| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 26.11.1993 (VI R 3/92) BStBl. 1994 II S. 242

Gewährt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, an der er nicht nur unwesentlich beteiligt ist, einen verlorenen Zuschuß, ist regelmäßig davon auszugehen, daß diese Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände können Werbungskosten bei den Einkünften des Gesellschafter-Geschäftsführers aus nichtselbständiger Arbeit anzunehmen sein.

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2.

Vorinstanz: FG München (EFG 1992, 256)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1975 Gesellschafter-Geschäftsführer der A GmbH (GmbH). Deren Stammkapital betrug bis einschließlich 1985 100.000 DM und ab 1. Januar 1986 170.000 DM. Die Beteiligung des Klägers belief sich zunächst auf 42,5 v. H. und ab 1. Januar 1986 auf 25 v. H. Die GmbH erzielte 1984 einen (durch Verlustvorträge aufgebrauchten) Gewinn von 31.635 DM, 1985 einen Verlust von 308.456 DM und 1986 ebenfalls einen Verlust von 78.887 DM. Ab 1985 erfolgten keine Ausschüttungen. Der gemeine Wert der Anteile betrug zum 31. Dezember 1985 0 DM, 1986 39 DM, 1987 49 DM und 1988 79 DM für 100 DM. Die Bezüge des Klägers als Geschäftsführer lagen in diesem Zeitraum gleichbleibend bei 150.000 bis 160.000 DM; das Gehalt seiner ebenfalls bei der GmbH angestellten Ehefrau betrug ca. 35.000 DM. Inzwischen erwirtschaftet die GmbH wieder Gewinne. Im Jahre 1985 geriet die GmbH wegen Steuernachzahlungen in Zahlungsschwierigkeiten. Darauf gab der Kläger im August 1985 eine Erklärung ab, wonach er sich, um die Finanzbelastung der GmbH nicht wesentlich über 200.000 DM zu erhöhen und ihren Erfolgsausweis nicht zu sehr zu belasten, ihr gegenüber verpflichtete, einen verlorenen Zuschuß in Höhe seines körperschaftsteuerlichen Anrechnungsguthabens der Jahre 1980 und 1981 zu gewähren. Aufgrund dieser Zusage leistete der Kläger im Juli 1986 einen Betrag von 82.030 DM, den er zunächst in voller Höhe als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen, im Einspruchsverfahren dagegen zu 70 v. H. als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und zu 30 v. H. bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den begehrten Abzug ab. Im Klageverfahren beantragte der Kläger, den Zuschuß insgesamt als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, der Zuschuß sei als verdeckte Einlage zu werten und daher als nachträgliche Anschaffungskosten dem Wert der Beteiligung des Klägers an der GmbH hinzuzurechnen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 256 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§§ 2, 9, 19 und 20 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Er macht geltend, für eine verdeckte Einlage spreche im Streitfall zwar der erste Anschein. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bejahe aber auch bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit, wenn besondere Umstände gegeben seien. Neben einer möglichen Schadensersatzpflicht oder Haftung könnten - wie im Streitfall - auch andere Umstände für die Zuordnung der Aufwendungen zu der Einkunftsart "nichtselbständige Arbeit" sprechen. Zweck der Zahlung sei es im Streitfall vorrangig gewesen, die Ertragslage der GmbH zu verbessern. Das sei nicht durch Darlehen oder Bürgschaften, sondern nur durch einen Zuschuß möglich gewesen, der wirtschaftlich einer Herabsetzung seines Gehalts gleichgekommen sei. Er, der Kläger, sei wegen der Höhe seiner Bezüge und der Eigenart seines Arbeitsplatzes auch nicht mit einem "bloßen Arbeitnehmer" vergleichbar. Die GmbH sei personalistisch strukturiert, die vier wichtigsten Aufgabengebiete seien durch geschäftsführende Gesellschafter besetzt gewesen. Die Beteiligung habe ihren Sinn daher nur in Verbindung mit seiner Geschäftsführertätigkeit im Unternehmen. Er, der Kläger, hätte einen anderen vergleichbaren Arbeitsplatz in derselben Branche nicht erhalten. Im Falle eines Zusammenbruchs des Unternehmens hätte er als Gesellschafter einen im Streitjahr nahezu wertlosen Anteil, als Geschäftsführer dagegen einen gut dotierten Arbeitsplatz verloren. Sein Geschäftsführergehalt und die Einkünfte seiner Ehefrau aus ihrer Tätigkeit bei der GmbH seien von beachtlicher Höhe gewesen und hätten die Existenzgrundlage für die Familie gebildet. Auch die Berücksichtigung der späteren Entwicklung erweise die Richtigkeit seines Vorbringens. Nach wie vor seien keine Ausschüttungen erfolgt. Zwar habe sich auch der Wert seiner Beteiligung zwischenzeitlich verbessert, demgegenüber sei jedoch sein Gehalt ab 1989 um ca. 60.000 DM gestiegen.

Der Kläger beantragt, bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten in Höhe von 82.030 DM zu berücksichtigen, hilfsweise, eine Aufteilung im Wege der Schätzung durchzuführen.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Zuschuß des Klägers führt nicht zu abziehbaren Werbungskosten.

