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  BFH-Urteil vom 3.7.1997 (IV R 58/95) BStBl. 1998 II S. 86

Bei einem Schiffahrtsunternehmen kann sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in den Geschäftsräumen eines ausländischen Managers oder Korrespondentreeders befinden. Maßgeblich sind die vom FG festzustellenden tatsächlichen Umstände.

AO 1977 §§ 10, 12; GewStG § 2 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1995, 1034)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 (Klägerin zu 1), eine mit Wirkung auf den 1. Januar 1990 aufgelöste und mittlerweile im Handelsregister gelöschte GmbH & Co. KG, und die mit Wirkung auf den 1. Januar 1990 gegründete Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2 (Klägerin zu 2), eine Partenreederei, waren nacheinander Eigentümerinnen eines Motorschiffs. Gesellschafter der Klägerin zu 1 waren die Reederei X-GmbH als Komplementärin sowie die OHG X. Reederei und Schiffahrtskontor (später X-GmbH & Co.) und die Z-Lebensversicherungs AG als Kommanditisten. Mitreeder der Klägerin zu 2 waren die beiden vormaligen Kommanditistinnen.

Durch Gesellschafterbeschluß vom 1. Dezember 1987 hatte die Klägerin zu 1 die Aufgaben des Bereederers (Managers) mit Wirkung vom 1. Oktober 1987 auf die X. Ltd., Isle of Man (X-IOM), übertragen. Zu diesem Zwecke wurde ein Managementvertrag geschlossen, in dem die Pflichten des Bereederers aufgeführt waren. Allerdings war die Verpflichtung des Bereederers zur Befrachtung des Schiffes suspendiert, weil die Klägerin zu 1 diese Aufgabe bereits im Jahre 1986 dem U-Pool übertragen hatte. Beim U-Pool handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die aus zahlreichen Ein-Schiffs-Gesellschaften der X-Gruppe und der Y-Gruppe bestand. Verwaltet wird der Pool durch einen Pool-Sekretär, die U-GmbH mit Sitz in Hamburg, deren Gesellschafter die Reederei X-GmbH und eine Gesellschaft aus dem Bereich der Y-Gruppe sind. Der Pool schließt mit den Ladungsanbietern Verträge über die Befrachtung der im Pool befindlichen Schiffe. Der Pool hatte in erster Linie den Zweck, zu verhindern, daß die großen Befrachter die Frachtraten infolge der Konkurrenz drückten.

Im November 1989 wechselte das Management über das Schiff von X-IOM auf die Fa. L. Ltd., Limaßol/Zypern, deren Alleingesellschafterin die X-GmbH & Co. war.

Nachdem das Eigentum am Motorschiff 1990 auf die Klägerin zu 2 übergegangen war, wurde die C. Ltd., Limaßol, die Nachfolgefirma der L. Ltd., zum Korrespondentreeder bestellt. Zuvor war ihr eine Schiffspart übertragen worden.

Dem Manager bzw. ab 1990 dem Korrespondentreeder oblagen nach der Ausgliederung der Befrachtung alle übrigen mit dem Betrieb des Schiffes zusammenhängenden Aufgaben, wie die Sorge für technische Instandhaltung, Proviant und Treibstoff, der Verkehr mit Hafen- und Schiffahrtsbehörden und Versicherungen, die Personalverwaltung und die Buchführung. Auch die Abrechnung und der Zahlungsverkehr mit den Befrachtern lief über den Manager bzw. den Korrespondentreeder.

Die Gesellschafter- bzw. Reederversammlungen der Klägerinnen fanden ca. einmal jährlich in Hamburg statt. Auf diesen Versammlungen wurde auch über etwaige Einschüsse beschlossen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ für die Streitjahre Gewerbesteuermeßbetrags- und Gewerbesteuerbescheide. Hiergegen wandten sich die Klägerinnen nach erfolglosem Einspruch mit ihren Klagen, die das Finanzgericht (FG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden hat.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, sie seien nicht gewerbesteuerpflichtig, weil sie keine Betriebsstätte im Inland unterhielten. In Hamburg würden lediglich die notwendigen Gesellschafterbeschlüsse gefaßt. Alle Maßnahmen des laufenden Geschäftsverkehrs seien bis 1990 von den Managern, seitdem vom Korrespondentreeder vom Ausland aus vorgenommen worden. Dort befinde sich die Geschäftsleitung als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Die Manager bzw. der Korrespondentreeder hätten selbständig gehandelt, bzw. handelten selbständig. Sie unterhielten ein voll eingerichtetes Büro mit zahlreichem Personal und wickelten auch den gesamten Zahlungsverkehr mit den Banken ab. Daß ein Teil der Geschäftsleitung, nämlich die Befrachtung des Schiffes auf den im Inland tätigen Pool übertragen sei, führe nicht dazu, daß die Klägerinnen im Inland eine Betriebsstätte unterhielten. Der Pool werde auch nicht von den Klägerinnen aus im Inland gesteuert. Vielmehr liege die Befrachtungstätigkeit beim Pool-Sekretär, einer GmbH, zu deren Gesellschaftern auch der X-Gruppe nicht zugehörige Personen gehörten. Daß die Manager, bzw. jetzt der Korrespondentreeder sich eines Crewing-Managers zur Beschaffung der Besatzung, insbesondere der Mannschaftsdienstgrade, bedienten, sei nicht außergewöhnlich und sachgerecht, da die Mannschaften im wesentlichen aus Asiaten bestünden, so daß es erforderlich sei, einen asiatischen Crewing-Manager einzuschalten.

