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  BFH-Urteil vom 28.2.1996 (XI R 42/94) BStBl. 1996 II S. 660

Führt eine Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der Steuer oder Steuererstattung, wird die dann nach § 168 Satz 2 AO 1977 erforderliche Zustimmung der Finanzbehörde erst mit Bekanntwerden an den Steuerpflichtigen wirksam. Damit endet der Zinslauf für Vergütungszinsen.

AO 1977 § 168 Satz 2 und 3, § 220 Abs. 2 Satz 2, § 233 a Abs. 2 Satz 3, § 355 Abs. 1; UStG 1980 § 18 Abs. 3.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1994, 771)

Sachverhalt

I.

1. Die Beteiligten streiten um den Zeitpunkt der Beendigung des Zinslaufs für Vergütungszinsen. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) gab im März 1991 ihre Umsatzsteuer-Erklärung für 1989 ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) teilte ihr darauf am 5. Juli 1991 schriftlich mit, daß er die Umsatzsteuer wie erklärt errechnet habe. Aufgrund der Vorauszahlungen ergab sich ein Guthaben der Klägerin von 3.902,15 DM. Gleichzeitig erging ein Zinsbescheid über die Erstattung von 39 DM Zinsen. Das FA ging dabei von einem Zinslauf vom 1. April bis 26. Juni 1991 (zwei volle Monate) aus.

2. Die Klage mit dem Antrag, die Vergütungszinsen auf der Grundlage eines Zinslaufs von drei vollen Monaten mit 59 DM festzusetzen, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, es könne offenbleiben, ob die Zustimmung des FA zu einer Steuervergütung gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) als solche einen Verwaltungsakt darstelle. Sie bedürfe auch keiner Form (§ 168 Satz 3 AO 1977). Dennoch entfalte sie, da sie notwendiger Bestandteil des Verwaltungsaktes der Steueranmeldung sei, Wirkungen erst, wenn sie dem Berechtigten bekanntgegeben oder sonst bekannt werde. Diese Bekanntgabe sei im Streitfall erst mit der Mitteilung des FA am 5. Juli 1991 erfolgt. Mithin habe der Zinslauf mehr als drei volle Monate betragen. Auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 771 veröffentlichte Urteil wird verwiesen.

3. Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 233 a Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 168 Satz 2 AO 1977. Der Gesetzgeber habe aus Gründen der Praktikabilität bestimmt, daß im Falle der Abgabe gesetzlich vorgeschriebener Steueranmeldungen eine Festsetzung der Steuer nicht erforderlich sei, wenn sie nicht zu einer abweichenden Steuer führe. Im Falle der Herabsetzung der Steuer oder einer Steuervergütung sei allerdings die Zustimmung des FA erforderlich. Diese bedürfe aber keiner Form, die Steuerfestsetzung sei daher nur an ein verwaltungsinternes Handeln geknüpft. Auch wenn man mit dem FG davon ausginge, daß die Zustimmung bekanntzugeben sei, würde dies nichts an dem gesetzlich bestimmten Tatbestandsmerkmal der Zustimmung ändern. Als Zustimmungsakt käme nur die Unterzeichnung der entsprechenden Verfügung durch den zuständigen Amtsträger in Betracht. Daneben komme der Mitteilung an den Steuerpflichtigen nur nachrichtliche Bedeutung zu. Da das Datum der Unterzeichnung der Verfügung im maschinellen Anmeldeverfahren nicht erfaßt werde, sei aus Vereinfachungsgründen auf den Tag der maschinellen Verarbeitung der Daten zurückzugreifen. An diesem Tage ende der Zinslauf für die Erstattungszinsen. Im Streitfall habe dieser Zeitpunkt vor dem 1. Juli 1991 gelegen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) vertritt die Auffassung, die Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO 1977 sei kein Verwaltungsakt. Dies sei vielmehr die Steueranmeldung selbst, wenn auch an die aufschiebende Bedingung der Zustimmung geknüpft. Die Zustimmung sei nicht auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet. Nur im Falle der Versagung der Zustimmung müsse die Behörde einen Verwaltungsakt erlassen. Adressat der Zustimmung sei nicht der Steuerpflichtige, sondern der innerhalb der Finanzbehörde mit der Abwicklung der Zahlung beauftragte Amtsträger. Auch die Unterscheidung zwischen Bekanntgabe und Bekanntwerden in § 355 Abs. 1 AO 1977 verdeutliche, daß die Zustimmung selbst keinen Verwaltungsakt darstelle.

Der interne Akt der Zustimmung sei ausweislich der Steuerakten bereits Ende Mai 1991 erfolgt. Die Praxis der Verwaltung, auf den Tag der maschinellen Verarbeitung abzustellen, diene der Vereinfachung und wirke sich zugunsten der Klägerin aus.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Zinslauf erst mit der Mitteilung der Zustimmung des FA an die Klägerin geendet hat.

1. Führt die Festsetzung von Umsatzsteuer zu einer Steuererstattung, ist diese gemäß § 233a Abs. 1 AO 1977 zu verzinsen.

Der Zinslauf beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und endet nach § 233a Abs. 2 Satz 3 AO 1977 in der bis 31. Dezember 1993 geltenden und daher für den Streitfall anzuwendenden Fassung (Art. 97 § 15 Abs. 5 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl I 1976, 3341 i. d. F. des Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts - StMBG - vom 21. Dezember 1993, BGBl I 1993, 2310) mit der Fälligkeit der Steuererstattung, spätestens vier Jahre nach seinem Beginn.

Im Streitfall begann der Zinslauf der Erstattung von Umsatzsteuer 1989, die mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums entsteht (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980), unstreitig am 1. April 1991. Er endete mit der Fälligkeit des Erstattungsanspruchs am 5. Juli 1991.

2. a) Das UStG 1980 sieht keine besondere Regelung über die Fälligkeit von Erstattungsansprüchen vor. Sie tritt daher gemäß § 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 erst mit der Bekanntgabe der Festsetzung ein. Ist eine Steuer wie im Streitfall aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen (§ 18 Abs. 3 UStG 1980) anzumelden und angemeldet, ist eine Festsetzung i. S. des § 155 AO 1977 indessen nicht erforderlich, wenn sie nicht zu einer abweichenden Steuer führt (§ 167 Abs. 1 AO 1977). Dann steht die Steueranmeldung einer Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO 1977). Führt die Steueranmeldung allerdings zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so "gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt" (§ 168 Satz 2 AO 1977). In diesem Fall hat die Steueranmeldung die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung daher erst, wenn die Zustimmung der Behörde vorliegt.

b) Nach Wortlaut und Inhalt dieser gesetzlichen Regelung liegt es nahe, davon auszugehen, daß der Zustimmung (i. V. m. der Steueranmeldung) die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes zukommt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Oktober 1990 V B 137/89, BFH/NV 1991, 633; Urteil des FG Köln vom 4. Oktober 1994 1 K 1964/93, EFG 1995, 603, nicht rechtskräftig; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 168 AO 1977 Anm. 2; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 168 AO 1977 Anm. 3; grundsätzlich wohl auch Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 168 AO 1977 Anm. 12; a. A. Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 168 Anm. 20). Dafür spricht auch die Bestimmung des § 348 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, wonach Steueranmeldungen anfechtbare Verwaltungsakte darstellen. Da der an die Behörde gerichtete Anmeldungsvorgang des Steuerpflichtigen als solcher kein Verwaltungsakt sein kann, kann der Steueranmeldung daher die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes nur durch ihre Anerkennung durch die Behörde, jedenfalls im Falle der Steuererstattung durch deren Zustimmung zukommen. Denn es ist, wie auch das FA ausführt, dem öffentlichen Recht fremd, daß Dritte ihrerseits durch einfache Erklärung gegenüber dem Staat diesen zu einer Geldleistung verpflichten können (vgl. auch Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 168 Nr. 3). Dazu bedarf es eines bestätigenden und die Behörde verpflichtenden Aktes. Damit stellt deren Zustimmung in Erstattungsfällen - wie die Vorentscheidung ausführt - zumindest einen notwendigen Bestandteil dar, der erforderlich ist, der Steueranmeldung die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt zu verleihen. Ihr kommt somit entgegen der Auffassung des BMF Außenwirkung zu (vgl. das BFH-Urteil vom 26. September 1989 VII R 22/86, BFH/NV 1990, 334).

