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  BFH-Urteil vom 11.1.1994 (VII R 53/93) BStBl. 1994 II S. 358

Der erkennende Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß die mündliche Eröffnung des Ergebnisses der Steuerberaterprüfung durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB auch ohne Erteilung einer schriftlichen Rechtsbehelfsbelehrung die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage gegen die Prüfungsentscheidung in Lauf setzt.

FGO §§ 47 Abs. 1, 55; VwGO § 58; DVStB § 28 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm an der Steuerberaterprüfung 1990 teil. Im Anschluß an die mündliche Prüfung am 12. April 1991 eröffnete ihm der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, daß er nach dessen Entscheidung die Prüfung nicht bestanden habe. Am 19. März 1992 erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Finanzministerium) unter Aufhebung des mündlichen Bescheides über das Nichtbestehen der Prüfung zu verpflichten, ihm ein Zeugnis über das Bestehen der Steuerberaterprüfung 1990 zu erteilen. Hinsichtlich der Klagefrist vertrat er die Auffassung, diese sei wegen fehlender Rechtsbehelfsbelehrung nicht in Lauf gesetzt worden, so daß nach § 55 Abs. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die noch nicht abgelaufene Jahresfrist zur Anwendung gelange.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, daß der Kläger die Monatsfrist gemäß § 47 Abs. 1 FGO für die Erhebung der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage versäumt habe. Da kein schriftlicher Verwaltungsakt ergangen sei, habe es einer schriftlichen Rechtsbehelfsbelehrung nicht bedurft, um die Klagefrist in Lauf zu setzen. Im übrigen nahm das Gericht Bezug auf die Urteile des erkennenden Senats vom 28. November 1978 VII R 48/78 (BFHE 126, 375, BStBl II 1979, 185) und vom 12. Februar 1980 VII R 80/79 (BFHE 130, 233, BStBl II 1980, 459).

Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen die Rechtsprechung des Senats, wonach § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO den Beginn der Klagefrist nur dann von einer schriftlichen Rechtsbehelfsbelehrung abhängig macht, wenn der angefochtene Verwaltungsakt schriftlich ergangen ist. Er vertritt die Auffassung, die Vorschrift könne bei statusbestimmenden Verwaltungsakten wie Prüfungsbescheiden nicht ihrem Wortlaut gemäß angewendet werden. Sie sei vielmehr im Wege der teleologischen Reduktion dahin auszulegen, daß sie für mündlich ergangene Verwaltungsakte nur dann gelte, wenn es sich um Bagatell-Verwaltungsakte auf dem eigentlichen Gebiet des Steuer- und Abgabenrechts handele. Für Prüfungsbescheide gelte in Anlehnung an § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der allgemeine Grundsatz, daß bei unterbliebener schriftlicher Rechtsbehelfsbelehrung die Frist für die Erhebung der Klage 1 Jahr betrage (§ 55 Abs. 2 FGO). Bei anderer Beurteilung würde den Prüflingen nach dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) eine Ausnahmestellung gegenüber allen anderen Prüflingen zugewiesen, was einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Einheit der Rechtsordnung darstelle. Eine unerträgliche Ungleichbehandlung liege auch darin, daß bei Prüflingen, die nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen würden, die Warnfunktion eines schriftlichen Bescheides gesetzlich vorgeschrieben sei, während die nach der mündlichen Prüfung mitgeteilte negative Prüfungsentscheidung unauffällig (nach 1 Monat) in Bestandskraft erwachsen solle. Die unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung bei mündlichen Prüfungsverwaltungsakten müsse zumindest im Wege der Analogie zu den in § 55 Abs. 1 und 2 FGO vorgesehenen Rechtsfolgen führen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das Finanzministerium beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Der Kläger hat die Klagefrist von 1 Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts (§ 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO) nicht gewahrt. Ihm war die Prüfungsentscheidung, die als Verwaltungsakt der obersten Finanzbehörde eines Landes ohne Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens unmittelbar anfechtbar war (§ 44 Abs. 1 FGO, § 349 Abs. 3 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -), unmittelbar im Anschluß an die mündliche Prüfung bekanntgegeben worden (§ 28 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften - DVStB -). Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß das Fehlen einer schriftlichen Rechtsbehelfsbelehrung den Lauf der Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage, die grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts beginnt (§ 54 Abs. 1 FGO), nicht gehindert hat, weil die Prüfungsentscheidung nicht schriftlich ergangen ist und deshalb § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO und folglich auch die Jahresfrist nach § 55 Abs. 2 FGO auf den Streitfall keine Anwendung findet.

