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  BFH-Urteil vom 4.5.1994 (XI R 67/93) BStBl. 1994 II S. 829

Erwirbt die Ehefrau eines nichtselbständig tätigen Speditionskaufmanns ein Kfz und vermietet sie dieses an den Ehemann, steht ihr wegen Mißbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten kein Vorsteuerabzug zu, wenn sie die Anschaffungskosten sowie die laufenden Aufwendungen für das Kfz ggf. für den Kapitaldienst nicht aus der Miete und sonstigen Einkünften oder aus eigenem Vermögen decken kann und deshalb auf zusätzliche Zuwendungen ihres Ehemannes angewiesen ist.

AO 1977 § 42; UStG 1980 § 15 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Oktober 1986 einen PKW (Mercedes Benz), den sie vom 1. November 1986 an an ihren Ehemann, einen Speditionskaufmann im Angestelltenverhältnis, vermietete. Als Entgelt hierfür hatte der Ehemann pro gefahrenen Kilometer 0,54 DM an die Klägerin zu zahlen. Außerdem war er verpflichtet, kleinere Reparaturen und Pflegedienste bis zu 100 DM zu tragen. Für die übrigen Kosten des Fahrzeuges einschließlich diejenigen für Benzin mußte die Klägerin aufkommen. Sie unterwarf die Vermietungsumsätze - in den Jahren 1987 und 1988 unter Inanspruchnahme des Steuerabzugsbetrages nach § 19 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 - der Umsatzsteuer und begehrte den Abzug der Vorsteuern aus der Anschaffung des Fahrzeuges. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Vorsteuerabzug und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre wegen zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) nahm Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten an, weil der Ehemann der Klägerin als Nichtunternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre.

Ihre dagegen gerichtete Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 1986 bis 1988 dahin zu ändern, daß die Vorsteuern aus den Anschaffungskosten des PKW und den laufenden Kosten zum Abzug zugelassen werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht Feststellungen darüber unterlassen, ob die Klägerin über genügend eigene Mittel verfügte, um die Anschaffung und die laufende Unterhaltung des Fahrzeugs zu finanzieren.

1. Ein Unternehmer kann die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980). Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen. Sie war Unternehmerin i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980. Die auf unbestimmte Zeit vereinbarte und tatsächlich durchgeführte entgeltliche Vermietung des Kfz war eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (vgl. auch Senatsurteile vom 16. März 1993 XI R 52/90, BFHE 171, 117, BStBl II 1993, 562; vom 28. Juli 1993 XI R 105/90, BFH/NV 1994, 205; Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1994, 197).

2. Ob dem Vorsteuerabzug § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) entgegensteht, läßt sich nach den Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen.

a) Nach dieser Vorschrift kann durch Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

b) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat es in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 10. September 1992 V R 104/91, BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253; vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210; vom 28. Januar 1993 V R 46/90, BFH/NV 1994, 62, und vom 10. Dezember 1992 V R 90/92, BFH/NV 1994, 200; in UR 1994, 197) als unangemessene Gestaltung des Rechts angesehen, wenn ein Unternehmer, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seinem Ehegatten zur Verfügung stellt, damit dieser den Gegenstand erwirbt, um ihn an den Unternehmer-Ehegatten zu vermieten. Der Vermieter-Ehegatte wird unter diesen Umständen gewissermaßen "vorgeschaltet", um unter Vermeidung eigener Anschaffung das wirtschaftliche Ergebnis aus den Leistungsbezügen zu erzielen, indem der Mieter-Ehegatte die Aufwendungen wirtschaftlich so trägt, als hätte er den fraglichen Gegenstand angeschafft. Eine derartige "Vorschaltung" liegt danach vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Erhaltung des vermieteten Gegenstandes nicht aus der Miete und aus sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. von Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß. Anders soll es sich verhalten, wenn der Mieter-Ehegatte dem Vermieter-Ehegatten beim Erwerb des Grundstücks oder bei Errichtung des Gebäudes finanzielle Mittel in ausreichender Höhe überläßt (z. B. durch Schenkung), die dem Vermieter-Ehegatten die Lastentragung aus eigener wirtschaftlicher Kraft ermöglicht. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an; auf die vorbezeichneten Urteile ist zur Vermeidung von Wiederholungen zu verweisen.

