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  BFH-Urteil vom 30.11.1995 (V R 57/94) BStBl. 1996 II S. 206

1. Der für eine Lieferung geschuldete Steuerbetrag ist in dem Besteuerungszeitraum zu berichtigen, in dem die Vereinbarung über die Herabsetzung des Kaufpreises geschlossen worden ist.

2. Die Berichtigung wirkt unabhängig von einer Änderung des Steuerbetrages in der ursprünglichen Rechnung.

UStG 1980 § 14 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lieferte aufgrund eines Kaufvertrages vom 13. Dezember 1988 bzw. vom 30. Mai 1989 ein bebautes Grundstück zum Kaufpreis von 11.600.000 DM zuzüglich 14 v. H. Umsatzsteuer. Der Kaufpreis wurde bezahlt. Die Klägerin versteuerte die Lieferung 1989 in Höhe des bezeichneten Entgelts. Mit notariellem Vertrag vom 7. Dezember 1990, genehmigt am 27. Dezember 1990, vereinbarte die Klägerin mit dem Erwerber eine Kaufpreisminderung in Höhe von 2.200.000 DM "zuzüglich 14 v. H. Umsatzsteuer". Für die Rückzahlung war vereinbart worden:

- 400.000 DM binnen vier Wochen seit Rechtswirksamkeit des Vertrages,

- 15mal 120.000 DM in Raten, fällig jeweils zum 1. Dezember eines Kalenderjahres, erstmals zum 1. Dezember 1991, "jeweils zuzüglich Umsatzsteuer".

Die erste Teilrückzahlung in Höhe von 400.000 DM leistete die Klägerin im Januar 1991 und weitere Rückzahlungen in Höhe von jeweils 120.000 DM zum 1. Dezember 1991 und zum 1. Dezember 1992. Darüber hinaus stellte sie Sicherheit durch Bankbürgschaft in Höhe von 1 Mio DM und unterwarf sich in Höhe eines Betrages von 800.000 DM der sofortigen Zwangsvollstreckung.

Durch Änderungsbescheid vom 11. Juli 1992 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1990 erklärungsgemäß fest. Mit dem Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1990 begehrte die Klägerin erfolglos eine Minderung der festgesetzten Umsatzsteuer um 311.080 DM. Sie vertrat die Ansicht, die Bemessungsgrundlage für die bezeichnete Grundstückslieferung habe sich wegen der vereinbarten Kaufpreisminderung verringert.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit teilweise statt. Es setzte die Umsatzsteuer, die in dem zum Gegenstand des Verfahrens erklärten Umsatzsteueränderungsbescheid vom 24. März 1994 festgesetzt worden war, mit der Begründung herab, daß sich die Bemessungsgrundlage für die Grundstückslieferung im Streitjahr 1990 um - abgezinst - 1.628.883 DM geändert habe. Hierzu führte das FG u. a. aus, die Bemessungsgrundlage habe sich im Besteuerungszeitraum der Minderungsvereinbarung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 verringert, weil der Klägerin das Entgelt insoweit wirtschaftlich durch eine wirksame Rückzahlungsvereinbarung wieder entzogen worden sei. Die Änderung der Bemessungsgrundlage sei jedoch um den Wert der Kapitalüberlassung aufgrund der vereinbarten ratenweisen Rückzahlung des Kaufpreises zu mindern. Insoweit werde der Klägerin das Entgelt für die Grundstückslieferung aufgrund der Rückzahlungsvereinbarung vom 7./27. Dezember 1990 noch nicht wieder entzogen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980. Bei einer Besteuerung nach vereinbarten Entgelten bilde die Solleinnahme "nur zunächst" die Bemessungsgrundlage. Sei das Entgelt aber einmal insgesamt vereinnahmt, bleibe für eine Sollbesteuerung kein Raum. Die Änderung der Bemessungsgrundlage könne dann nicht mehr durch Vereinbarung, sondern nur durch tatsächliche Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts geändert werden.

Das FA beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht angenommen, daß sich das Entgelt für die Grundstückslieferung schon im Streitjahr 1990 verringert hat (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 UStG 1980). Ob sich die vereinbarte Entgeltsminderung im Streitjahr durch die ratenweise Erfüllung nur um den vom FG errechneten Betrag vermindert, ist für das Revisionsbegehren des FA nicht entscheidungserheblich. Die Klägerin schuldet den durch die Entgeltsminderung herabgesetzten Steuerbetrag auch nicht gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1980 aufgrund der noch nicht berichtigten Rechnung.

1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1980 geändert, so hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980). Die Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980).

a) Der Umsatz bei Lieferungen wird nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980). Maßgebend für die Höhe des Entgelts ist, was der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß um der Leistung willen aufwendet. Die Streichung des Wortes "vereinbarungsgemäß" in § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 durch Art. 6 Nr. 4 des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) änderte den Inhalt der Vorschrift nicht, sondern stellte nur ihren Sinn klar. Es ist geklärt worden, daß zum Entgelt nicht nur die vertraglich vereinbarte Gegenleistung (Solleinnahme), sondern auch die freiwillig gewährte und die kraft Gesetzes geschuldete Gegenleistung gehört (vgl. Begründung der Gesetzesänderung BTDrucks VI/2817 zu Art. 1 Nr. 7 des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Februar 1972 V R 118/71, BFHE 105, 79, BStBl II 1972, 405; Berkenheide, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1973, 129, 137).

