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  BFH-Urteil vom 9.3.1994 (II R 39/90) BStBl. 1994 II S. 394

Der gemeine Wert der nicht an der Börse notierten Stammaktien ist grundsätzlich vom Börsenkurs der börsenfähigen Vorzugsaktie desselben Unternehmens abzuleiten. Dabei ist der unterschiedlichen Ausstattung der Stammaktien gegenüber den Vorzugsaktien nach Maßgabe der einzelnen werterhöhenden oder wertmindernden Ausstattungsmerkmale durch Zu- und Abschläge Rechnung zu tragen.

BewG § 11 Abs. 2.

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kapitalgesellschaft, erhöhte im Jahre 1985 ihr Grundkapital von 300 Mio DM auf 575 Mio DM. Seit der Kapitalerhöhung besteht das Grundkapital zu 400 Mio DM aus Stammaktien und zu 175 Mio DM aus Vorzugsaktien ohne Stimmrecht. Inhaber der Stammaktien sind ausschließlich Mitglieder der vom Unternehmensgründer ausgehenden Familienstämme. Die Stammaktien gewähren eine um 6 Prozentpunkte niedrigere Dividende als die Vorzugsaktien. Um sicherzustellen, daß die Stammaktien im Besitz der Familienstämme verbleiben, schlossen deren Mitglieder am 21. September 1974 einen durch Vereinbarung vom 24. August 1985 ergänzten Aktienbindungsvertrag auf unbestimmte Zeit, durch den sich die Familiengesellschafter für bestimmte Fälle der Übertragung von Stammaktien ein Erwerbsrecht vorbehalten. Nach diesem Vertrag kann das Erwerbsrecht zum Börsenkurs, falls ein solcher nicht vorhanden ist, zum sog. Vermögensteuerkurswert ausgeübt werden, der auf der Grundlage des letzten rechtskräftigen Vermögensteuerbescheids fortzuentwickeln ist. Die Vorzugsaktien gingen mit einem Nennwert von 100 Mio DM auf die Inhaber der Stammaktien über, die weiteren Vorzugsaktien mit einem Nennbetrag von 75 Mio DM hat die Klägerin 1985 an der Börse zu 285 DM je 50 DM Anteil angeboten; der Kurs betrug am Bewertungsstichtag 31. Dezember 1985 402 DM. An der Klägerin ist kein Gesellschafter über 5 v. H. beteiligt.

Zum Zwecke der Bewertung der Stammaktien auf den 31. Dezember 1985 erklärte die Klägerin einen nach Abschn. 76 f. der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1983 im sog. Stuttgarter Verfahren ermittelten Wert von 253 DM je 100 DM des Grundkapitals.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht, sondern leitete den gemeinen Wert der Stammaktien vom Kurswert der an der Börse notierten Vorzugsaktien ab, indem er nach Maßgabe der Erlasse des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1985 - S 3263 - 54 - V A 4 - (Betriebs-Berater - BB - 1985, 2158) und vom 14. November 1963 - S 3259 - 21 - V C 1 - (Die Aktiengesellschaft - AG - 1964, 74) vom Kurswert von 804 DM je 100 DM Grundkapital den dreifachen Dividendenunterschied mit 3 x 6 DM = 18 DM abzog. Mit seiner Einspruchsentscheidung erhöhte das FA den Abzugsbetrag auf 37,50 DM und setzte den gemeinen Wert je 100 DM Stammaktie auf 766 DM fest. Dabei ging das FA davon aus, daß - im Unterschied zur Erlaßregelung vom 14. November 1963 - der Dividendenunterschied von 6 DM um die anrechenbare Körperschaftsteuer in Höhe von 36/64 auf 9,375 zu erhöhen und der Faktor für den Ertragshundertsatz zur Ermittlung des gemeinen Werts in sinngemäßer Anwendung von Abschn. 79 VStR 1983 mit 5 65/100 = 3,25, d. h. aufgerundet mit 4 anzusetzen seien.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, daß eine Ableitung des gemeinen Werts der Stammaktien aus dem Börsenkurs der Vorzugsaktien der Systematik des § 11 des Bewertungsgesetzes (BewG) widerspreche, und beantragte, unter Aufhebung des Feststellungsbescheids des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung das FA zu verpflichten, die Stammaktien unter Anwendung des sog. Stuttgarter Verfahrens mit 253 DM je 100 DM Grundkapital zu bewerten.