c) Im Streitfall besteht die Besonderheit, daß es sich bei dem Mieter-Ehegatten - anders als in den genannten Urteilsfällen - um einen nichtselbständig tätigen Arbeitnehmer handelt und nicht um einen Unternehmer. Diesem Unterschied ist jedoch keine für den Vorsteuerabzug ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Denn auch in den genannten Urteilsfällen des BFH schloß der Unternehmer-Ehegatte mit seinem Ehegatten einen Mietvertrag und führte diesen Vertrag durch, weil er aufgrund der von ihm ausgeübten umsatzsteuerbefreiten Tätigkeit (als Arzt) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980). Hier wie dort konnte also allein die gewählte rechtliche Gestaltung über die "Vorschaltung" des Ehegatten den Vorsteuerabzug ermöglichen. Für die Anwendung des § 42 AO 1977 kommt es insoweit allein darauf an, ob eine derartige Gestaltung an dem Gesetzeszweck vorbeizielt und ob diese Gestaltung dem wirtschaftlichen Sachverhalt entspricht. Dies ist verneint worden, wenn der Mieter-Ehegatte dem Vermieter-Ehegatten die zur Anschaffung oder Herstellung bzw. zum Unterhalt des vermieteten Gegenstandes erforderlichen Mittel überläßt, um dadurch den im Gesetz angelegten Ausschluß vom Vorsteuerabzug zu umgehen. Ob ein solcher Fall vorliegt, hängt aber regelmäßig nicht davon ab, aus welchen Gründen der Mieter-Ehegatte vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Indem es den Vorsteuerabzug versagt, behandelt das Gesetz den Unternehmer, der lediglich steuerfreie Umsätze ausführt, dem Endverbraucher, der kein Unternehmer ist, gleich. Daß dieser Gleichbehandlung unterschiedliche gesetzgeberische Erwägungen zugrunde liegen (vgl. BTDrucks IV/1590, S. 26, unter A VI 3 b), ist für die Frage des Gestaltungsmißbrauchs ohne Bedeutung.

3. Hiervon ausgehend ist entscheidend, ob die Klägerin über genügend eigene Mittel verfügte, um die Anschaffung und die laufende Unterhaltung des Fahrzeuges zu finanzieren. Dies wird von der Klägerin behauptet. Das FG hat jedoch - von seinem Standpunkt aus zu Recht - hierzu keine Feststellungen getroffen. Die erforderlichen Feststellungen sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Das FG wird dabei auch der Frage nachzugehen haben, ob das Fahrzeug tatsächlich i. S. des § 15 UStG 1980 für das Unternehmen der Klägerin geliefert worden ist. Wäre die Leistung nach dem Gesamtbild der Vertragsdurchführung wirtschaftlich dem Ehemann gegenüber erbracht worden, käme ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 26. April 1979 V R 46/72, BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530; Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 15 Rdnr. 29). Daß die Klägerin ggf. die Kosten für die Anschaffung des Fahrzeuges übernommen oder sich hieran beteiligt hat, muß dem nicht entgegenstehen (vgl. auch BFH-Urteile vom 29. Januar 1987 V R 112/77, BFHE/NV 1987, 472, und vom 24. März 1987 X R 27/81, BFH/NV 1987, 473).

Für den Fall, daß die vom FG zu treffenden Feststellungen ergeben sollten, daß das Mietverhältnis umsatzsteuerrechtlich zu berücksichtigen ist, ist ferner zu prüfen, ob die Miete niedriger ist als die sog. Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980).