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  BFH-Beschluß vom 4.8.1994 (III B 190/90) BStBl. 1994 II S. 900

Die Frage, ob der Kinderlastenausgleich (bestehend aus den steuerlichen Kinderfreibeträgen und dem Kindergeld) für Eltern mit zwei Kindern im Jahre 1986 verfassungsgemäß war, ist durch das BFH-Urteil vom 14. Januar 1994 III R 194/90 (BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429), das die Verfassungsmäßigkeit bejaht hat, hinreichend geklärt. Weiterer Klärungsbedarf in dem Sinne, daß die Frage nach wie vor grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hätte, ist auch durch den Beschluß des BVerfG vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88 (BStBl II 1994, 909) nicht entstanden.

EStG i. d. F. des StSenkG 1986/1988 § 32 Abs. 6; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Mutter zweier in den Jahren 1962 und 1966 geborener Söhne. Der jüngere Sohn bezog im Streitjahr (1986) einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 5.133 DM.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) veranlagte die Klägerin für das Streitjahr mit einem zu versteuernden Einkommen von 30.211 DM nach der Grundtabelle; es ergab sich eine festzusetzende Einkommensteuer von 6.437 DM.

Mit der - nach erfolglosem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 1986 erhobenen - Klage machte die Klägerin in erster Linie geltend, der Einkommensteuerbescheid sei unwirksam bekanntgegeben worden. Die Adressierung mit ihrem, der Klägerin, Namen "z. Hden Herrn" (Name des Bevollmächtigten) führe zu einer ungewissen Empfängerbezeichnung. Weiter vertrat die Klägerin die Auffassung, der Grundfreibetrag und die Kinderfreibeträge für ihre beiden Söhne seien verfassungswidrig niedrig.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt die Klägerin auf die gleichen Streitpunkte, wegen derer sie die Klage erhoben hatte. Sie ist der Auffassung, es handele sich insoweit um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Beschwerde ist unbegründet.

Ob eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde. Dabei ist unerheblich, ob die Beschwerde im Zeitpunkt ihrer Einlegung möglicherweise begründet war (s. z. B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 68).

Im gegenwärtigen Zeitpunkt hat jedenfalls keine der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen mehr grundsätzliche Bedeutung.

a) Die Wirksamkeit der Bekanntgabe eines Steuerbescheides, der im Anschriftenfeld den Namen des Steuerpflichtigen und den Zusatz "z. Hden Herrn" (Name des Bevollmächtigten) enthält, an eben diesen Bevollmächtigten ist spätestens seit dem Urteil des Senats vom 9. August 1991 III R 169/90 (BFH/NV 1992, 433) außer Streit (s. auch den Senatsbeschluß vom 8. Mai 1992 III B 123/92, BFH/NV 1993, 244, Nr. 2 g der Entscheidungsgründe).

b) Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (1986) zu berücksichtigenden Grundfreibetrages ist durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. September 1992 2 BvL 5/91 u. a. (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) geklärt worden (s. auch den Senatsbeschluß vom 18. März 1994 III B 543/90, BFHE 173, 506, BStBl II 1994, 473, Abschn. II Nr. 2 a der Entscheidungsgründe).

c) Zur Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs für Eltern mit zwei Kindern im Streitjahr 1986 hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 14. Januar 1994 III R 194/90 (BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429) - in einem Hauptsacheverfahren - grundlegend geäußert. Er hat die maßgebende Vorschrift des § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) 1986/1988 für Fälle wie den vorliegenden als gerade noch verfassungsgemäß angesehen.

Weiteren Klärungsbedarf sieht der Senat (auch) insoweit nicht. Einen solchen hat weder die Klägerin geltend gemacht noch ergibt er sich aus dem Beschluß des BVerfG vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88 (Deutsches Steuerrecht - DStR - 1994, 1222), nach dem der Kinderlastenausgleich für Eltern mit drei und mehr Kindern in den Jahren 1986 und 1987 verfassungsgemäß war.

aa) Das BVerfG ist in diesem Beschluß zwar insbesondere von einer teilweise anderen Methode zur Ermittlung der Gesamtleistungen der Sozialhilfe (= Existenzminimum eines Kindes) ausgegangen als der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429; es hat auf diese Weise im hier maßgebenden Jahr 1986 für zwei Kinder einen um 1.418 DM höheren Betrag zugrunde gelegt als der erkennende Senat.

Das BVerfG hat jedoch in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß sich der Betrag des zur Deckung des Existenzminimums (eines Kindes) objektiv erforderlichen Aufwandes nicht strikt mit dem Ergebnis einer Berechnung des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs nach einer bestimmten Methode gleichsetzen lasse. Es hat insoweit auch auf die Berechnungen des erkennenden Senats in dessen Vorlagebeschluß vom 16. Juli 1993 III R 206/90 (BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755) hingewiesen, der dort (seinerseits) Bezug genommen habe auf den Beschluß des BVerfG vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84 u. a. (BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653).