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß sich im Streitfall der Wert der Stammaktien aus dem Börsenkurs der Vorzugsaktien ableiten lasse. Damit scheide eine Bewertung im Stuttgarter Verfahren aus. Zwar werde der Wert der Stammaktien durch den Umstand der um 6 Prozentpunkte niedrigeren Dividende negativ beeinflußt. Andererseits gewährten die an der Börse gehandelten Vorzugsaktien kein Stimmrecht. Dieser Nachteil habe ein so erhebliches Gewicht, daß er in seinen Auswirkungen auf den Wert der Stammaktien den Nachteil der niedrigeren Dividende weit überwiege mit der Folge, daß die Stammaktien mindestens mit dem Börsenkurs der Vorzugsaktien zu bewerten seien.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§§ 9 und 11 BewG) sowie die Verletzung des Gleichheitssatzes und der Selbstbindung der Verwaltung an die von ihr erlassenen Verwaltungsvorschriften (Art. 3 und Art. 108 Abs. 7 des Grundgesetzes - GG - i. V. m. Abschn. 76 VStR). Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung des FG sowie des Feststellungsbescheides des FA i. d. F. der Einspruchsentscheidung den gemeinen Wert der Stammaktien nach den Grundsätzen des Stuttgarter Verfahrens gemäß Abschn. 76 f. VStR auf 330 DM je 100 DM Grundkapital festzustellen.

Zur Begründung macht die Klägerin im wesentlichen folgendes geltend: Bestünden bei einer Aktiengesellschaft (AG) sowohl Stammaktien als auch Vorzugsaktien, so müsse die Bewertung nach § 11 BewG für jede Aktiengattung unter Heranziehung des für sie einschlägigen Bewertungsverfahrens gesondert erfolgen, da es sich jeweils um selbständige Wertpapiere i. S. des § 11 Abs. 1 BewG handele; dies werde für börsennotierte Stamm- und Vorzugsaktien durch gesondert ausgewiesene Börsenkurse bestätigt. Für die nicht an der Börse notierten Stammaktien folge daraus, daß deren Bewertung nicht nach § 11 Abs. 1 BewG, sondern nur nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zu erfolgen habe. Daran ändere der Umstand nichts, daß Vorzugsaktien derselben Gesellschaft an der Börse notiert seien, da es nicht um die Bewertung dieser Aktien gehe. Die Heranziehung des Börsenkurses für die Wertermittlung nicht börsennotierter Stammaktien scheide nach § 11 BewG aus.

Soweit in Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder etwas anderes geregelt werde, stehe dies im Widerspruch zum erklärten Willen des Gesetzgebers.

Sowohl nach den Intentionen des Art. 108 Abs. 7 GG als auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei es der Finanzverwaltung nicht erlaubt, von den VStR abweichende Regelungen zu erlassen. Die Veräußerung der Vorzugsaktien über die Börse könne nicht als Verkauf i. S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG angesehen werden. Auch insoweit sei es daher nicht zulässig, das System der unterschiedlichen Bewertung verschiedener Aktiengattungen zu durchbrechen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Die vom FG bestätigte Feststellung des gemeinen Werts der Stammaktien läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

1. Die Vorinstanz hat zu Recht entschieden, daß der Wert der Stammaktien gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus dem Kurswert der Vorzugsaktien abzuleiten ist.