1. Der erkennende Senat hat in seinen von der Vorinstanz zitierten Urteilen in BFHE 126, 375, BStBl II 1979, 185, und BFHE 130, 233, BStBl II 1980, 459 entschieden, daß nur für den Fall, daß der mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt schriftlich ergangen ist, § 55 Abs. 1 FGO den Beginn der Frist davon abhängig macht, daß eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden ist. Er hat die Entscheidung des Prüfungsausschusses über das Bestehen der Steuerberaterprüfung, die gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB (§ 22 Satz 3 DVStB a. F.) im Anschluß an die mündliche Prüfung von dem Vorsitzenden dem Bewerber zu eröffnen ist, als formlosen (mündlichen) Verwaltungsakt angesehen, der nach dieser Vorschrift zulässig ist. Mangels Schriftlichkeit dieses Verwaltungsakts ist der Senat in wortgetreuer Auslegung des § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO zu dem Ergebnis gelangt, daß die mündliche Bekanntgabe, die Prüfung sei nicht bestanden, trotz Fehlens einer schriftlichen Rechtsbehelfsbelehrung die Frist für die Anfechtung der Prüfungsentscheidung in Lauf setzt.

Eine Auslegung gegen den Wortlaut des § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO, der zu seiner Anwendung einen "schriftlich ergangenen" Verwaltungsakt voraussetzt, ist in dem Urteil in BFHE 130, 233, BStBl II 1980, 459 abgelehnt worden, weil die wortgetreue Auslegung der Vorschrift nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Juli 1980 2 BvR 780/79 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Steuerberatungsgesetz, Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften a. F., § 22, Rechtsspruch 3) ist die Auslegung, die der erkennende Senat im Zusammenhang mit der mündlichen Bekanntgabe eines negativen Prüfungsergebnisses den §§ 47 Abs. 1, 55 FGO sowie der Vorschrift des § 22 DVStB a. F. (jetzt: § 28 Abs. 1 Satz 3) gegeben hat, einfachrechtlich vertretbar und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (ebenfalls zustimmend: Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 55 Anm. 7). Der Senat nimmt in der Begründung seiner Rechtsauffassung im einzelnen auf die vorstehend zitierten Entscheidungen Bezug. Er hält auch unter Berücksichtigung der Einwendungen, die von der Revision und teilweise auch im Schrifttum (vgl. Endriss, Der Betrieb - DB - 1979, 2058; 1980, 757; 1981, 2400; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 55 FGO Tz. 1) dagegen erhoben werden, an seiner Rechtsprechung fest. Dabei läßt er sich von der Überlegung leiten, daß bei der Auslegung einer Rechtsnorm - hier § 55 FGO - der in der Gesetzesvorschrift zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich ist, so wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Vorschrift gestellt ist. Gegenüber einer vom Wortlaut der Rechtsnorm abweichenden Auslegung ist - wie bereits in BFHE 130, 233, BStBl II 1980, 459 ausgeführt - besondere Zurückhaltung geboten, auch wenn ein anderes Ergebnis gerechter und wünschenswerter erscheint.

