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  BFH-Urteil vom 15.11.1995 (X R 59/95) BStBl. 1996 II S. 356

Aufwendungen für die Instandsetzung einer unentgeltlich erworbenen Wohnung sind - mangels Anschaffung oder Herstellung - weder im Rahmen der Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG noch als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 10 e Abs. 3 EStG) begünstigt.

EStG § 10e Abs. 1 bis 3.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1995, 566)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau wurden im Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Mutter des Klägers war Eigentümerin eines im Jahr 1958 erbauten Einfamilienhauses. Durch notariellen Vertrag vom 24. Juli 1990 übertrug die Mutter das Grundstück je zur Hälfte auf den Kläger und seine Ehefrau. Der Kläger erhielt seinen Miteigentumsanteil im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich, die Ehefrau hatte einen Kaufpreis von 210.000 DM für ihren Miteigentumsanteil zu zahlen.

Nach der Übertragung des Grundstücks renovierten der Kläger und seine Ehefrau das Gebäude für 106.135 DM. Noch im Streitjahr 1990 bezogen sie das Einfamilienhaus.

Die Ehefrau des Klägers beantragte in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1990 einen Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1990 in Höhe von 13.750 DM. In die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag bezog sie die Renovierungskosten für das Haus in voller Höhe als anschaffungsnahen Herstellungsaufwand ein.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Renovierungsaufwendungen nur zur Hälfte und gewährte einen Abzugsbetrag in Höhe von 11.097 DM. Der Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid 1990 war erfolglos.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Renovierungskosten seien Herstellungsaufwand, der auch für den unentgeltlich erworbenen Miteigentumsanteil als (nachträglicher) Herstellungsaufwand zu berücksichtigen sei.

Das Finanzgericht (FG) - dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 566 veröffentlicht ist - gab der Klage statt. Es führte aus: Die streitigen Instandsetzungskosten stellten nachträgliche Anschaffungskosten dar. Nach der - auch für das Steuerrecht geltenden - Definition des § 255 des Handelsgesetzbuchs (HGB) gehörten zu den Anschaffungskosten die Aufwendungen, die dazu dienten, das Gebäude erstmals für die Zwecke des Steuerpflichtigen herzurichten. Das Gebäude sei im Erwerbszeitpunkt instandsetzungsbedürftig gewesen. Die Aufwendungen seien daher nach § 10 e Abs. 3 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten begünstigt. Die Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten setze nicht voraus, daß das angeschaffte oder hergestellte Objekt nach § 10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG begünstigt sei. Anknüpfungspunkt für die Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG sei die Belastung des Steuerpflichtigen mit Herstellungs- oder Anschaffungskosten für ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Wohneigentum.

Es komme nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige das Objekt entgeltlich, teilentgeltlich oder unentgeltlich erworben habe. Entscheidend sei, daß er nach dem Eigentumsübergang eigene Aufwendungen auf das Objekt getätigt habe. Hierfür spreche auch der Wortlaut des § 10 e Abs. 3 Satz 2 EStG. Aus der Formulierung "Abzugsbeträge nach den Absätzen 1 und 2 hätte abziehen können" ergebe sich, daß für die Berücksichtigung von nachträglichen Herstellungs- oder Anschaffungskosten eine Abzugsberechtigung nach § 10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG nicht erforderlich sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 e Abs. 1 und Abs. 3 EStG. Es trägt vor, entgegen der Auffassung des FG enthalte § 10 e Abs. 3 EStG keinen selbständigen Begünstigungstatbestand. Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten seien nur dann begünstigt, wenn die Voraussetzungen des § 10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG vorlägen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die vom Kläger aufgewendeten Instandsetzungskosten sind nicht nach § 10 e Abs. 3 EStG als "nachträgliche Anschaffungskosten" seines Miteigentumsanteils begünstigt.

a) § 10 e Abs. 3 EStG enthält keinen selbständigen Begünstigungstatbestand. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann der Steuerpflichtige nachträgliche Herstellungs- oder Anschaffungskosten, die bis zum Ende des Abzugszeitraums entstehen, vom Jahr ihrer Entstehung an für die Veranlagungszeiträume, in denen er Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG hätte abziehen können, so behandeln, als wären sie zu Beginn des Abzugszeitraums entstanden.