a) Anteile an einer AG, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, werden nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im amtlichen Handel notierten Kurs angesetzt. Da zum maßgebenden Bewertungsstichtag 31. Dezember 1985 nur Vorzugsaktien, nicht jedoch Stammaktien der Klägerin an der Börse gehandelt wurden, liegt für die im Familienbesitz befindlichen Stammaktien kein Kurswert vor. Stammaktien und Vorzugsaktien sind insofern mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet, als die Stammaktie im Gegensatz zur Vorzugsaktie zwar einerseits ein Stimmrecht gewährt, andererseits aber die Stammaktie gegenüber der Vorzugsaktie nur eine um 6 Prozentpunkte niedrigere Dividende vermittelt. Es handelt sich folglich im Streitfall bei Stammaktien und Vorzugsaktien um Aktien unterschiedlicher Gattung (vgl. §§ 11 und 12 des Aktiengesetzes - AktG -). Das bedeutet, daß der Kurswert der Vorzugsaktien nicht als Kurswert der Stammaktien angesehen werden kann. Diese Schlußfolgerung wird durch die Praxis des Wertpapierhandels bestätigt, nach der für die an der Börse gehandelten Stammaktien und Vorzugsaktien mit unterschiedlicher Ausstattung regelmäßig unterschiedliche Kurswerte notiert werden.

b) Da im Streitfall für die Stammaktien ein Börsenkurs im amtlichen Handel nicht vorliegt, sind sie gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Läßt sich dieser nicht aus Verkäufen ableiten, die vom Bewertungsstichtag weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen. Hierzu hat der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung das in Abschn. 76 f. VStR (bis einschließlich VStR 1989) vorgesehene Stuttgarter Verfahren als geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt (vgl. BFH-Urteile vom 5. Februar 1992 II R 185/87, BFHE 167, 166, BStBl II 1993, 266, und vom 6. März 1991 II R 18/88, BFHE 164, 91, 94, BStBl II 1991, 558, m. w. N.). Aus der Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ergibt sich, daß die Ermittlung des gemeinen Werts aus Verkäufen den Vorrang vor der Schätzung im Stuttgarter Verfahren hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile in BFHE 167, 166, BStBl II 1993, 266, und vom 5. März 1986 II R 232/82, BFHE 146, 460, BStBl II 1986, 591, m. w. N.). Der Wortlaut dieser Vorschrift zwingt nicht zu der Schlußfolgerung, daß der gemeine Wert nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften nur aus Verkäufen außerhalb des Börsenhandels abgeleitet werden kann. Entscheidend ist, daß die Verkäufe, aus denen der gemeine Wert der Anteile abgeleitet werden soll, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr getätigt wurden. Darunter ist der Handel zu verstehen, der sich im freien Wirtschaftsleben nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not oder besonderen Rücksichten, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1980 III R 86/78, BFHE 132, 482, 485, BStBl II 1981, 353, 355, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind beim Handel von Aktien an der Börse in aller Regel erfüllt. Es begegnet daher keinen Bedenken, der Ableitung des gemeinen Werts von Aktien auch Verkäufe an der Börse zugrunde zu legen, wenn weder am Stichtag noch innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Stichtag ein im amtlichen Börsenhandel notierter Kurs vorliegt; es sei denn, daß sich der Börsenkurs nicht nach dem Vermögen und nach den Ertragsaussichten der AG ausrichtet, sondern wesentlich von anderen Umständen beeinflußt ist (vgl. Troll, Bewertung der Aktien und GmbH-Anteile bei der Vermögensteuer, 5. Aufl., S. 28). Insoweit kann nichts anderes gelten als in dem der Entscheidung des BFH vom 6. Mai 1977 III R 17/75 (BFHE 122, 334, BStBl II 1977, 626) zugrundeliegenden Fall, in dem auf Vermittlung des Freiverkehrsausschusses mehrere Verkaufsfälle von Aktien an einer AG im geregelten Freiverkehr stattgefunden hatten; da die vom Freiverkehrsausschuß festgestellten Veräußerungspreise nicht als Kurse i. S. des § 11 Abs. 1 BewG angesehen werden konnten, war nach Auffassung des BFH die Ableitung des gemeinen Werts der Aktien aus diesen im Jahr vor dem Bewertungsstichtag notierten Veräußerungspreisen durch § 11 Abs. 2 BewG gedeckt.

Dem entspricht es, wenn der BFH in seiner Entscheidung vom 25. August 1972 III R 33/71 (BFHE 107, 303, 309, BStBl II 1973, 46, 49) zur Bewertung nichtnotierter Aktien einer AG auf der Grundlage des Börsenkurses der zum Börsenhandel zugelassenen Aktien derselben Gesellschaft "den Börsenkurs mittelbar auch als pauschalen Verkaufspreis der nichtnotierten Aktien" angesehen hat. Zwar sei richtig, daß zur Bewertung nichtnotierter Anteile ein Vergleich mit Börsenkursen der Aktien anderer gleichartiger Unternehmen keine geeignete Bewertungsgrundlage bietet (BFH-Urteil vom 19. Dezember 1960 III R 396/58 S, BFHE 72, 241, BStBl III 1961, 92), weil der Anteil einer Gesellschaft nach deren speziellen Wirtschaftslage am Stichtag, nicht aber nach der durchschnittlichen Wirtschaftslage der Branche zu bewerten sei; diese Erwägungen entfielen jedoch, wenn der Börsenwert der eigenen Aktien zur Schätzung des gemeinen Werts der nichtbörsenfähigen Aktien derselben Gesellschaft herangezogen wird.

Für den Streitfall gilt nichts anderes. Denn auch hier ist ein nicht unerheblicher Teil der Aktien zum Börsenhandel zugelassen. Der Senat stimmt der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung zu, daß der gemeine Wert der nicht an der Börse notierten Stammaktien nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG grundsätzlich vom Börsenkurs der börsenfähigen Vorzugsaktien abzuleiten ist. Denn weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG erfordern es, daß es sich um Verkäufe der zu bewertenden Anteile handelt; entscheidend ist vielmehr, daß es sich um Anteile derselben Gesellschaft handelt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

Aus der Verwendung des Wortes "ableiten" in § 11 Abs. 2 BewG folgt, daß der gemeine Wert der Gesellschaftsanteile nicht mit dem tatsächlich vorliegenden Kaufpreis übereinstimmen muß (s. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 11 BewG Anm. 43.3). Die Ableitung des gemeinen Werts der Stammaktien aus dem Börsenkurs der Vorzugsaktien bedeutet also nicht, daß der Kurswert der an der Börse gehandelten Vorzugsaktien unbesehen als "pauschaler" Verkaufspreis für die Wertfindung der nichtbörsenfähigen Stammaktien zugrunde gelegt werden kann. Liegen Umstände vor, die eine Änderung gebieten, so sind diese zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 III R 44/77, BFHE 128, 254, BStBl II 1979, 618). Auch das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der unterschiedlichen Ausstattung der Stammaktien gegenüber den Vorzugsaktien Rechnung zu tragen ist, denn der Kurswert ist nur der Ausgangswert für die Wertermittlung. Dies führt nach Maßgabe der einzelnen werterhöhenden oder wertmindernden Ausstattungsmerkmale zu einer Erhöhung oder Herabsetzung des Ausgangswertes, die durch entsprechende Zu- oder Abschläge zu bemessen ist.

Im Streitfall hat das FG zu Recht berücksichtigt, daß einerseits die an der Börse gehandelten Vorzugsaktien kein Stimmrecht gewähren und dadurch der Wert der Vorzugsaktien negativ beeinflußt wird, und daß andererseits die Stammaktien eine um 6 Prozentpunkte niedrigere Dividende gewähren als die Vorzugsaktien, was sich auf den Wert der Stammaktien negativ auswirkt. Die Höhe der diese Wertveränderungen ausgleichenden Zu- oder Abschläge kann im Rahmen der Wertfindung durch Ableitung aus Verkäufen nicht exakt ermittelt, sondern nur geschätzt werden. Das bedeutet, daß der Kurswert der Vorzugsaktie als Ausgangswert für die Ableitung des gemeinen Werts der Stammaktien einerseits wegen der Ausstattung mit Stimmrecht um einen (pauschalen) Zuschlag zu erhöhen ist, daß andererseits aber dem Nachteil der um 6 Prozentpunkte geringeren Dividende durch einen entsprechenden Abschlag Rechnung getragen werden muß.