2. Die Einwendungen, die die Revision gegen die Rechtsauffassung des Senats erhebt, sind im wesentlichen bereits in dem Urteil in BFHE 130, 233, BStBl II 1980, 459 zurückgewiesen worden, so daß es insoweit unter Bezugnahme auf diese Entscheidung lediglich ergänzender Ausführungen bedarf.

a) Die Auffassung des Klägers, daß die Klagefrist bei statusbestimmenden Verwaltungsakten wie Prüfungsbescheiden - auch wenn sie mündlich ergangen sind - bei Fehlen einer schriftlichen Rechtsbehelfsbelehrung stets nicht in Lauf gesetzt wird, so daß sie noch innerhalb eines Jahres seit der Bekanntgabe angefochten werden können, findet in der FGO keine Rechtsgrundlage. Die Jahresfrist nach Abs. 2 des § 55 FGO gilt, wie der systematische Zusammenhang der Gesamtvorschrift und die Verknüpfung zwischen den beiden Absätzen nach ihrem Wortsinn zeigt, nur im Falle des § 55 Abs. 1 FGO, der wiederum einen "schriftlich ergangenen" Verwaltungsakt voraussetzt.

Eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut des § 55 Abs. 1 und 2 FGO kann auch nicht mit der einschneidenden Bedeutung einer negativen Prüfungsentscheidung für den Prüfling, dem diese gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB mündlich eröffnet worden ist, begründet werden. Es muß davon ausgegangen werden, daß dem Gesetzgeber, der für Klagen gegen Prüfungsentscheidungen nach dem StBerG in § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO ausdrücklich den Finanzrechtsweg bestimmt hat, bei Erlaß der FGO die Form der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses nach Durchführung einer mündlichen Steuerberaterprüfung bekannt war. Denn bereits § 22 DVStB i. d. F. vom 1. August 1962 (BGBl I, 537), der - wie der Senat in BFHE 130, 233, BStBl II 1980, 459 entschieden hat - in § 118 Nr. 1 Buchst. b StBerG a. F. (jetzt § 158 Nr. 1 Buchst. b StBerG) eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage hat, sah vor, daß der Vorsitzende des Prüfungsausschusses den Bewerbern das Ergebnis der Prüfung (formlos, also auch mündlich) eröffnet.

Wenn der Gesetzgeber auch für diesen Fall der mündlichen Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses an den in der mündlichen Prüfung anwesenden Bewerber den Beginn der Klagefrist von einer schriftlichen Rechtsbehelfsbelehrung hätte abhängig machen wollen, so hätte es nahegelegen, in § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO (ebenso wie in § 58 Abs. 1 VwGO) von dem ausdrücklichen Merkmal eines "schriftlich ergangenen" Verwaltungsakts abzusehen. Für diese Auffassung spricht, daß auch seit dem Ergehen der oben zitierten Urteile des erkennenden Senats vom 28. November 1978 und vom 12. Februar 1980 hinsichtlich der hier maßgeblichen Vorschriften (trotz zwischenzeitlicher zahlreicher Gesetzesänderungen) weder die DVStB noch die FGO (§ 55) geändert worden sind.

b) Die weitergehende Fassung des § 58 VwGO, der nach seinem Wortlaut im Falle der unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung die Rechtsfolgen hinsichtlich des Fristenlaufs, auf die sich der Kläger beruft, nicht davon abhängig macht, daß der Verwaltungsakt schriftlich ergangen ist, kann für den Streitfall nicht herangezogen werden. Die FGO ist zwar der VwGO weitgehend nachgebildet; es ist aber davon auszugehen, daß dort, wo die Gesetzesfassungen Unterschiede aufweisen, diese auch gewollt sind. Da im Streitfall für die Anfechtung der Prüfungsentscheidung der Finanzrechtsweg gegeben ist, richtet sich das gerichtliche Verfahren allein nach den Vorschriften der FGO.