Entgegen der Auffassung des FG kann aus der Formulierung in § 10 e Abs. 3 Satz 2 EStG "hätte abziehen können" nicht geschlossen werden, nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten seien auch zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige nicht zur Inanspruchnahme eines Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG berechtigt ist. Diese Formulierung trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, daß der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nicht im jeweiligen Jahr des Abzugszeitraums in Anspruch nehmen muß, sondern in späteren Jahren nachholen kann. Nachträgliche Herstellungs- oder Anschaffungskosten erhöhen lediglich ab dem Jahr ihrer Entstehung die Bemessungsgrundlage für eine dem Steuerpflichtigen zustehende Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG, soweit durch die bisherigen Herstellungs- oder Anschaffungskosten die Höchstbemessungsgrundlage noch nicht erreicht ist. Da die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten so behandelt werden, als seien sie zu Beginn des Abzugszeitraums entstanden, kann der Steuerpflichtige Abzugsbeträge für nachträgliche Aufwendungen unter den Voraussetzungen des § 10 e Abs. 3 Satz 1 EStG nachholen. Ohne die Berechtigung zur Inanspruchnahme eines Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG werden nachträgliche Herstellungs- oder Anschaffungskosten aber nicht berücksichtigt.

b) Erwirbt der Steuerpflichtige eine Wohnung oder einen Anteil daran unentgeltlich, steht ihm die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG mangels Anschaffung nicht zu (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Dezember 1991 X R 89/90, BFHE 166, 346, BStBl II 1992, 295). Für Aufwendungen nach dem unentgeltlichen Erwerb kann ein Abzugsbetrag nur gewährt werden, wenn sie für Herstellungskosten i. S. des § 10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG angefallen sind. Die Instandsetzung einer Wohnung ist aber weder als Herstellung einer Wohnung noch als Ausbau oder Erweiterung anzusehen. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen sind daher nicht nach § 10 e EStG begünstigt, und zwar unabhängig davon, ob die Aufwendungen dem Grunde nach als Erhaltungsaufwand, als Herstellungsaufwand oder - wie das FG meint - als nachträgliche Anschaffungskosten zu beurteilen sind.

2. Für die vom Kläger getragenen, auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden Instandsetzungsaufwendungen kann auch unter dem Gesichtspunkt anschaffungsnahen Herstellungsaufwands kein Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG gewährt werden. Aufwendungen, die im Falle eines entgeltlichen Erwerbs als anschaffungsnaher Herstellungsaufwand in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag miteinzubeziehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 23. September 1992 X R 10/92, BFHE 169, 331, BStBl II 1993, 338), sind bei unentgeltlichem Erwerb nicht selbständig begünstigt, da der Kläger weder eine Wohnung hergestellt noch angeschafft hat.

Der Senat läßt unerörtert, ob beim Erwerb durch Schenkung begrifflich anschaffungsnaher Herstellungsaufwand vorliegen kann. Das BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 5/93 (BFHE 178, 40) betrifft die Fallgestaltung des teilentgeltlichen Erwerbs.

3. Die Erwerbe der Miteigentumsanteile durch den Kläger und seine Ehefrau können auch nicht als gemeinsamer, teilentgeltlicher Erwerb eines Objekts angesehen werden.

a) Erwirbt der Steuerpflichtige einen Miteigentumsanteil an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung, kann er nur den entsprechenden Teil der Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 EStG wie Sonderausgaben abziehen (§ 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG). Hinsichtlich des Objektverbrauchs steht der Miteigentumsanteil an einer Wohnung einer Wohnung gleich (§ 10 e Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 EStG).

Sind Eheleute Miteigentümer einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung, gelten die jeweiligen Miteigentumsanteile nicht als selbständige Objekte im Sinne des Objektverbrauchs, sondern als ein Objekt. Ob die Voraussetzungen für einen Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG vorliegen, ist aber selbständig für jeden Miteigentumsanteil zu prüfen, und zwar auch im Falle der Zusammenveranlagung: Denn auch bei dieser Veranlagungsart werden die Ehegatten gemäß § 26 b EStG zunächst als zwei selbständige Steuersubjekte angesehen und erst von der Zusammenrechnung der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) an, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, als ein Steuerpflichtiger behandelt. Das gilt auch hinsichtlich der wie Sonderausgaben abziehbaren Beträge.

b) Im Streitfall liegt kein gemeinsamer teilentgeltlicher Erwerb der Wohnung durch die Ehegatten vor, sondern - wie im Vertrag festgelegt - ein unentgeltlicher Erwerb durch den Kläger und ein entgeltlicher Erwerb durch die Ehefrau des Klägers. Auf die Frage, ob bei einem teilentgeltlichen Erwerb die in zeitlicher Nähe mit der Anschaffung angefallenen Aufwendungen in vollem Umfang als anschaffungsnaher Herstellungsaufwand zu beurteilen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 178, 40), kommt es somit im Streitfall nicht an.

Das FA hat daher zu Recht nur die auf die Ehefrau entfallenden Instandsetzungsaufwendungen als anschaffungsnahen Herstellungsaufwand behandelt und in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG einbezogen. Die auf den Kläger entfallenden Instandsetzungsaufwendungen sind dagegen wegen des unentgeltlichen Erwerbs des Miteigentumsanteils nicht nach § 10 e Abs. 1 EStG begünstigt. Sie sind auch nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar, weil der Vorkostenabzug nur bei entgeltlichem Erwerb in Betracht kommt (BFH-Urteile vom 13. Januar 1993 X R 53/91, BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346; vom 15. Dezember 1993 X R 23/93, BFH/NV 1994, 707).