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  BFH-Urteil vom 9.12.1993 (IV R 14/92) BStBl. 1994 II S. 298

"Arbeitsverträge" über Hilfeleistungen der Kinder im elterlichen Betrieb (hier: Arztpraxis) sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen, wenn sie wegen ihrer Geringfügigkeit oder Eigenart üblicherweise nicht auf arbeitsvertraglicher Grundlage erbracht werden.

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2; BGB § 1619.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger war in den Streitjahren 1983 bis 1985 als niedergelassener Arzt freiberuflich tätig.

Am 2. Januar 1982 schloß der Kläger mit seiner damals 15jährigen Tochter (geboren am 23. Mai 1966) einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Darin verpflichtete sich die Tochter, an vier Tagen wöchentlich (außer mittwochs), und zwar in der Zeit von 13.30 Uhr bis 15.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 19.00 Uhr die für die Praxis eingehenden Telefongespräche entgegenzunehmen sowie jeweils samstags für zwei Stunden die Praxiswäsche zu waschen und zu bügeln. Darüber hinaus verpflichtete sie sich, an den schulfreien Wochenenden (samstags und sonntags), an denen der Kläger Wochenendbereitschaft hatte, also alle 6 bis 8 Wochen, in der Zeit von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr den Telefondienst zu übernehmen. Dabei stand fest, daß die Tochter den Telefondienst in der Familienwohnung zu verrichten hatte. Als Vergütung für diese Tätigkeiten sollte sie monatlich 300 DM und ab dem 1. Januar 1984 monatlich 326 DM brutto erhalten. Außerdem sollte der Kläger vermögenswirksame Leistungen in Höhe von monatlich 52 DM erbringen.

Die aufgrund des Arbeitsvertrags geleisteten Zahlungen machten die Kläger in den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 1983 bis 1985 als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit geltend.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Aufwendungen für die Tochter nicht als Betriebsausgaben an und änderte die Veranlagungen der Streitjahre mit Bescheiden vom 5. Oktober 1988 entsprechend. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) sowie die Abweichung von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. März 1988 IV R 188/85 (BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632).

Das FA beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 22. Januar 1991 2 K 1650/90 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie tragen vor, er, der Kläger, habe eine "Rettungskette" aufgebaut, deren erstes Glied die Telefonüberwachung durch seine Kinder darstelle. Seine Ehefrau sei hierzu wegen eigener beruflicher Belastung nicht in der Lage, die angestellten Arzthelferinnen nicht willens. Die Kinder seien nur gegen Bezahlung in Höhe des halben Gehalts eines Auszubildenden bereit, die Telefondienste zu übernehmen. Er, der Kläger, sei nur dann bereit, ein solches Entgelt an seine Kinder zu zahlen, wenn er es steuerlich absetzen könne. Falls die Auffassung des FA bestätigt werde, könne die "Rettungskette" in dieser Form nicht aufrechterhalten werden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat § 4 Abs. 4 und § 12 Nr. 2 EStG verletzt.

1. Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Sie müssen in wirtschaftlichem und tatsächlichem Zusammenhang mit dem Betrieb stehen. Davon kann bei Verträgen zwischen Eltern und Kindern nur ausgegangen werden, wenn sie rechtswirksam vereinbart worden sind, inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und auch tatsächlich durchgeführt werden (ständige Rechtsprechung, z. B. Urteile in BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632; vom 25. Januar 1989 X R 168/87, BFHE 156, 134, BStBl II 1989, 453). Denn nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die Vertragsbeziehungen und die auf ihnen beruhenden Leistungen tatsächlich dem betrieblichen und nicht - z. B. als Unterhaltsleistungen - dem privaten Bereich (§ 12 Nrn. 1 und 2 EStG) zuzuordnen sind.

Hilfeleistungen, die üblicherweise auf familienrechtlicher Grundlage erbracht werden, eignen sich nicht als Inhalt eines mit einem Dritten zu begründenden Arbeitsverhältnisses; hierüber geschlossene Verträge können deshalb steuerlich keine Anerkennung beanspruchen (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1978 VI R 166, 173, 174/76, BFHE 126, 285, BStBl II 1979, 80; BFH in BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632; in BFHE 156, 134, BStBl II 1989, 453). Allerdings sind Zahlungen der Eltern für die Mitarbeit der Kinder im Betrieb nicht schon deshalb vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, weil die Tätigkeiten der Kinder nach Art und Umfang noch in den Bereich der familienrechtlich geschuldeten Dienstleistungspflichten fallen. Zwar sieht § 1619 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor, daß Kinder, die dem elterlichen Hausstand angehören und von den Eltern erzogen und unterhalten werden, in einer ihren Kräften und ihrer Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten haben. Jedoch können diese gesetzlichen Mitwirkungspflichten haushaltsangehöriger Kinder je nach Art und Umfang auch auf arbeitsvertraglicher Grundlage erbracht werden (BFH in BFHE 156, 134, BStBl II 1989, 453, m. w. N.). Die steuerrechtliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses setzt in diesem Fall aber voraus, daß das Arbeitsverhältnis so gestaltet und abgewickelt worden ist, wie dies sonst zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer üblich ist. Nicht anzuerkennen sind danach etwa Arbeitsverpflichtungen, die wegen ihrer Geringfügigkeit oder Eigenart üblicherweise nicht auf arbeitsvertraglicher Grundlage eingegangen werden oder deren Inhalt in sachlicher und zeitlicher Hinsicht nicht näher festgelegt ist.

2. Davon ausgehend ist der zwischen dem Kläger und seiner Tochter abgeschlossene Arbeitsvertrag einkommensteuerrechtlich nicht anzuerkennen. Seinem Inhalt nach ist ein solcher Vertrag zwischen Fremden nicht denkbar.

Nach den Feststellungen des FG oblag der Tochter die Verpflichtung, an den Tagen, an denen die Praxis geöffnet war, innerhalb der Mittagspause (13.30 Uhr bis 15.00 Uhr) und der ersten Stunde nach Praxisschluß (18.00 Uhr bis 19.00 Uhr) den Telefondienst zu versehen. Eine solche Verpflichtung kommt als Gegenstand eines mit Dritten zu begründenden Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht. Die Entgegennahme von eingehenden Telefonanrufen in der Zeit, in der die Praxis geschlossen war, nahm nur geringe Zeit in Anspruch und füllte die Arbeitszeit bei weitem nicht aus. Die Tochter des Klägers verfügte weder über eine ärztliche Ausbildung noch eine Ausbildung zu einem ärztlichen Hilfsberuf. Angesichts dessen konnte sich die Beantwortung etwa eingehender praxisbezogener Telefonanrufe im wesentlichen nur darauf beschränken, das Gespräch an den Kläger weiterzuleiten oder auf die üblichen Praxiszeiten hinzuweisen. Hinzu kommt, daß die Tochter auch nur eine geringe Anzahl von Telefongesprächen zu beantworten hatte. Wie sich aus dem unbestrittenen Vortrag der Kläger ergibt, mußte sie in den Streitjahren an den o. g. Tagen insgesamt nur 171 Gespräche an den Kläger weiterleiten. Für eine solch geringfügige Tätigkeit untergeordneter Art würde ein Arzt einen fremden Dritten nicht anstellen. Ausschlaggebend ist für diese Beurteilung, daß sich der Telefondienst (quasi) bei Gelegenheit der privaten Lebensführung versehen ließ. Er war in der Familienwohnung zu verrichten und verlangte kein ständiges Wachen neben dem Telefongerät, sondern gestattete es der Tochter, sich - wie auch sonst - in der Wohnung frei zu bewegen und ihren privaten Interessen nachzugehen. Außerdem war die Erfüllung der Telefondienstverpflichtung zwangsläufig mit der Entgegennahme sämtlicher in der vereinbarten Arbeitszeit eingehenden Privatgespräche verbunden. Diese Umstände machen deutlich, daß ein solcher in einem Arzthaushalt zu erledigender Telefondienst üblicherweise von Familienangehörigen wahrgenommen wird und nicht zum Gegenstand eines mit fremden Dritten zu schließenden Arbeitsvertrags gemacht wird.

Davon ist im Ergebnis auch das FG ausgegangen. Allerdings hat es den Arbeitsvertrag im Hinblick auf den an den Bereitschaftswochenenden zu leistenden Telefondienst steuerrechtlich anerkannt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Es verhält sich hier nicht anders als bei dem an den (normalen) Praxistagen zu verrichtenden Telefondienst. Der sich alle sechs bis acht Wochen wiederholende Telefondienst ist nur auf familienrechtlicher Grundlage denkbar. Es handelt sich aus den bereits angeführten Gründen ebenfalls um eine geringfügige Tätigkeit untergeordneter Art, die typischerweise von Familienangehörigen übernommen wird und sich nicht als Gegenstand eines zwischen Fremden denkbaren Arbeitsvertrags eignet. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, daß - wie das FG angenommen hat - von den in den Streitjahren insgesamt angefallenen 1 251 Telefonkontakten 1 080 auf die Wochenenddienste entfallen sind. Von diesen Zahlen ausgehend hatte die Tochter des Klägers an den Wochenenddiensten durchschnittlich etwa zwei Gespräche pro Stunde entgegenzunehmen. Dies zeigt, daß die Wahrnehmung des Telefondienstes an den Wochenendbereitschaften - ebenso wie an den übrigen Tagen - nur als eine geringfügige Tätigkeit anzusehen ist. Zu Unrecht hat das FG demgegenüber darauf abgestellt, daß der Kläger während des Bereitschaftsdienstes jederzeit, also auch während einer einsatzbedingten Abwesenheit, erreichbar sein mußte und im Hinblick darauf für einen Telefondienst zu sorgen hatte. Daß der Kläger möglicherweise verpflichtet war, seine jederzeitige Erreichbarkeit zu gewährleisten, ist für die Beurteilung der von seiner Tochter wahrzunehmenden Aufgabe bedeutungslos. Entscheidend ist - wie bei den Telefondiensten an den Praxistagen - allein, daß die Entgegennahme der Telefongespräche, die im übrigen auch sämtliche Privatgespräche umfaßte, die Arbeitszeit seiner Tochter bei weitem nicht auszufüllen vermochte und ihr weitgehend Raum für private Tätigkeiten im häuslichen Bereich beließ. Dies erhellt aus der relativ geringen Anzahl der betrieblich veranlaßten Gespräche wie auch deren möglichen Dauer. Letzteres folgt daraus, daß die Tochter im Falle der Abwesenheit des Klägers weitgehend nur auf seine Rückkehr verweisen, ggf. Adressen und Telefonnummern notieren und sortieren, einen Rückruf zusagen oder - soweit für sie überhaupt erkennbar - in dringenden Fällen auf einen anderen Bereitschafts- bzw. Notdienst, etwa bei einem Krankenhaus, verweisen konnte. Solche geringfügigen und ihrer Art nach untergeordneten Tätigkeiten sind typischerweise nicht Gegenstand von Verträgen mit fremden Dritten. Vielmehr werden sie der Lebenswirklichkeit entsprechend in einem Arzthaushalt üblicherweise von haushaltsangehörigen Familienmitgliedern und damit auf familienrechtlicher Grundlage erbracht. Schließlich ist auch nicht denkbar, daß ein fremder Arzt die Tochter des Klägers ausschließlich zu dem Zweck angestellt hätte, lediglich alle sechs bis acht Wochen einen Wochenendtelefondienst in seiner Wohnung wahrzunehmen, und dafür monatlich ein Gehalt in der Höhe der Hälfte einer Ausbildungsvergütung zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen gezahlt hätte.

Für ein steuerrechtlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis spricht auch nicht die der Tochter obliegende Verpflichtung, jeweils samstags für zwei Stunden die Praxiswäsche zu waschen und zu bügeln. Das FG hat insoweit in Übereinstimmung mit den Beteiligten angenommen, daß ein Arzt für die Durchführung solcher geringfügiger Arbeiten keinen Arbeitnehmer beschäftigen würde. Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als solche Aufgaben fremden Dritten üblicherweise allenfalls auf Stundenlohnbasis übertragen werden. Letztlich kommt es darauf aber nicht entscheidend an, weil der Fremdvergleich nur einheitlich für den gesamten Vertrag angestellt werden kann. Aus einheitlichen Arbeitsverträgen können also nicht einzelne Tätigkeiten ausgegliedert werden und die Verträge im Hinblick auf diese Tätigkeiten teilweise steuerrechtlich anerkannt werden (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1988 X R 2/86, BFHE 155, 307, BStBl II 1989, 354, am Ende). Auch wenn danach im Streitfall einzelne Tätigkeiten Gegenstand eines Arbeitsvertrages unter Fremden sein könnten, hält die Vertragsgestaltung, die sich in keiner Weise auf ihre tatsächliche Durchführung überprüfen läßt, insgesamt einem Fremdvergleich nicht stand. Ein fremder Arzt hätte einen Arbeitsvertrag solchen Inhalts mit der Tochter des Klägers, wie hervorgehoben, nicht abgeschlossen.