entgegen, daß die Engländerin im Haushalt der Klägerin verpflegt wurde und dazu an den gemeinsamen Familienmahlzeiten teilgenommen hat.

Der Senat verkennt zwar nicht, daß die Klägerin - was auch das FA eingeräumt hat - bei ihrem Bestreben nach Fortbildung in der englischen Sprache ein besonderes berufliches Engagement gezeigt hat. Dies ändert aber - wie bereits ausgeführt - nichts daran, daß durch die Aufnahme des englischen Gastes in den Haushalt private Interessen der Klägerin mehr als nur in ganz unbedeutendem Umfang berührt worden sind.

2. Die Sache ist spruchreif. Auf die Revision des FA war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.