Das FG gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1034 veröffentlichten Urteil statt.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

Die Revisionsbegründung ist drei Tage nach Ablauf der (verlängerten) Revisionsbegründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Das FA hat daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und geltend gemacht, die Revisionsbegründung sei zusammen mit den Akten drei Tage vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zur Post gegeben worden. Es habe darauf vertraut, daß dieses Paket innerhalb der von der Post publizierten regulären Laufzeit (48 Stunden) - spätestens jedoch am dritten Tag nach Absendung - den BFH erreichen werde.

Entscheidungsgründe

A. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist war dem FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung wird auf das in der Parallelsache ergangene Zwischenurteil vom 7. Mai 1996 VIII R 60/95 (BFH/NV 1997, 34) Bezug genommen.

B. Die Revision ist indessen nicht begründet.

I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klagen, insbesondere gegen die Klagebefugnis der beiden Klägerinnen.

1. Die Klägerin zu 1 ist klagebefugt, weil gegen sie (zulässigerweise) Gewerbesteuermeßbescheide und Gewerbesteuerbescheide ergangen sind. Die Klägerin zu 2 ist nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an ihre Stelle getreten. Nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) ist weder eine Verschmelzung noch ein Formwechsel unter Beteiligung einer Partenreederei vorgesehen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 191 Abs. 2 UmwG; vgl. auch Schwarz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1 UmwG Rdnr. 28).

2. Hinsichtlich der Streitjahre ab 1990 ist die Klägerin zu 2 als Steuerschuldnerin klagebefugt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) - Die Partenreederei ist steuerlich einer OHG gleichzustellen (BFH-Urteil vom 21. August 1961 I 32/61 U, BFHE 73, 643, BStBl III 1961, 500; vgl. auch Gosch in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 5 GewStG Rdnr. 47; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, § 5 Rdnr. 6).

II. In der Sache selbst ist die Entscheidung des FG, derzufolge die Klägerinnen in den Streitjahren nicht der deutschen Gewerbesteuerpflicht unterlagen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, sofern er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).

Betriebsstätte ist gemäß § 12 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerinnen weder im Inland noch auf einem deutschen Seeschiff eine feste Geschäftseinrichtung i. S. des § 12 Satz 2 Nr. 2 bis 8 AO 1977 unterhalten haben (vgl. etwa Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 12 AO 1977 Tz. 3; Obermeier in Blümich, a. a. O., § 2 GewStG Rdnr. 861). Mithin kam es darauf an, wo sich die Stätte der Geschäftsleitung der Klägerinnen befand.

1. Nach § 10 AO 1977 ist die Geschäftsleitung definiert als der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.

Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 23. Juni 1938 III 40/38, RStBl 1938, 949; BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 I R 22/90, BFHE 164, 164, BStBl II 1991, 554). Folglich kommt es darauf an, an welchem Ort alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (RFH-Urteil vom 25. Juli 1935 III A 98/35, RStBl 1935, 1366; BFH-Urteile vom 17. Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695; vom 26. Mai 1970 II 29/65, BFHE 99, 553, BStBl II 1970, 759; Tipke/Kruse, a. a. O., § 10 AO 1977 Tz. 1; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 10 AO 1977 Rdnr. 14; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 10; Lechner in Festschrift für Stoll, 1990, 395, 397). Maßgebend sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (einhellige Auffassung seit RFH-Urteil vom 16. Juni 1931 I A 462/30, RFHE 29, 78, RStBl 1931, 848; zuletzt BFH-Urteil vom 7. Dezember 1994 I K 1/93, BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O.; Tipke/Kruse, a. a. O.).

2. Im Streitfall ist zunächst zu klären, nach welchen Kriterien der Ort der geschäftlichen Oberleitung einer Personengesellschaft zu bestimmen ist.

a) Zu Kapitalgesellschaften vertritt der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, für die Annahme einer Geschäftsleitung im Inland genüge es nicht, daß die inländischen Gesellschafter ihren gesellschaftsrechtlichen Einfluß auf die im Ausland befindlichen gesetzlichen Vertreter ausübten. Erforderlich sei vielmehr, daß die inländischen Gesellschafter die tatsächliche Geschäftsleitung dadurch völlig an sich zögen, daß sie den laufenden Geschäftsgang nicht nur beobachteten, kontrollierten und fallweise beeinflußten, sondern ständig in die Tagespolitik der Gesellschaft eingriffen und dauernd die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht selbst träfen (BFH-Urteile in BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695, und in BFHE 99, 553, BStBl II 1970, 759). Zur laufenden Geschäftsführung gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören ("Tagesgeschäfte"). Zu ihnen gehören nicht die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnlichen Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung (BFH-Urteil in BFHE 176, 253, BStBl 1995, 175).