Die Schlußfolgerung der Vorinstanz, wonach bei einem Vergleich der Stammaktien mit den Vorzugsaktien der Vorteil des durch die Stammaktie vermittelten Stimmrechts und der damit verbundenen Einflußnahme auf die Unternehmensentwicklung den Nachteil der niedrigeren Dividende überwiegt, begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken. Das FG hat damit weder gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze oder Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rz. 24, m. w. N.).

aa) Der Senat vermag nicht dem Argument der Klägerin zu folgen, daß sich im Streitfall das durch die Stammaktie vermittelte Stimmrecht nicht auf den Wert der Stammaktien auswirke, da erst ab einer gewissen Größenordnung mit dem Besitz von stimmberechtigten Stammaktien Einfluß auf das Unternehmen verbunden sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob Fälle denkbar sind, in denen dem Stimmrecht keinerlei werterhöhende Bedeutung beizumessen ist; dagegen spricht, daß in aller Regel der Kurswert der mit dem Stimmrecht verbundenen Aktien den Kurswert der stimmrechtslosen Aktien übersteigt (vgl. Binz/Sorg, BB 1987, 1996). Jedenfalls ist dann, wenn die Anteile - wie im Streitfall - so gestreut sind, daß kein Gesellschafter mit mehr als 5 v. H. am Grundkapital beteiligt ist, davon auszugehen, daß jede Stammaktie von Einfluß auf die Geschäftsführung sein kann. Dabei ist es, entgegen der Auffassung der Klägerin, unerheblich, ob und in welchem Umfang gezielte Aufkäufe möglich sind; denn für die Frage, ob das Stimmrecht Einfluß vermittelt, kommt es nicht darauf an, daß der Anteilseigner ohne Abstimmung mit anderen Anteilseignern seine Vorstellungen in der Gesellschafterversammlung durchzusetzen vermag. Würde man dies fordern, hätte das Stimmrecht nur bei einem Anteilsbesitz von mehr als 25 v. H., der eine sog. Sperrminorität vermittelt, einen Wert. Denn nach den Vorschriften des AktG kann eine ganze Reihe von Beschlüssen, die eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 75 v. H. des Grundkapitals erfordern (vgl. z. B. §§ 179 Abs. 2, 182 Abs. 1, 186 Abs. 3, 202 Abs. 2, 222 Abs. 1, 262 Abs. 1 Nr. 2, 293 Abs. 1 AktG), nur mit Zustimmung des über die Sperrminorität verfügenden Anteilseigners gefaßt werden.

bb) Auch soweit das FG mit dem angegriffenen Urteil mittelbar den vom FA wegen der geringeren Dividendenausstattung der Stammaktien gewährten Abschlag vom Kurswert der Vorzugsaktie bestätigt hat, wird die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Wie oben unter b) ausgeführt, läßt sich dieser Nachteil der Stammaktie gegenüber der Vorzugsaktie nur im Wege einer Schätzung ermitteln. Wenn hierzu der Abschlag für die unterschiedliche Dividendenausstattung in Anlehnung an Abschn. 79 VStR 1983 mit 65 v. H. des für einen übersehbaren Zeitraums von fünf Jahren (= 5 x 0,65 = 3,25), d. h. (aufgerundet) mit dem Vierfachen des zu erwartenden Dividendenunterschieds von 6 Prozentpunkten zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer (= 9,375) errechnet und dementsprechend ein Abschlag von aufgerundet 38 DM gewährt wurde, begegnet diese Schätzung revisionsrechtlich keinen Bedenken.

