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  BFH-Urteil vom 3.5.1994 (IX R 59/92) BStBl. 1994 II S. 749

Bei einer eigengenutzten, bisher einem Betriebsvermögen zugehörigen Wohnung, die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung als entnommen gilt und bei der der Entnahmegewinn außer Ansatz bleibt, sind, wenn die Wohnung anschließend zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingesetzt wird, die weiteren AfA nicht nach dem Teilwert der Wohnung im Zeitpunkt der Entnahme, sondern nach den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bemessen.

EStG § 7 Abs. 4, § 52 Abs. 15.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Zum 31. Dezember 1986 hat der Kläger die eigengenutzte, zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörende Wohnung (Wohnhaus) gemäß § 52 Abs. 15 Sätze 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Wohneigentumsförderungsgesetzes vom 15. Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) erfolgsneutral aus dem Betriebsvermögen entnommen und im Streitjahr 1987 seit 15. Januar 1987 vermietet.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger u. a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für dieses Wohnhaus. Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabsetzungen für Abnutzung (AfA) von 5.000 DM war hierbei der Teilwert des Wohnhauses zum Zeitpunkt der Entnahme (31. Dezember 1986), den die Kläger mit 250.000 DM ermittelt hatten (2 v. H. von 250.000 DM = 5.000 DM). Demgegenüber ermittelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Gebäude-AfA im Einkommensteuerbescheid 1987 auf der Grundlage der ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten mit - in der Höhe unstreitig - 1.398 DM.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es meinte, bei einer Überführung (Entnahme) einer Wohnung aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen sei die Wohnung mit dem Teilwert anzusetzen. Werde die Wohnung anschließend zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet, stelle der Teilwert der Wohnung zum Zeitpunkt der Entnahme fiktive Anschaffungskosten dar und sei deshalb als Bemessungsgrundlage für die künftige Gebäude-AfA maßgeblich. Daß der Entnahmegewinn wegen § 52 Abs. 15 Satz 7 EStG steuerfrei sei, habe entgegen der in Abschn. 42 a Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR 1987) vertretenen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung keinen Einfluß auf die AfA-Bemessungsgrundlage nach dem Entnahmewert.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 6 Abs. 1 Nr. 5, § 7 Abs. 1 und § 52 Abs. 15 Satz 7 EStG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Unzutreffend ist die Rechtsansicht des FG, die AfA sei vom Teilwert des Wohnhauses im Zeitpunkt der Entnahme (31. Dezember 1986) und nicht von den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bemessen, weil die stillen Reserven des entnommenen Gebäudes wegen § 52 Abs. 15 Satz 7 EStG steuerlich nicht erfaßt werden.

1. Das EStG enthält keine ausdrückliche Regelung, wie die AfA bei einem Wirtschaftsgut zu bemessen sind, das nach einer Überführung vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG eingesetzt wird. Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit seinem Urteil vom 9. August 1983 VIII R 177/80 (BFHE 139, 187, 189, BStBl II 1983, 759) entschieden, daß nach der als anschaffungsähnlicher Vorgang zu beurteilenden Überführung eines Gebäudes aus einem Betriebsvermögen in das Privatvermögen der Entnahmewert oder der Aufgabewert Bemessungsgrundlage für die weiteren AfA hinsichtlich des künftig privat genutzten Gebäudes ist. Der Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) im Entnahmefall und der gemeine Wert (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG) im Fall der Betriebsaufgabe sind danach den Anschaffungskosten i. S. des § 7 Abs. 4 EStG gleichzusetzen. Teilwert bzw. gemeiner Wert bilden nach der genannten Entscheidung jedoch nur die maßgebliche Bemessungsgrundlage, wenn das Gebäude mit diesen Werten "steuerlich erfaßt wurde". Dabei geht der VIII. Senat davon aus, daß die Bemessungsgrundlage für die weitere AfA nicht höher sein kann als der Aufwand, der jemals für das überführte Wirtschaftsgut erwachsen ist.

Diesen Rechtsgrundsätzen haben sich sowohl der III. Senat im Urteil vom 2. Februar 1990 III R 173/86 (BFHE 159, 505, 512, BStBl II 1990, 497) als auch der X. Senat im Urteil vom 15. Dezember 1993 X R 158/90 (BFH/NV 1994, 476) angeschlossen. Nach Ansicht des X. Senats setzt der vom VIII. Senat gezogene Schluß indessen voraus, daß die stillen Reserven durch die Entnahme oder die Betriebsaufgabe tatsächlich aufgedeckt und - bis zur Höhe des Teil- bzw. gemeinen Werts - steuerlich erfaßt sind oder noch erfaßt werden können. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.

2. Der Teilwert einer bisher einem Betriebsvermögen (hier land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen) zugehörigen eigengenutzten Wohnung bildet auch dann nicht die Bemessungsgrundlage für die weiteren AfA, wenn kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in § 52 Abs. 15 EStG die Wohnung als entnommen gilt und der Entnahmegewinn außer Ansatz bleibt (ebenso Jaser/Wacker, Die neue Eigenheimbesteuerung, 7. Aufl., S. 487; Stuhrmann, Finanz-Rundschau - FR - 1988, 18; Schmidt-Liebig, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1992, 1745, 1748; a. A. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 10 e Anm. 3 h mm; Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 469; Obermeier, Das selbstgenutzte Wohneigentum, 3. Aufl., Rdnr. 406; Meyer-Sievers, DStR 1986, 819; Zeitler, Betriebs-Berater - BB - 1987, 238). Entscheidend ist hierbei, daß die stillen Reserven auch in einem solchen Fall nicht - wie erforderlich - steuerlich erfaßt werden und dem Steuerpflichtigen insoweit kein Aufwand für das aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführte Wirtschaftsgut erwachsen ist. Mit der Regelung des § 52 Abs. 15 Satz 7 EStG sollte zudem lediglich die Steuerfreiheit des Entnahmegewinns begründet, nicht aber noch eine darüber hinausgehende steuerliche Begünstigung geschaffen werden (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks 10/5208, S. 37, 41).

3. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Entscheidung des XI. Senats (Urteil vom 29. April 1992 IX R 5/90, BFHE 168, 161, BStBl II 1992, 969) ab. Der XI. Senat hatte es in dieser Entscheidung für möglich erachtet, daß der Steuerpflichtige bei späteren Einkommensteuerveranlagungen geltend machen kann, bei der Ermittlung des Entnahme- oder Aufgabegewinns sei ein zu niedriger Gebäudewert zugrunde gelegt worden.

Der erkennende Senat kann unentschieden lassen, ob er der Auffassung des XI. Senats folgen könnte. Sie berührt nicht den Streitfall. Sie betrifft allein die Frage, ob die fehlerhafte Bewertung eines Aufgabewertes für AfA-Zwecke in einem späteren Besteuerungszeitraum korrigiert werden darf. Im Streitfall geht es jedoch darum, ob für die AfA ein "Entnahmewert" auch dann zu berücksichtigen ist, wenn der Entnahmegewinn steuerlich nicht zu erfassen ist. Der Streitfall unterscheidet sich von dem Fall des XI. Senats auch darin, daß hier aufgrund einer gesetzlichen Regelung der Entnahmegewinn steuerlich nicht zu erfassen ist (§ 52 Abs. 15 Satz 7 EStG), während im Fall des XI. Senats nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht ausgeschlossen werden kann, daß im Zeitpunkt der Geltendmachung der angehobenen AfA (für 1984) noch eine Änderung der Veranlagung des Betriebsaufgabejahres (1981) in Betracht kam (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 476).