Daraus folgert der erkennende Senat, daß die von ihm angewendete Berechnungsmethode, die auch der Entscheidung in dem o. g. Urteil in BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429 zugrunde liegt, nach wie vor möglich und zulässig ist. Er hält an ihr fest, zumal sie in der grundlegenden Entscheidung des BVerfG zum Kinderlastenausgleich in BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 wurzelt.

Im übrigen konnte das BVerfG (in seinem nunmehrigen Beschluß) in den mit der steuerlichen Gesamtentlastung anzustellenden Vergleich (ungeachtet anderer Entscheidungen) höhere Gesamtleistungen der Sozialhilfe einstellen, ohne daß sich dies auf das Ergebnis (Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs) auswirkte. Gleiches gilt für den vom BVerfG (nunmehr) herangezogenen Umrechnungssteuersatz für das Kindergeld in Höhe von 45 v. H. - anstelle des Satzes von 40 v. H., mit dem der Senat in den o. g. Entscheidungen in BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755 und in BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429 gerechnet hat (vgl. hierzu Abschn. C II Nr. 1, Buchst. d, bb der Entscheidungsgründe des BVerfG-Beschlusses in DStR 1994, 1222).

bb) Andererseits hat das BVerfG dem Gesetzgeber in derselben Entscheidung - unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluß des erkennenden Senats in BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755 - bei den von ihm, dem BVerfG, als Existenzminimum (eines Kindes) angenommenen "Richtwerten" einen "Einschätzungsspielraum" von bis zu 15 v. H. eingeräumt.

Der erkennende Senat schließt daraus, daß das BVerfG auch die "Toleranzgrenze" billigen würde, die er im Urteil in BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429 dem Gesetzgeber im gleichen Umfang zugestanden hat.

cc) Ob das BVerfG in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es um die Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs für Eltern mit zwei Kindern im Jahre 1986 geht, die Grundauffassungen des Senats auch im übrigen (Methode zur Berechnung des Existenzminimums eines Kindes und Höhe des Umrechnungssteuersatzes für das Kindergeld) teilen würde, kann dem Beschluß vom 14. Juni 1994 nicht entnommen werden. Diese Frage läßt sich nach Auffassung des Senats nur im Wege einer Verfassungsbeschwerde gegen einen - in einem derartigen Fall - die Zulassung der Revision ablehnenden Beschluß klären.

Im Streitfall ist insoweit jedoch möglicherweise von Bedeutung, daß ein Sohn der Klägerin - nach Aktenlage - bereits eigene Einkünfte erzielt hatte. Er hatte nach den Angaben der Klägerin in ihrer Steuererklärung im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn von 5.133 DM bezogen. Dadurch war die Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber diesem Sohn vermindert und ihre steuerliche Leistungsfähigkeit entsprechend erhöht (s. hierzu auch das o. g. Senatsurteil in BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429, Abschnitt II letzter Absatz vor Nr. 5).

2. Im übrigen ergeht die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1325). Der Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entspricht hier jenem des Klageverfahrens, da die Klägerin ihr dortiges Begehren mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgt hat (s. auch Ruban in Gräber, a. a. O., Vor § 135 Anm. 30 "Nichtzulassungsbeschwerde"). Die Klägerin hat danach primär die Aufhebung des Steuerbescheides vom 17. Februar 1988 insgesamt begehrt (Rüge der Unwirksamkeit der Bescheidbekanntgabe). Streitwert ist mithin die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Steuer in Höhe von 6.437 DM.

4. Zur Besetzung der Richterbank im vorliegenden Verfahren weist der Senat - vorsorglich - auf folgendes hin:

Im Streitfall ist ein willkürliches Verhalten des Senatsvorsitzenden bei der Bestimmung von Berichterstatter und Mitberichterstatter mit der vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in zahlreichen anderen, vergleichbaren, Fällen befürchteten Folge, daß dadurch das Ergebnis im Sinne des Senatsvorsitzenden beeinflußt oder sogar bestimmt werden könnte, schon deshalb ausgeschlossen, weil die Bestimmung des Berichterstatters und des Mitberichterstatters noch durch den früheren Senatsvorsitzenden erfolgt ist; und zwar am 25. November 1993. Dieser ist mit Ablauf des 28. Februar 1994 aus dem Dienst ausgeschieden.

Danach ginge der Vorwurf der Manipulationsabsicht ins Leere, weil der damalige Senatsvorsitzende an der nunmehr getroffenen Entscheidung nicht mehr mitwirken konnte.