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  BFH-Urteil vom 29.7.1997 (IX R 20/96) BStBl. 1997 II S. 823

Ist eine Vollmachtsurkunde, die lediglich den Namen des Bevollmächtigten nicht enthält, einem Schriftsatz beigeheftet, der den Rechtsstreit genau bezeichnet und in dem sich der Prozeßbevollmächtigte als solcher benennt, so bestehen in der Regel auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis im Schriftsatz auf die beigefügte Prozeßvollmacht keine Zweifel an der Bevollmächtigung des im Schriftsatz angegebenen Prozeßbevollmächtigten.

FGO § 62 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhoben durch ihre Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 25. Juli 1994 Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1992. Der Klageschrift war keine Prozeßvollmacht beigefügt. Innerhalb der vom Finanzgericht (FG) durch Verfügung des Berichterstatters gesetzten Frist zur Klagebegründung und Vorlage der fehlenden Vollmachten reichten die Prozeßbevollmächtigten einen Schriftsatz ein, in dem sie sich erneut als Prozeßbevollmächtigte bezeichneten, die Klage begründeten und dabei u. a. auf zwei Anlagen, den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung, verwiesen. Nach dem Eingangsvermerk des FG waren dem Schriftsatz drei Anlagen beigefügt. Abgeheftet sind in der FG-Akte neben der Klagebegründung eine Fotokopie des Einspruchs und der Einspruchsentscheidung (Blatt 16 bis 20) sowie - mit der Blattzahl 21 - eine Vollmachtsurkunde. In der linken oberen Ecke des Schriftsatzes und der Vollmachtsurkunde befinden sich jeweils mehrere Heftlöcher. Die "Vollmacht" enthält die Angaben "wird hiermit in Sachen Eheleute A ./. Finanzamt wegen Steuerbescheid 1992 Vollmacht erteilt ... zur Prozeßführung ...", den Ausstellungsort C, das Ausstellungsdatum des 25. Juli 1994 und die Unterschriften der Kläger. Der Raum für die Angabe des Prozeßbevollmächtigten ist unausgefüllt.

In der mündlichen Verhandlung stellte das FG fest, für den erschienenen Klägervertreter liege keine Originalvollmacht vor, weil die eingereichte Urkunde keinen Bevollmächtigten benenne. Das FG wies die Klage als unzulässig ab.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung des § 62 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Vollmacht sei an die Klagebegründung angeheftet gewesen. Dies genüge, um auf die Bevollmächtigung der Prozeßbevollmächtigten schließen zu können.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1992 ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 60.196 DM festzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, ein genügend konkreter Bezug zwischen der Vollmacht und dem Schriftsatz setze einen Hinweis in dem Schriftsatz auf die anliegende Vollmacht voraus. Daran fehle es im Streitfall.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die mit der Klagebegründung eingereichte Vollmachtsurkunde genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht.

1. Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen. Eine ordnungsgemäße Vollmacht muß erkennen lassen, wer bevollmächtigt hat, wer bevollmächtigt ist und wozu bevollmächtigt wurde (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. April 1994 X B 45/93, BFH/NV 1995, 42). Ist eine Vollmachtsurkunde unvollständig, weil der Bevollmächtigte nicht bezeichnet ist, so kann die fehlende Angabe dadurch ergänzt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte sich aus der mit der Vollmacht verbundenen Klagebegründung ergibt, und ferner erkennbar ist, daß er gemäß einer ihm vom Mandanten erteilten Ermächtigung zur Vervollständigung der Vollmachtsurkunde gehandelt hat (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 1992 IV R 42/90, BFHE 168, 203, BStBl II 1992, 914). Für eine derartige Verbindung der Schriftstücke ist eine Zusammenheftung der Urkunden ausreichend (BFH-Urteile vom 10. März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731, und in BFHE 168, 203, BStBl II 1992, 914 unter 2.). Zwar hat der BFH in dem Urteil in BFHE 168, 203, BStBl II 1992, 914 (unter 3.) die Ergänzung einer den Bevollmächtigten nicht benennenden Vollmachtsurkunde deshalb angenommen, weil die Vollmacht einem Schriftsatz beigefügt war, in dem der Rechtsstreit genau bezeichnet und auf die anliegende Vollmacht hingewiesen worden war (vgl. auch zur fehlenden Angabe des konkreten Rechtsstreits in der Vollmachtsurkunde die BFH-Entscheidungen vom 27. Oktober 1989 VI B 163/89, BFH/NV 1990, 648; vom 15. November 1991 VI R 3/90, BFH/NV 1992, 608; vom 15. März 1991 III R 112/89, BFHE 164, 210, BStBl II 1991, 726). Doch bestehen entgegen der Ansicht des FA im Falle der Beiheftung einer Vollmachtsurkunde, die lediglich im Namen des Bevollmächtigten nicht enthält, zu einem Schriftsatz, der den Rechtsstreit genau bezeichnet und in dem sich der Prozeßbevollmächtigte als solcher benennt, in der Regel auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis im Schriftsatz auf die beigefügte Prozeßvollmacht keine Zweifel an der Bevollmächtigung des im Schriftsatz angegebenen Prozeßbevollmächtigten (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1991 III R 65/90, nicht veröffentlicht).

2. Im Streitfall liegt trotz der unvollständigen Vollmachtsurkunde eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht vor. Die fehlende Angabe des Bevollmächtigten ist durch die beigeheftete Klagebegründung ergänzt worden. Dies folgt aus den nach Aktenlage ersichtlichen Umständen, die das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen und festzustellen hat (BFH-Urteile vom 25. Januar 1996 V R 31/95, BFHE 179, 242, BStBl II 1996, 299, und in BFHE 168, 203, BStBl II 1992, 914). Die Klagebegründung bezeichnet den Rechtsstreit und die Prozeßbevollmächtigten als solche. Die von den Klägern behauptete Zusammenheftung von Klagebegründung und Vollmachtsurkunde wird durch das äußere Erscheinungsbild der Schriftstücke bestätigt. Ferner bestehen keine Zweifel an der Befugnis der Prozeßbevollmächtigten, die Vollmachtsurkunde aufgrund einer seitens der Kläger erteilten Ermächtigung durch Ergänzung des Formulars oder Beiheftung eines Schriftsatzes zu vervollständigen. Die Prozeßbevollmächtigten waren im Besitz der Vollmachtsurkunde. Daß sie diese zufällig und nicht auf Veranlassung der Kläger erhalten haben, erscheint ausgeschlossen. Die Vollmacht bezieht sich auf die Prozeßführung wegen des Steuerbescheids 1992 und wurde in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1992 ausgestellt.

3. Da das FG zu Unrecht die Ordnungsmäßigkeit der Vollmacht und damit eine Sachentscheidungsvoraussetzung verneint hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.