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  BFH-Urteil vom 11.9.1996 (II R 15/93) BStBl. 1997 II S. 70

Der Erwerb einer Unterstützungskasse von Todes wegen ist nur insoweit von der Erbschaftsteuer befreit, als an dem für die Entstehung der Erbschaftsteuer maßgebenden Todestag des Erblassers keine Überdotierung des Vermögens eingetreten ist.

ErbStG 1974 § 13 Abs. 1 Nr. 13.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine rechtsfähige Unterstützungskasse i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist aufgrund letztwilliger Verfügung Alleinerbin nach der 1981 verstorbenen K geworden. Den Vermögensanfall hielt die Klägerin für erbschaftsteuerfrei, weil sie eine i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 13 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 i. V. m. § 3 des Vermögensteuergesetzes (VStG) steuerbefreite Unterstützungskasse sei. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht, weil infolge des Erwerbs von Todes wegen bei der Klägerin eine steuerschädliche Überdotierung des Kassenvermögens eingetreten sei. Ausgehend von einem Erwerb von 6.123.263 DM, einem zulässigen Kassenvermögen zum 2. April 1981 von 4.499.881 DM und einem tatsächlichen Kassenvermögen zum 2. April 1981 - unter Einbeziehung des Erbanfalls - von 9.586.593 DM errechnete das FA eine Überdotierung von 5.086.712 DM. Entsprechend der sich - bezogen auf das zulässige Kassenvermögen zum 2. April 1981 - ergebenden Überdotierung von 53,06 v. H. errechnete das FA den steuerpflichtigen Erwerb der Klägerin mit 53,06 v. H. aus 6.123.263 DM, das sind 3.249.003 DM, und setzte unter Berücksichtigung des Freibetrages von 3.000 DM die Erbschaftsteuer durch Bescheid vom 19. September 1985 auf 1.752.840 DM fest.

Den Einwand der Klägerin, die Überdotierung sei im Lauf des Jahres 1981 abgebaut worden, hielt das FA wegen des für das Erbschaftsteuerrecht geltenden Stichtagsprinzips für unbeachtlich. Auf die Verhältnisse am Ende des Geschäftsjahres komme es nicht an.

Mit Beschluß der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 22. Dezember 1981 war der Kreis der Leistungsberechtigten so erweitert worden, daß die Überdotierung auf 2.704.272 DM zurückgeführt wurde; dieser Betrag wurde aufgrund eines am 7. Dezember 1981 geschlossenen Vertrages zum Jahresende 1981 auf das Trägerunternehmen übertragen.

Nach erfolglosem Einspruch (Entscheidung vom 4. November 1988) hob das Finanzgericht (FG) auf die Klage der Klägerin den Erbschaftsteuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung auf. Die Klägerin, die im Jahr 1980 von der Körperschaftsteuer und infolgedessen zum 1. Januar 1981 von der Vermögensteuer befreit gewesen sei, habe den Eintritt der partiellen Körperschaftsteuerpflicht für 1981 und der hieran anknüpfenden partiellen Vermögensteuerpflicht zu Beginn des Kalenderjahres 1982 in zulässiger Weise dadurch vermieden, daß sie die mit dem Erbfall entstandene Überdotierung ihres Kassenvermögens durch Erweiterung des Kreises ihrer Leistungsberechtigten und durch teilweise Vermögensübertragung auf das Trägerunternehmen bis zum 31. Dezember 1981 wieder beseitigt habe. Da die Klägerin somit im Jahr der Zuwendung und in den Folgejahren nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 VStG von der Vermögensteuer befreit gewesen sei, falle auch wegen des streitigen Erwerbs keine Erbschaftsteuer an. Das Urteil des FG ist in Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1993, 97, und in Der Betrieb 1993, 1011 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 13 Abs. 1 Nr. 13 ErbStG 1974. Aufgrund des Erbanfalls habe im Zeitpunkt des Erbfalls und bis zum Ende des Jahres 1981 eine Überdotierung der Unterstützungskasse bestanden. Diese habe zwar körperschaftsteuerrechtlich und vermögensteuerrechtlich wirksam abgebaut werden können, dies habe jedoch wegen der für die Erbschaftsteuer maßgebenden Verhältnisse am Todestag des Erblassers keine Auswirkungen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Die Vorentscheidung ist wegen Verletzung von § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1, erster Halbsatz ErbStG 1974 aufzuheben. Die das Urteil des FG tragende Begründung, die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 ErbStG 1974 sei auf den Erwerb der Klägerin deshalb anzuwenden, weil diese im Jahr des Erwerbs und in den Folgejahren nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 VStG von der Vermögensteuer befreit gewesen sei, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Denn entscheidend ist nicht, ob die Klägerin nach den Verhältnissen an den für die Vermögensteuer maßgebenden Stichtagen für das Kalenderjahr, in dem der Erwerb von Todes wegen angefallen ist, und in den nachfolgenden Jahren von der Vermögensteuer befreit war. Maßgebend ist vielmehr, ob die Voraussetzungen, unter denen die Befreiung von der Vermögensteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 VStG eintritt, an dem für die Entstehung der Erbschaftsteuer maßgebenden Stichtag, das ist im Streitfall nach § 9 Abs. 1 Nr. 1, erster Halbsatz ErbStG 1974 der Todestag der Erblasserin, vorgelegen haben.

a) Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Steuer mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, erster Halbsatz ErbStG 1974). Nach den Verhältnissen in diesem Zeitpunkt richtet sich der Steueranspruch (§ 38 der Abgabenordnung - AO 1977 -); das gilt nicht nur für die den Steueranspruch begründenden Tatbestandsmerkmale, sondern auch für die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung. Entgegen dem Verständnis des FG und der Klägerin ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 ErbStG 1974 nichts anderes. Diese Vorschrift verweist für die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach dem Erbschaftsteuergesetz auf § 3 VStG; dort wird - in § 3 Abs. 1 Nr. 5 VStG - wiederum auf das Körperschaftsteuerrecht verwiesen. Bereits die Verweisung auf § 3 VStG würde es - für sich genommen - nicht rechtfertigen, die Befreiung von der Erbschaftsteuer davon abhängig zu machen, ob die Unterstützungskasse in dem Kalenderjahr, in das der Erwerb fällt (und in den folgenden Jahren), von der Vermögensteuer befreit ist. Die Verweisung des Erbschaftsteuergesetzes ist auf § 3 VStG und damit - zunächst - auf den Tatbestand dieser Vorschrift beschränkt. Da sich die Vermögensteuerpflicht bzw. die Befreiung von der Vermögensteuer nach den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres richtet und die Steuer zu diesem Zeitpunkt entsteht (§ 5 VStG), hätte es der Einbeziehung dieser Vorschrift in die Verweisung des § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 ErbStG oder sonst einer Erwähnung der Steuerbefreiung bedurft, um zu dem vom FG vertretenen Ergebnis zu gelangen. Noch deutlicher rechtfertigt § 3 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VStG die Auffassung des erkennenden Senats, denn nach dieser Vorschrift sind Unterstützungskassen von der Vermögensteuer - und unter diesen Voraussetzungen auch von der Erbschaftsteuer - befreit, "soweit sie die für eine Befreiung von der Körperschaftsteuer erforderlichen Voraussetzungen erfüllen". § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 ErbStG 1974 verweist damit über § 3 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VStG lediglich auf bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerbefreiung und stellt nicht darauf ab, ob Steuerbefreiung nach dem Vermögensteuer- bzw. nach dem Körperschaftsteuergesetz besteht.

Diese Beschränkung der in § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 ErbStG 1974 angeordneten Verweisung auf die Tatbestandsvoraussetzungen der in Bezug genommenen Rechtsnormen steht in Einklang damit, daß für die Besteuerung nach dem ErbStG die Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin maßgebend sind. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß für die Anwendung der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 ErbStG 1974 hiervon abzuweichen sei.

b) Ob die für die Befreiung von der Erbschaftsteuer maßgebenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VStG im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin erfüllt waren, hängt nach der - weiteren - Verweisung dieser Vorschrift davon ab, ob die Klägerin als Unterstützungskasse i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG die für eine Befreiung von der Körperschaftsteuer erforderlichen Voraussetzungen erfüllt hat. § 3 Abs. 1 Nr. 5 VStG verweist damit insbesondere auf § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG und innerhalb dieser Vorschrift u. a. auf die unter Buchst. c genannte Voraussetzung für die Befreiung von der Körperschaftsteuer, die nur dann gegeben ist, wenn vorbehaltlich des § 6 KStG die ausschließliche und unmittelbare Verwendung des Vermögens ... der Kasse nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung für die Zwecke der Kasse dauernd gesichert ist.

Diese Voraussetzung war nach den Feststellungen des FG im Streitfall bis zu dem durch den Erbfall ausgelösten Vermögensanfall erfüllt, infolge des Vermögensanfalls jedoch nicht mehr, soweit das Vermögen der Klägerin nunmehr höher war als das zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Verpflichtungen erforderliche Vermögen.