Dem steht nicht entgegen, daß damit die Klagefrist gegen staatliche Prüfungsentscheidungen bei mündlicher Bekanntgabe und fehlender schriftlicher Rechtsbehelfsbelehrung unterschiedlich sein kann, je nachdem, ob der Finanzrechtsweg oder Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Diese Rechtsfolge kann bereits in der unterschiedlichen Fassung der Prüfungsordnungen angelegt sein (schriftlicher oder mündlicher Prüfungsbescheid). Soweit sich im Hinblick auf § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO bei Prüfungen nach dem StBerG eine kürzere - stets einmonatige - Klagefrist ergibt als bei allen anderen staatlichen Prüfungen, weil auf diese die Verfahrensvorschriften der VwGO (§ 58) anwendbar sind, ist dieses Ergebnis nicht von vornherein sachwidrig und stellt deshalb keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) dar. Wie das BVerfG in seinem Beschluß vom 14. Juli 1980 (a. a. O.) ausgeführt hat, ist es bei der Steuerbevollmächtigten-/Steuerberaterprüfung aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 GG) nicht geboten, den Prüfungsbescheid generell mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen, da davon auszugehen ist, daß diese Prüfungsteilnehmer aufgrund ihrer Ausbildung grundsätzlich über die gegebenen Rechtsbehelfe informiert sind. Es erscheint nicht sachwidrig, wenn bei anderen staatlichen Prüfungen nicht von einer solchen Kenntnis der Prüflinge über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten ausgegangen wird und demnach die Rechtsfolgen hinsichtlich der Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage (Zeitdauer für Information und Überlegung) bei unterbliebener Rechtsbehelfsbelehrung - soweit es sich nicht um schriftliche Verwaltungsakte handelt - nach den §§ 55 FGO und 58 VwGO unterschiedlich gestaltet sind.

c) Die Entstehungsgeschichte des § 55 FGO, auf die sich die Revision für ihre gegenteilige Auffassung beruft, ist für die hier streitige Rechtsfrage wenig ergiebig.

Wenn auch nach den Gesetzesmaterialien der Regierungsentwurf der FGO weitgehend dem Entwurf der VwGO gefolgt ist und die Frist zur Klageerhebung bzw. zur Einlegung eines Rechtsmittels grundsätzlich nur beginnen sollte, wenn der Vorentscheidung eine schriftliche Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, so schließt dies doch Ausnahmen, wie in der Begründung des Rechtsausschusses zu § 54 FGO-Entwurf ausgeführt wird (BTDrucks zu IV/3523), nicht aus. Als derartige Ausnahme sind dort zwar nur Steuerbescheide, für die eine schriftliche Erteilung nicht vorgesehen ist, wie die Bescheide der Zollbehörde an den Grenzübergangsstellen bei der Erhebung der Einfuhrabgaben, genannt. Das erklärt aber lediglich die gleichartige Regelung über die Rechtsbehelfsbelehrung in § 55 FGO wie in § 237 der Reichsabgabenordnung (AO) und § 356 AO 1977. Für den Beginn der Frist für eine Anfechtungsklage gibt die in der Begründung zu § 54 des FGO-Entwurfs genannte Ausnahme wenig her, da auch bei Steuerbescheiden, für die eine schriftliche Erteilung nicht vorgesehen ist, die Klage erst nach Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens zulässig ist (§ 44 FGO), das immer mit einer schriftlichen Einspruchsentscheidung endet (§§ 366, 367 AO 1977), in deren Gestalt der ursprüngliche Verwaltungsakt nunmehr Gegenstand der Anfechtungsklage wird (§ 44 Abs. 2 FGO).

