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  BFH-Urteil vom 13.10.1993 (II R 92/91) BStBl. 1994 II S. 128

Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich nur e i n e Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden; eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten kommt nicht in Betracht.

ErbStG § 7 Abs. 1, 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 157, § 516 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1991, 737)

Sachverhalt

I.

Am 28. Dezember 1987 wurden unter Beteiligung der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), ihrer Eltern bzw. ihrer Schwester folgende notariell beurkundete Verträge abgeschlossen:

- UR-Nr.: 673/1987: Gesellschaftsvertrag über die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zwischen der Klägerin und ihrer Schwester. Gesellschaftszweck sollte die Vermietung von Werkzeugen, Maschinen und Einrichtungsgegenständen zur Herstellung und Bearbeitung von Kunststoffartikeln jeglicher Art sein. Beide Gesellschafterinnen kündigten an, jeweils sofort fällige Bareinlagen in Höhe von 180.000 DM zu leisten. Sie erteilten ihrem Vater Vollmacht, die Gesellschaft "gesetzlich allein Dritten gegenüber zu vertreten."

- UR-Nr.: 674/1987: Schenkungsvertrag zwischen den Eltern der Klägerin, in dem der Vater der Klägerin der Mutter der Klägerin versprach, ihr einen Barbetrag von 180.000 DM zu schenken und diesen unverzüglich auf ein ihr gehörendes Konto zu überweisen.

- UR-Nr.: 675/1987: Schenkungsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Vater, in dem dieser der Klägerin versprach, ihr einen Barbetrag von 90.000 DM unter der Auflage zu schenken, diesen allein und ausschließlich zur Erfüllung der Einlageverpflichtung innerhalb der o. g. GbR zu verwenden.

- UR-Nr.: 676/1987: Schenkungsvertrag zwischen der Schwester der Klägerin und ihrer Mutter über 90.000 DM im übrigen gleichen Inhalts wie UR-Nr.: 675/1987.

- UR-Nr.: 677/1987: Schenkungsvertrag zwischen der Schwester der Klägerin und ihrem Vater über 90.000 DM im übrigen gleichen Inhalts wie UR-Nr.: 675/1987.

- UR-Nr.: 678/1987: Schenkungsvertrag zwischen der Klägerin und ihrer Mutter über 90.000 DM im übrigen gleichen Inhalts wie UR-Nr.: 675/1987.

Die damals noch minderjährige Klägerin sowie ihre Schwester wurden bei dem Abschluß der Verträge von vormundschaftsgerichtlich bestellten Ergänzungspflegern vertreten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte die Geldbewegung vom Vater über die Mutter auf die Tochter als sog. Kettenschenkung, bei der der Vater die Klägerin unmittelbar habe bedenken wollen. Das FA nahm deshalb einen Erwerb der Klägerin von ihrem Vater in Höhe von insgesamt 180.000 DM an und setzte durch Bescheid vom 5. September 1988 unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 90.000 DM Schenkungsteuer in Höhe von 3.600 DM gegen die Klägerin fest.

Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat dem Antrag der Klägerin entsprechend den Schenkungsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Es nahm an, daß die Klägerin sowohl von ihrem Vater als auch von ihrer Mutter jeweils 90.000 DM geschenkt bekommen habe. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 737 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unzutreffende Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG 1974) sowie des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG vom 7. März 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Senat vermag der rechtlichen Beurteilung der notariell beurkundeten Verträge vom 28. Dezember 1987 durch das FG nicht zu folgen, daß der Klägerin jeweils von ihrem Vater und von ihrer Mutter ein Betrag von 90.000 DM schenkweise zugewandt worden sei. Vielmehr ergibt sich aus diesen Verträgen, daß nur zwischen dem Vater und seiner Tochter, der Klägerin, eine Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so daß sie in Höhe von insgesamt 180.000 DM aus dem Vermögen des Vaters bereichert worden ist. Dieser Vorgang unterliegt gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 der Schenkungsteuer. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974 in Höhe von 90.000 DM kann nur einmal gewährt werden.

1. Zutreffend sind die Beteiligten und das FG davon ausgegangen, daß die Klägerin aufgrund des Vertrages mit der UR-Nr. : 675/1987 in Höhe von 90.000 DM unentgeltlich auf Kosten ihres Vaters bereichert worden ist.

Entgegen der Auffassung des FG (und der Klägerin) liegt aber auch hinsichtlich der weiteren 90.000 DM, die der Klägerin aufgrund des Vertrages mit der UR-Nr. : 678/1987 zugeflossen sind, eine freigebige Zuwendung des Vaters an die Klägerin vor. Der Senat vermag der rechtlichen Beurteilung des FG nicht zu folgen, daß von zwei voneinander unabhängigen Schenkungen auszugehen sei, durch die zunächst die Mutter der Klägerin aus dem Vermögen ihres Ehemannes (Vater der Klägerin) und anschließend die Klägerin aus dem Vermögen ihrer Mutter bereichert wurde. Vielmehr handelt es sich bei den Vereinbarungen vom 28. Dezember 1987 zwischen den Eltern der Klägerin untereinander sowie zwischen diesen und der Klägerin um einen einheitlichen Schenkungsvorgang, durch den der Klägerin insgesamt ein Betrag in Höhe von 180.000 DM zur Leistung der Einlage für die neugegründete GbR von ihrem Vater unentgeltlich zugewendet wurde. Eine Schenkung des Vaters an die Mutter und von dieser an die Klägerin kommt nicht in Betracht.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 gilt als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. An einer Bereicherung fehlt es jedoch, wenn der Empfänger lediglich Durchgangs- oder Mittelsperson ist und das Erhaltene sogleich an einen Dritten weitergeben muß, ohne daß für ihn eine Bereicherung verbleibt (vgl. Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 8. November 1922 IV 74/22, RGE 105, 305; H. H. Seiler in Erman, Handbuch zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Aufl., § 516 Anm. 6). So liegt der Streitfall.

Der Schenkungsvertrag vom 28. Dezember 1987 zwischen dem Vater und der Mutter der Klägerin enthält zwar seinem Wortlaut nach keine Absprachen hinsichtlich der Verwendung des empfangenen Geldes durch die Mutter. Aus den Umständen folgt jedoch, daß die Mutter der Klägerin den Betrag von 180.000 DM nur erhalten hat, um jeweils 90.000 DM an ihre beiden Töchter weiterzugeben; sie war ohne eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Verwendung des Geldes verpflichtet, den von ihrem Ehemann erhaltenen Geldbetrag an ihre beiden Töchter weiterzuleiten.

Dies ergibt sich aus dem Abschluß der Verträge in einem Zuge, nämlich an einem Tage in aufeinanderfolgenden Urkundenrollennummern des amtierenden Notars sowie aus der inhaltlichen Abstimmung der Verträge untereinander, insbesondere hinsichtlich der maßgeblichen Geldbeträge sowie ihrer sofortigen Fälligkeit. Den Verträgen liegt inhaltlich neben der Gründung der GbR erkennbar das von allen Vertragschließenden angestrebte und gewollte einheitliche Ziel zugrunde, der Klägerin und ihrer Schwester die zur Erfüllung der gleichzeitig mit dem Abschluß der übrigen Verträge eingegangenen Einlageverpflichtungen erforderlichen und vor Abschluß der Verträge im Vermögen des Vaters befindlichen Geldmittel sofort zur Verfügung zu stellen. Diesem mit dem Abschluß aller Verträge angestrebten Ziel hat sich auch die Mutter unterworfen. Sie sollte über die ihr von ihrem Ehemann zufließenden 180.000 DM in keiner anderen Weise als durch Weitergabe an die Klägerin und deren Schwester verfügen. Insoweit hat sie lediglich die Zuwendungen ihres Ehemannes an ihre Töchter vermittelt, ohne selbst bereichert zu sein. Danach war die Klägerin auch hinsichtlich der über die Mutter an sie gelangten 90.000 DM aus dem Vermögen ihres Vaters bereichert.

Da es sich im Streitfall um einen einheitlichen Schenkungsvorgang handelt, durch den der Klägerin insgesamt ein Betrag in Höhe von 180.000 DM von ihrem Vater unentgeltlich zugewendet wurde, braucht nicht mehr entschieden zu werden, ob bei Annahme einer Bereicherung der Klägerin aus dem Vermögen der Mutter eine als Gestaltungsmißbrauch i. S. von § 42 AO 1977 zu wertende Kettenschenkung vorliegen würde (vgl. hierzu: Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. März 1962 II 218/59 U, BFHE 74, 554, BStBl III 1962, 206).

2. Das auf einem Verstoß gegen § 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches beruhende Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Klage ist abzuweisen, weil das FA bei der Besteuerung zutreffend von einer Schenkung an die Klägerin von ihrem Vater in Höhe von 180.000 DM ausgegangen ist und den Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Höhe von 90.000 DM dementsprechend auch nur einmal gewähren durfte.