Das FA hat der Steuerfestsetzung die Verhältnisse zugrunde gelegt, die infolge des Erbanfalls eingetreten waren. Hierin hat das FG eine Verletzung des Stichtagsprinzips gesehen, denn danach komme es nur auf die Verhältnisse am Todestag des Erblassers und nicht auf die erst durch den Erbfall ausgelösten Verhältnisse an. Dem ist nicht zu folgen. Da sowohl der Vermögensübergang auf den Erben gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches als auch die Entstehung der Steuer beim Erben (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) mit dem Tod des Erblassers, also im nämlichen Zeitpunkt eintritt, richtet sich auch die Frage der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 13 ErbStG 1974, die über § 3 Abs. 1 Nr. 5 VStG, § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG auf die Höhe des Vermögens des Steuerpflichtigen abstellt, nach den Verhältnissen in diesem Zeitpunkt, d. h. unter Berücksichtigung des Vermögensanfalls. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem insbesondere in § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b und c KStG zum Ausdruck kommenden Zweck der Befreiungsvorschrift, Unterstützungskassen nur soweit zu fördern, als ihr Vermögen und ihr Einkommen entsprechend ihrem sozialen Charakter (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Juli 1990 I R 22-23/87, BFHE 161, 379, BStBl II 1990, 1088) nur dem begünstigten Personenkreis zugute kommen, nicht vereinbar. Denn der Grundsatz der ausschließlichen und unmittelbaren Verwendung des Vermögens einer Unterstützungskasse für ihre Zwecke gilt nach § 6 Abs. 6 KStG nicht, soweit sie überdotiert ist, d. h. soweit ihr Vermögen - wie im Streitfall - die nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KStG zulässigen Werte übersteigt. Dies gilt nach § 6 Abs. 6 Satz 2 KStG für Unterstützungskassen schon vor dem Ende des Wirtschaftsjahres. Überdotiertes Vermögen, das sich im Laufe des Wirtschaftsjahres ergibt, ist mithin nicht zweckgebunden (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 KStG Rdnr. 11, 14; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz 1977, Kommentar, § 6 Anm. 9; Streck, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 5 Anm. 37).

2. Die Sache ist spruchreif; die Klage ist abzuweisen. Entgegen der Auffassung des FG hat das FA nach den Ausführungen zu I. 1. zu Recht die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 13 Satz 1 ErbStG 1974 in Höhe der im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin als maßgeblichen Stichtag festgestellten Überdotierung des Vermögens der Klägerin verneint. Hieran ändert sich auch insoweit nichts, als aufgrund des Beschlusses vom 22. Dezember 1981 durch eine Erweiterung des begünstigten Personenkreises ein Teilbetrag dem Betrieb der Unterstützungskasse zugeführt worden ist, denn hierdurch sind die für die Steuerbefreiung maßgebenden Verhältnisse am Stichtag nicht geändert worden.

Entgegen der Berechnung des FA ergibt sich die - der Erbschaftsteuer als steuerpflichtiger Erwerb unterliegende - Überdotierung allerdings nicht aus der Differenz des infolge des Erbfalls angefallenen Erwerbs zum zulässigen Kassenvermögen. Vielmehr ist der Erwerb zur Ermittlung der den steuerpflichtigen Erwerb darstellenden Überdotierung um die auf ihn entfallende Erbschaftsteuer zu mindern, denn in Höhe der mit dem Erbanfall entstandenen Erbschaftsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) hatte die Klägerin kein verfügbares, über das zulässige Kassenvermögen i. S. des § 4d EStG hinausgehendes Vermögen; insoweit war sie daher auch nicht überdotiert. Ein Fall des § 10 Abs. 8 ErbStG 1974 liegt nicht vor, denn es wird nicht die Erbschaftsteuer als Nachlaßverbindlichkeit berücksichtigt, sondern ermittelt, in welcher Höhe die Klägerin verfügbares Vermögen hatte, das über das zulässige Kassenvermögen hinausging. Im Streitfall wirkt sich dies jedoch nicht zugunsten der Klägerin aus, weil die vom FA festgesetzte Steuer von 1.752.840 DM niedriger ist als die Erbschaftsteuer, die sich für den Erwerb der Klägerin unter Berücksichtigung der darauf entfallenden Erbschaftsteuer ergibt. Der durch Interpolation zu ermittelnde Steuerbetrag auf die "Netto-Überdotierung" liegt zwischen 1.762.182 DM und 1.820.394 DM und damit über der festgesetzten Steuer.

Unzutreffend ist im übrigen die Berechnung des FA auch insoweit, als es den steuerpflichtigen Erwerb nach dem Verhältnis der Überdotierung zum zulässigen Kassenvermögen angesetzt hat; maßgebend ist vielmehr der absolute Betrag der Überdotierung. Für eine Verhältnisrechnung ist anders als für die Vermögensteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 VStG) keine Grundlage gegeben. Wegen des Verbots, die Klägerin schlechter zu stellen als in dem angefochtenen Bescheid, bleibt es jedoch auch insoweit bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung.