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  BFH-Urteil vom 22.10.1993 (IX R 62/92) BStBl. 1995 II S. 130

Hat der BFH die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen, ist er bei der Revisionsentscheidung im zweiten Rechtsgang nicht an die rechtliche Beurteilung in seinem ersten Revisionsurteil gebunden, wenn und soweit er seine bisherige Rechtsauffassung bei der gleichzeitigen Entscheidung über andere Revisionen, die dieselbe Rechtsfrage betreffen, aufgibt.

FGO § 126 Abs. 5; EStG § 21 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren im Streitjahr (1975) zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Ihnen gehörte damals ein Zweifamilienhaus, dessen Hauptwohnung sie selbst nutzten. An das Haus war eine Schwimmhalle mit Sauna angebaut.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte bei der Ermittlung des Nutzungswertes der selbstgenutzten Wohnung die nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BVO) ermittelte Kostenmiete in Höhe von 44.267 DM an. Den Nutzungswert des Schwimmbads berücksichtigte das FA unter Zugrundelegung der von den Klägern gewählten Methode für dessen Ermittlung mit jährlich 15.680 DM.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang statt. Auf die Revision des FA hob der erkennende Senat diese Entscheidung durch Urteil vom 21. Januar 1986 IX R 89/82 auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der Senat führte zur Begründung aus, dem Urteil des FG ließen sich keine hinreichenden Feststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage entnehmen, ob das Zweifamilienhaus der Kläger besonders gestaltet oder ausgestattet sei, so daß die erzielbare Miete dem höheren Gebrauchswert der Wohnung nicht gerecht werden könnte.

Im zweiten Rechtsgang gab das FG der Klage, mit der die Kläger den Ansatz der Marktmiete als Rohmietwert begehrt hatten, statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 21 Abs. 2, § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach seiner Auffassung ist die Kostenmiete anzusetzen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Vorentscheidung verletzt § 21 Abs. 2 EStG. Das FG hat den Ansatz der Kostenmiete zu Unrecht beanstandet.

a) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98) und IX R 33/91 (BFHE 174, 120) ausgeführt hat, ist der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Hause i. S. des § 21 Abs. 2 EStG anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn sich auf dem Grundstück eine Schwimmhalle befindet. Dies trifft im Streitfall zu.

b) Der Senat ist in seinem Urteil im ersten Rechtsgang allerdings davon ausgegangen, daß das Vorhandensein des Schwimmbads für sich genommen den Ansatz der Kostenmiete nicht rechtfertigt. Hieran ist der Senat im Hinblick auf die am selben Tag wie das vorliegende Urteil erlassenen (oben a) angeführten Entscheidungen nicht mehr gebunden.

aa) Gemäß § 126 Abs. 5 FGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) zugrunde zu legen. Auch der BFH ist bei seiner Revisionsentscheidung im zweiten Rechtsgang grundsätzlich an diese rechtliche Beurteilung gebunden (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS-OGB - vom 6. Februar 1973 GmS-OGB 1/72, BFHE 109, 206; BFH-Urteil vom 12. Dezember 1979 II R 127/74, BFHE 129, 404, BStBl II 1980, 218). Die Bindung des FG und des BFH gemäß § 126 Abs. 5 FGO entfällt jedoch, wenn der BFH seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung inzwischen geändert hat und erneut mit derselben Sache befaßt wird (Beschluß des GmS-OGB in BFHE 109, 206). Wie der GmS-OGB zur Begründung seiner Entscheidung, auf die die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hingewiesen worden sind, ausgeführt hat, genießt eine neue Rechtsprechung des Revisionsgerichts gegenüber seiner inzwischen aufgegebenen Rechtsprechung die höhere Autorität und wird nunmehr als zutreffende Auslegung des Rechts angesehen. Der Autorität höchstrichterlicher Rechtsprechung würde es geradezu widersprechen, wenn die Bindung an eine inzwischen aufgegebene höchstrichterliche Rechtsprechung weiterbestehen würde. Die Rechtsfortbildung muß zudem gegenüber der Bindung an die alte, inzwischen aufgegebene Rechtsauffassung das größere Gewicht haben. Der prozessuale Grundsatz der Bindung und der Selbstbindung muß hinter dem zurücktreten, was die Rechtsprechung nunmehr sachlich als rechtens erkannt hat. Es erscheint nicht vertretbar, das Urteil auf eine Rechtsauffassung zu stützen, die mit einer neuen, geläuterten oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht in Einklang steht.

bb) Aufgrund dieser Erwägungen entfällt die Bindungswirkung auch insoweit, als der BFH seine bisherige Rechtsauffassung bei der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere Revisionen, die dieselbe Rechtsfrage betreffen, aufgibt und die Rechtsprechung fortentwickelt. Auch in einem solchen Fall geht die nunmehr für zutreffend gehaltene Auslegung des Gesetzes der Bindungswirkung vor.

Im Streitfall kommt hinzu, daß es durch die Anwendung der fortentwickelten Rechtsprechung nicht zu einem endlosen Hin- und Herschieben der Sache zwischen den Instanzen kommt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Beschluß des GmS-OGB in BFHE 109, 206), sondern eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits möglich ist.

2. Auch die Höhe der vom FA angesetzten Kostenmiete ist nicht zu beanstanden. Die Kläger erheben hiergegen keine Einwendungen. Die Berechnung der Kostenmiete auf der Grundlage der II. BVO ist mit § 21 Abs. 2 EStG vereinbar (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 1993 IX R 33/91). Den Nutzungswert der Schwimmhalle hat das FA in Übereinstimmung mit der von den Klägern angewandten Methode ermittelt.