c) Gemäß § 168 Satz 3 AO 1977 bedarf die Zustimmung allerdings keiner Form. Sie kann somit schriftlich, (fern-)mündlich oder in anderer Form, aber auch stillschweigend (etwa durch Auszahlung des Erstattungsbetrages) erfolgen (Tipke/Kruse, a. a. O.; Kühn/Kutter/Hofmann, a. a. O.). Es reicht aus, daß sie dem Adressaten zur Kenntnis gelangt; sie muß ihm bekanntwerden (vgl. auch den BFH-Beschluß in BFH/NV 1991, 633 "stillschweigend bekanntgegeben"; Koch/Scholtz, a. a. O.). Diese Besonderheit des Zustimmungsaktes ist auch der Regelung des § 355 Abs. 1 AO 1977 zu entnehmen, wonach die Rechtsmittelfrist in den Fällen des § 168 Satz 2 AO 1977 - abweichend vom grundsätzlichen Erfordernis der Bekanntgabe - mit dem Bekanntwerden der Zustimmung zu laufen beginnt. Der Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit der Steuerfestsetzung aufgrund der vom FA erteilten Zustimmung muß wiederum mit dem des Beginns der Rechtsmittelfrist übereinstimmen.

Führt eine Steueranmeldung daher wie im Streitfall zu einer Steuervergütung, wird die dann erforderliche Zustimmung des FA (erst) wirksam, wenn sie dem Adressaten bekannt wird. Für dieses Ergebnis spricht letztlich auch ein Vergleich mit der Zustimmung im Sinne des Zivilrechts (§ 182 des Bürgerlichen Gesetzbuches), die eine empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt.

d) Demgegenüber vermögen die Hinweise der Verwaltung auf die Erfordernisse der Praktikabilität nicht zu überzeugen. Es ist nicht zu erkennen, warum der vom FA vorgeschlagene Zeitpunkt der Unterzeichnung der Verfügung durch den zuständigen Amtsträger im Rahmen des Anmeldungsverfahrens praktikabler sein soll, zumal er nicht erfaßt wird und daher aus Vereinfachungsgründen durch den Tag der maschinellen Verarbeitung ersetzt werden soll. Jedenfalls sind die genannten Gründe der Praktikabilität nicht hinreichend, wegen der mit der Zustimmung verbundenen Folge einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung vom Erfordernis der Erkennbarkeit des zugrundeliegenden Zustimmungsaktes der Behörde für den Steuerpflichtigen abzugehen.

3. Im Streitfall ist der Klägerin die Zustimmung des FA zu ihrer Steueranmeldung nach den Feststellungen des FG erst mit der Mitteilung vom 5. Juli 1991 bekanntgeworden. Eine allgemeine Zustimmung entsprechend dem BMF-Schreiben vom 1. Oktober 1976 IV A 7 - S 0015 - 30/76 - Einführungserlaß zur AO 1977 (BStBl I 1976, 576, 609, Nr. 9) lag nicht vor. Damit trat die Fälligkeit des Erstattungsanspruchs mit der Folge des Endes des Zinslaufs erst an diesem Tage ein. Der Zinslauf betrug somit mehr als drei volle Monate (§ 238 Abs. 1 AO 1977).