Soweit demgegenüber die Klägerin - in Anlehnung an das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 26. Januar 1989 II 402/86 - vorsorglich geltend macht, daß der Käufer einer Stammaktie im Nennbetrag von 50 DM unter Renditegesichtspunkten bei einem Vergleich mit der Dividende einer Vorzugsaktie angesichts der auf die Stammaktie gezahlten niedrigeren Dividende nur einen Kaufpreis von 234,50 DM gezahlt hätte, so vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Denn diese Argumentation verkennt, daß der Käufer Aktien nicht nur im Hinblick auf die zu erwartende Dividende, sondern auch unter Berücksichtigung des Vermögens der Gesellschaft sowie weitgehend in der Erwartung von Kurssteigerungen und damit möglicher Kursgewinne erwirbt.

Selbst wenn zugunsten der Klägerin der vom FG bestätigte Abschlag wegen der geringeren Dividendenerwartung der Stammaktie zur Abgeltung weiterer Unwägbarkeiten um einen (pauschal) geschätzten Betrag erhöht würde, so wäre diese Erhöhung zu saldieren mit dem ebenfalls nur pauschal zu schätzenden Zuschlag aufgrund des den Wert der Stammaktie erhöhenden Stimmrechts. Der Senat kann im Streitfall dahingestellt bleiben lassen, wie hoch dieser Zuschlag anzusetzen wäre und inwieweit der langjährige Durchschnittswert des Kursunterschieds zwischen den an der Börse gehandelten Stammaktien mit Stimmrecht und den stimmrechtslosen Vorzugsaktien von 10 v. H. (vgl. Binz/Sorg, a. a. O.) einen brauchbaren Rahmen für die Schätzung bildet. Denn im Streitfall hat das FA zugunsten der Klägerin davon abgesehen, wegen des durch die Stammaktie vermittelten Stimmrechts einen werterhöhenden Zuschlag vorzunehmen. Die Klägerin wird daher durch die vom FG bestätigte Ableitung des gemeinen Werts der Stammaktie nicht in ihren Rechten verletzt.

cc) Auch soweit die Klägerin geltend macht, daß es einem Stammaktionär aufgrund der Veräußerungsbeschränkungen des Aktienbindungsvertrags und des Vorerwerbsrechts der anderen Familienaktionäre zum Vermögensteuerkurswert nicht ohne weiteres möglich sei, den unter Renditegesichtspunkten ermittelten "theoretischen" Veräußerungspreis auch tatsächlich zu erzielen, so daß der mangelnden Fungibilität der Stammaktie durch einen pauschalen Abschlag von rd. 25 v. H. Rechnung getragen werden müsse, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn die vorgenannten Bindungen und Beschränkungen aufgrund des von den Aktionären aller Familienstämme geschlossenen Aktienbindungsvertrags beruhen auf den persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter und müssen deshalb gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG außer Betracht bleiben. Der Senat verweist zur Begründung insoweit auf die BFH-Entscheidungen vom 11. Juli 1967 III 21/64 (BFHE 89, 479, BStBl III 1967, 666) und vom 10. Dezember 1971 III R 43/70 (BFHE 104, 373, BStBl II 1972, 313). Er hält an dieser Rechtsprechung fest.

Im übrigen dienen die vereinbarten Veräußerungsbeschränkungen dem Schutz der Gesellschaft gegen das Eindringen fremder Kapitalanleger, die nicht einem der vom Unternehmensgründer ausgehenden Familienstämme angehören. Damit dienen die genannten Beschränkungen mittelbar auch den Interessen der Gesellschafter, die die Beschränkungen möglicherweise weder selbst vereinbart haben noch aufgrund ihrer Stimmrechte selbst beseitigen können (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1975 III R 4/73, BFHE 115, 58, BStBl II 1975, 374). Der Senat mißt daher den im Aktienbindungsvertrag vereinbarten Beschränkungen bezüglich der Veräußerung und der Vererbung von Stammaktien keine entscheidende Bedeutung bei.