Dem entspricht, daß die zunächst maßgebende vereinbarte Bemessungsgrundlage nachträglich mit umsatzsteuerlicher Wirkung verändert (erhöht oder ermäßigt) werden kann, und daß die Leistung des Unternehmers "letztendlich" nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert wird, die sich aufgrund der wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergibt (BFH-Urteil vom 9. August 1990 V R 134/85, BFHE 161, 252, BStBl II 1990, 1098; BFH-Beschluß vom 10. März 1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl II 1983, 389). Die Höhe des Entgelts wird nicht nur durch die ursprüngliche, sondern auch durch eine nachträglich geänderte Vereinbarung über die Gegenleistung bestimmt. Die Erfüllung der geänderten Vereinbarung über das Entgelt für eine Leistung ist erst beachtlich, wenn sie von dieser Vereinbarung abweicht. Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 ist die Berichtigung somit bereits im Besteuerungszeitraum der geänderten Vereinbarung über das Entgelt und nicht erst im Besteuerungszeitraum ihrer Erfüllung vorzunehmen. Wegen des in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG 1980 angestrebten Gleichgewichts von Steuerbetrag und in Anspruch genommenem Vorsteuerabzug ist in demselben Besteuerungszeitraum auch der abgezogene Vorsteuerbetrag zu berichtigen.

b) Im Streitfall hat sich die Bemessungsgrundlage für die Grundstückslieferung bereits im Jahre 1990 aufgrund der Rückzahlungsvereinbarung vom 7. und 27. Dezember 1990 über 2,2 Mio DM geändert. Sie beeinflußte die ursprüngliche Einigung über die Höhe des Kaufpreises für die Grundstückslieferung. Der Rechtsgrund für die Überlassung dieses Betrages war nicht mehr die Vereinbarung des Kaufpreises für die Grundstückslieferung, sondern die vereinbarte Stundung der Rückzahlungsbeträge. Damit hat die Klägerin den zurückzuzahlenden Betrag nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lieferung als Gegenleistung erhalten (vgl. dazu Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 23. November 1988 Rs. 230/87, Sammlung 1988, 6365, UR 1990, 307). Er kann nicht mehr Teil des Entgelts als Bemessungsgrundlage für die Grundstückslieferung bleiben. Die nachträgliche Vereinbarung über die Gegenleistung ändert somit den Umfang des Entgelts (Widmann in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., § 10 Rz. 9/6). Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn sie - wie im Streitfall - wirksam (notariell beurkundete Verminderung eines Kaufpreises für eine Grundstückslieferung) und ernsthaft (durch die dafür zu beachtenden späteren ersten Teilzahlungen, durch die Sicherheitsleistungen in Form von Bankbürgschaft und Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung) vereinbart worden ist. Das FG hat somit zu Recht dahin erkannt, daß die Klägerin wegen der Ermäßigung des Kaufpreises für die Grundstückslieferung den geschuldeten Steuerbetrag in dem Besteuerungszeitraum für 1990 berichtigen muß, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 UStG 1980).

2. Die Klägerin schuldet den wegen der Berichtigung der Bemessungsgrundlage verringerten Steuerbetrag nicht nach § 14 Abs. 2 UStG 1980. Es bleibt deshalb ohne Auswirkung, daß sie den Steuerbetrag in der ursprünglichen Rechnung über die Grundstückslieferung nach den Feststellungen des FG im Streitjahr noch nicht berichtigt hat.

a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 ist die Berichtigungspflicht von Steuerbetrag und Vorsteuerabzug bei einer Änderung der Bemessungsgrundlage nicht von der Berichtigung des abgerechneten Steuerbetrages abhängig. Auch der Zeitpunkt der Berichtigung wird in § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 unabhängig von der Berichtigung des ursprünglich gesondert ausgewiesenen Steuerbetrages bestimmt. Die nicht berichtigte ursprüngliche Rechnung weist nach einer Entgeltsminderung zwar einen zu hohen Steuerbetrag aus. Gleichwohl kann nicht angenommen werden, daß der für den Umsatz nach dem Gesetz im Fall einer Entgeltsminderung nicht mehr geschuldete Steuerbetrag nunmehr nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980 geschuldet wird. Weil der Gesetzgeber den Eintritt der Steuerminderung bei Entgeltsverringerung nicht erst bei einer Rechnungsberichtigung eintreten läßt, ist davon auszugehen, daß § 17 Abs. 1 UStG 1980 die Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980 insoweit verdrängt. Dementsprechend hat der Senat in dem Urteil vom 24. August 1995 V R 55/94 (BStBl II 1995, 808) zu § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1991 (Nichtausführung der vereinbarten Leistung) entschieden - allerdings ohne es ausdrücklich zu erwähnen -, daß der Vorsteuerabzug unabhängig von der Korrektur der Rechnung zu berichtigen ist.

b) Die Finanzbehörde kann die Auswirkungen, die sich bei einer Minderung des für den Umsatz geschuldeten Steuerbetrages für den verringerten Vorsteuerabzug ergeben, unabhängig von einer Rechnungsberichtigung mit den Mitteln des Verfahrensrechts durch Benachrichtigung des FA des Leistungsempfängers gewährleisten.

c) Der Senat weicht nicht von dem Urteil des XI. Senats vom 12. Oktober 1994 XI R 78/93 (BFHE 176, 152, BStBl II 1995, 33) ab. Danach sind die Voraussetzungen für den Anspruch des FA auf Berichtigung der Vorsteuer gegen den Leistungsempfänger gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 UStG 1980 erst erfüllt, wenn der Unternehmer den gesondert (zu hoch) ausgewiesenen Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt hat. Die Rechnungskorrektur bei ursprünglich zu hoch berechnetem Steuerbetrag begründet über § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 und § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 eine eigenständige Berichtigungsregelung. Im Streitfall ist dagegen der Steuerbetrag ursprünglich nicht zu hoch ausgewiesen worden.