Da der Kläger nicht nur Arbeitnehmer der GmbH, sondern auch deren Gesellschafter war, konnte die Gewährung des Zuschusses durch seine Arbeitnehmer-, aber auch durch seine Gesellschafterstellung veranlaßt sein. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie nach Art und Weise die engere Beziehung haben (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1982 VI R 228/80, BFHE 137, 564, BStBl II 1983, 467). Ist der Geschäftsführer einer GmbH allerdings in einem nicht nur unbedeutenden Umfang an der Gesellschaft beteiligt, ist regelmäßig davon auszugehen, daß eine Stützungsmaßnahme zugunsten der Gesellschaft wie die Übernahme einer Bürgschaft, der Verzicht auf eine Forderung oder - wie im Streitfall - die Gewährung eines verlorenen Zuschusses durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist (BFH-Urteile vom 14. Mai 1991 VI R 48/88, BFHE 164, 431, BStBl II 1991, 758; vom 20. Dezember 1988 VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23, und vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654). Denn ein fremder, nicht durch eine Beteiligung mit der Gesellschaft verbundener Arbeitnehmer wird im Regelfall weniger bereit sein, das Risiko einer derartigen Maßnahme einzugehen, als ein an der Gesellschaft beteiligter Arbeitnehmer, der auch Einfluß auf die Leitung der Gesellschaft nehmen kann. Bei einem nicht nur unwesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer kann von einer durch das Arbeitsverhältnis veranlaßten Stützungsmaßnahme nur ausgegangen werden, wenn besondere Umstände dafür sprechen (BFH-Urteile in BFHE 164, 431, BStBl II 1991, 758, und BFH/NV 1990, 23). Solche besonderen Umstände sind allerdings nicht nur dann anzunehmen, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer sich in seiner Funktion als Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig gemacht hat oder in dieser Funktion als Haftender in Frage kommt; es können vielmehr auch andere Gründe in Betracht kommen. Daher ist nach der Rechtsprechung des Senats auf alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles abzustellen (BFH-Urteil vom 17. Juli 1992 VI R 125/88, BFHE 169, 148, BStBl II 1993, 111).

Entgegen der Ansicht des Klägers liegen im Streitfall keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen würden, der Gewährung des Zuschusses eine nach Grund und Wesen engere Beziehung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuerkennen. Der Kläger war im Jahr der Abgabe der Verpflichtungserklärung zu 42,5 v. H., im Streitjahr noch zu 25 v. H. am Stammkapital der GmbH beteiligt. Daher war seine Beteiligung im gesamten Beurteilungszeitraum jedenfalls nicht unbedeutend. Er hatte damit als Gesellschafter Einfluß auf die Entwicklung und Leitung der Gesellschaft und trug ein nicht unwesentliches Risiko. Im Hinblick hierauf kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß er als Arbeitnehmer ein höheres Verlustrisiko getragen habe als in seiner Stellung als Gesellschafter. Dem objektiven Interesse des Klägers als Gesellschafter an der Gewährung des Zuschusses stand nicht entgegen, daß der Wert seiner Beteiligung seinerzeit gemindert war und keine Ausschüttungen erfolgten. Denn nach der zugrunde liegenden Verpflichtungserklärung war es gerade Zweck der Stützungsmaßnahme, die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft zu verbessern. Auch bei Qualifizierung eines Zuschusses als Einlage ist dieser geeignet, infolge günstigerer Finanzierung der Gesellschaft zumindest mittelbar zu einer Ergebnisverbesserung zu führen. Daß die Stützungsmaßnahme erfolgreich war, erweist die Verbesserung der Ertragslage der GmbH in den Folgejahren. Das Interesse des Klägers als Arbeitnehmer tritt auch mit Rücksicht auf die Höhe seines Gehalts nicht in den Vordergrund. Denn seine Geschäftsführerbezüge sind im Zusammenhang mit dem Ausschüttungsverhalten der GmbH zu sehen; beides kann vom Kläger als Gesellschafter entscheidend mitbestimmt werden. Die Sicherung des Gehalts setzt das Weiterbestehen der Gesellschaft daher gerade voraus. Auch wenn die Gesellschaft personalistisch strukturiert und so wesentlich von der Arbeitsleistung der Gesellschafter abhängig war, handelte es sich im Streitfall um eine Stützungsmaßnahme durch Zuführung von Kapital. Auch das Interesse seiner Ehefrau am Erhalt ihres Einkommens begründete kein eigenes Interesse des Klägers als Arbeitnehmer.

Da der Zuschuß durch die Gesellschafterstellung des Klägers veranlaßt war, sind ihm nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung in Gestalt einer verdeckten Einlage entstanden (BFH-Urteile vom 12. Februar 1980 VIII R 114/77, BFHE 130, 378, BStBl II 1980, 494, und vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320). Dieser Behandlung des Zuschusses bei der Einkommensermittlung des Klägers steht nicht entgegen, daß die Vereinnahmung des Zuschusses bei der GmbH als erfolgswirksamer Vorgang behandelt wurde.

Die in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken des Klägers hinsichtlich einer Divergenz zu dem Senatsurteil in BFHE 169, 148, BStBl II 1993, 111 sind nicht begründet. Der genannten Entscheidung lag ein besonders gelagerter Sachverhalt zugrunde (der Geschäftsführer war lediglich zu 20 v. H. an der GmbH beteiligt und wurde von dem beherrschenden Gesellschafter unter Druck gesetzt), der mit dem Streitfall nicht vergleichbar ist.

Der Hilfsantrag des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Da die streitigen Aufwendungen als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu qualifizieren sind, kommt auch eine teilweise Berücksichtigung im Schätzungswege als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht in Betracht.