Wenn die nach § 44 Abs. 1 FGO, § 349 Abs. 3 Nr. 1 AO 1977 unmittelbar mit der Klage anfechtbare Entscheidung über das (Nicht-)Bestehen der Steuerberaterprüfung in der vorgenannten Gesetzesbegründung nicht ausdrücklich als Ausnahme von dem Erfordernis einer schriftlichen Rechtsmittelbelehrung für den Beginn der Klagefrist genannt ist, so folgt daraus nicht, daß § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht seinem Wortlaut gemäß auf diesen Verwaltungsakt anwendbar ist.

d) Der Senat vermag auch unter Berücksichtigung der Fortentwicklung des Rechtsbewußtseins keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu erkennen, wonach bei staatlichen Prüfungen zwingend ein schriftlicher Bescheid über den Ausgang der Prüfung zu erteilen ist. Er hält trotz der Einwendungen des Klägers unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung insbesondere in BFHE 130, 233, BStBl II 1980, 459 an seiner Rechtsprechung fest, nach der § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB (§ 22 Satz 3 DVStB a. F.) - ebenso wie § 17 der Prüfungsordnung für Wirtschaftsprüfer vom 31. Juli 1962 (BGBl I, 529) - es dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses in rechtlich zulässiger Weise gestattet, im Anschluß an die mündliche Prüfung den Bewerbern formlos, also auch mündlich zu eröffnen, ob sie die Prüfung bestanden haben.

Dem steht nicht entgegen, daß für andere prüfungsrechtliche Entscheidungen nach der DVStB schriftliche Bescheide vorgesehen sind (z. B. § 1 Abs. 3: Zulassung zur Prüfung, § 7 Abs. 1: Verbindliche Auskunft über die Erfüllung von Zulassungsvoraussetzungen und die Befreiung von der Prüfung, § 25 Abs. 4: Nichtbestehen aufgrund der schriftlichen Prüfung). Wie das BVerfG in dem Beschluß vom 14. Juli 1980 (a. a. O.) ausgeführt hat, verstößt die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Form des Prüfungsbescheids je nach Nichtbestehen im schriftlichen Teil oder Nichtbestehen nach Durchführung der mündlichen Prüfung nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Vielmehr könnten die Besonderheiten der mündlichen Prüfung und das Interesse daran, einen mündlichen Bescheid, der naturgemäß mit zunehmendem Zeitablauf gerichtlich schwerer nachprüfbar werde, in angemessener Frist bestandskräftig werden zu lassen, als sachgerechte Gründe für die unterschiedliche Handhabung angesehen werden.

Das Finanzministerium führt zutreffend aus, daß es nach der Gesamtsituation in der mündlichen Prüfung sinnvoll und sachgerecht ist, - im Gegensatz zu den vorstehend genannten Fällen schriftlicher Prüfungsbescheide - den Bewerbern das Ergebnis der Prüfung mündlich bekanntzugeben. Das folgt insbesondere daraus, daß der Betroffene in der mündlichen Prüfung persönlich anwesend ist und er für den Zeitpunkt nach Abschluß der Prüfung und der Beratung des Prüfungsausschusses die unverzügliche Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses auch erwartet. Es entspricht seiner Interessenlage, möglichst schnell über das Prüfungsergebnis informiert zu werden. Das rechtfertigt auch die Annahme, daß er sich der rechtlichen Bedeutung des mündlich eröffneten Prüfungsbescheides im besonderen Maße bewußt ist.

Da das Ergebnis der Steuerberaterprüfung nur "bestanden" oder "nicht bestanden" lauten kann und - im Gegensatz zu vielen anderen Prüfungen - Noten nicht erteilt werden (§ 28 Abs. 1 Satz 4 DVStB), können auch bei der mündlichen Bekanntgabe des Ergebnisses keine Verständnisschwierigkeiten auftreten; die Prüfungsentscheidung ist nicht so komplex, daß im Hinblick auf das Verständnis des Betroffenen und seiner Überlegungen hinsichtlich der Rechtsbehelfseinlegung ihre Bekanntgabe durch schriftlichen Verwaltungsakt geboten wäre.

e) Der Senat hält daran fest, daß trotz der ungewöhnlichen Formulierung in § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB, wonach der Vorsitzende des Prüfungsausschusses den Bewerbern das Ergebnis "eröffnet", darin die Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung im Rechtssinne zu sehen ist, an die nach den §§ 47 Abs. 1, 54 Abs. 1 FGO der Beginn der Klagefrist anknüpft. Denn eine (zusätzliche) Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses in sonstiger Form ist in der DVStB nicht vorgesehen.

Die Regelung in § 28 Abs. 2 DVStB, wonach einem Bewerber, der die Prüfung bestanden hat, von der obersten Landesbehörde darüber eine Bescheinigung auszustellen ist, betrifft die Erteilung eines Prüfungszeugnisses, das im Hinblick auf seine Bedeutung im Arbeits- und Wirtschaftsleben nur für die Kandidaten von Interesse ist, die die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt haben. Die Bescheinigung über eine bestandene Prüfung, die nur bei Prüfungserfolg erteilt wird, kann damit dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 2 DVStB nach nicht als der Verwaltungsakt angesehen werden, mit dem über das Bestehen oder Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung entschieden wird.

f) Nach § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 3 DVStB entscheidet der Prüfungsausschuß über das Ergebnis der Prüfung. Der Vorsitzende, der nach § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB den Bewerbern die Entscheidung des Prüfungsausschusses über das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung zu eröffnen, d. h. bekanntzugeben hat, wird hierbei als Organ (Sprecher) des Prüfungsausschusses tätig. Da somit die Prüfungsentscheidung vom Prüfungsausschuß erlassen wird, der sich nur zu ihrer Bekanntgabe gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB seines Vorsitzenden bedient, ist es unerheblich, daß nach den sonstigen Bestimmungen der DVStB der Vorsitzende des Prüfungsausschusses nicht mit eigenen (Entscheidungs-)Zuständigkeiten ausgestattet ist.

Nach § 10 Abs. 1 DVStB wird die Prüfung als Steuerberater vor einem Prüfungsausschuß abgelegt, der "bei der obersten Landesbehörde zu bilden ist". Bei der Entscheidung des Prüfungsausschusses über das Bestehen oder Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung, deren Bekanntgabe nach § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB erfolgt, handelt es sich damit zugleich um einen Verwaltungsakt der obersten Finanzbehörde des Landes i. S. des § 349 Abs. 3 Nr. 1 AO 1977, gegen die - entgegen den Erwägungen der Revision - ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist. Das entspricht auch der besonderen Vorschrift des § 349 Abs. 3 Nr. 2 AO 1977, wonach gegen Entscheidungen des Zulassungsausschusses und des Prüfungsausschusses der Oberfinanzdirektionen (die keine obersten Landesbehörden sind) in Angelegenheiten des StBerG die Beschwerde ebenfalls nicht gegeben ist. Denn wenn in diesen Fällen schon kein außergerichtlicher Rechtsbehelf vorgesehen ist, besteht dazu erst recht keine Veranlassung, wenn die Entscheidung des bei der obersten Landesbehörde eingerichteten Prüfungsausschusses in Rede steht.

g) Der erkennende Senat hält schließlich auch an der Entscheidung in seinem Urteil in BFHE 126, 375, BStBl II 1979, 185 (am Ende) fest, durch die er die analoge Anwendung des § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO - kein Beginn der Klagefrist bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung - auf die gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB mündlich bekanntgegebene Entscheidung über das Bestehen der Steuerberaterprüfung abgelehnt hat. Diese Vorschrift ist ausdrücklich auf schriftlich ergangene Verwaltungsakte bezogen. Wie oben ausgeführt, ergibt sich daraus keine Regelungslücke, weil für den sofortigen Beginn der Klagefrist von einem Monat bei der Entscheidung über das Bestehen der Steuerberaterprüfung, die dem Bewerber mündlich bekanntgegeben worden ist, sachlich einleuchtende Gründe bestehen.