b) Bei einer Personengesellschaft gilt entgegen der Auffassung des FA nichts grundsätzlich anderes. Bei ihr wird sich der Mittelpunkt der Geschäftsleitung regelmäßig an dem Ort befinden, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführertätigkeit entfalten.

aa) Bei einer OHG sind zwar grundsätzlich alle Gesellschafter vertretungsberechtigt, der Gesellschaftsvertrag kann jedoch etwas anderes bestimmen (§ 125 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Ist letzteres der Fall, sind die Verhältnisse bei den nicht ermächtigten Gesellschaftern nur dann bedeutsam, wenn sie die laufenden Geschäfte maßgebend beeinflussen (BFH-Urteil vom 29. April 1987 X R 6/81, BFH/NV 1988, 63).

bb) Die Partenreederei ist - wie eingangs erwähnt - steuerlich der OHG vergleichbar (BFH-Urteil in BFHE 73, 643, BStBl III 1961, 500). Der Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auf einen Gesellschafter entspricht bei der Partenreederei die Bestellung eines Korrespondentreeders (§ 492 HGB). Sie ist heutzutage angesichts der zunehmend weit verstreut ansässigen und schiffahrtsunkundigen Mitreeder (Kapitalgeber) allgemein üblich (Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, 224). Die Vertretungsbefugnis des Korrespondentreeders (§ 493 HGB) bleibt allerdings hinter der des geschäftsführungsbefugten OHG-Gesellschafters (§ 125 HGB) zurück, da der erstgenannte mit Wirkung für die Gesellschaft nur solche Geschäfte vornehmen darf, die der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt. Es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß die "Tagesgeschäfte" vom Korrespondentreeder vorgenommen werden. Somit befindet sich in seinen Geschäftsräumen der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, sofern nicht die Mitreeder ständig von ihrem in § 496 HGB vorgesehenen (§ 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - vergleichbaren) Recht Gebrauch machen, durch Beschlüsse leitend in die laufenden Reedereigeschäfte einzugreifen (von der letztgenannten Fallgestaltung geht offenbar der Senatsbeschluß vom 12. November 1959 IV B 130/58, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963, 70 aus). Dabei kann es dem Grundsatz nach keinen Unterschied machen, ob der Korrespondentreeder (wie im Streitfall) zugleich Mitreeder ist oder nicht. Er ist in jedem Fall Vertretungsorgan der Reederei (vgl. K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, 35).

cc) Bei einer GmbH & Co. KG wie der Klägerin zu 1, deren Geschäftsführerin die Komplementär-GmbH ist, kommt es regelmäßig darauf an, wo deren Geschäftsführer überwiegend die maßgebenden Entscheidungen für die KG trifft (Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O.; Schwarz, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 10 AO 1977 Rdnr. 4) Der Streitfall weist die Besonderheit auf, daß die Geschäftsführung mit Vertrag vom 10. November 1989 einer ausländischen Kapitalgesellschaft als "Manager" übertragen war. Die Aufgaben des Managers umfaßten folgende Aufgaben:

- Abwicklung von Charterpartien oder anderer Verträge, die die Beschäftigung des Schiffes betreffen,

- Einstellung und Bereitstellung von Besatzungen sowie die Sorge um alle Aspekte, die Disziplin, Arbeitsbeziehungen und Wohlergehen der Besatzung und Arbeitsklima betreffen,

- Verproviantierung und Ausrüstung,

- Abschluß von Bunker- und Schmierölverträgen,

- Ernennung von Schiffsagenten,

- Abwicklung des Ladens und Löschens sowie anderer durch den Handel des Schiffes erforderlichen Dienste,

- Abschließen sämtlicher Schiffsversicherungen in Abstimmung mit den Weisungen der Eigner,

- Aufnahme des Schiffs in "Protecting and Indemnity-Defense-Clubs (Schutzgemeinschaften) in Abstimmung mit den Weisungen der Eigner,

- Bearbeitung aller Versicherungen, Havarien, Bergungen,

- Inkasso aller Frachteinnahmen und anderer mit dem Schiff zusammenhängenden Erträge im Namen des Eigners,

- Zahlung aller Aufwendungen, die durch die Bereitstellung der obigen Dienste und der vernünftigen und effizienten Schiffsbereederung entstehen.

Dieser Aufgabenkatalog entspricht - abgesehen davon, daß er möglicherweise die Befrachtung nicht umfaßte - im wesentlichen der in § 493 Abs. 2 HGB enthaltenen Aufstellung der typischen Aufgaben eines Korrespondentreeders. Daher sind auch für die Beantwortung der Frage, wo sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet, dieselben Erwägungen maßgeblich, die für die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung bei Bestellung eines Korrespondentreeders zu beachten sind (s. o. B. II. 2. b bb). Es ist also nicht bereits wegen des im Recht der Personengesellschaften geltenden Grundsatzes der Selbstorganschaft von vornherein ausgeschlossen, daß sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in den Büroräumen des gesellschaftsfremden Managers oder Bereederers befindet. Da es in diesem Zusammenhang auf die tatsächlichen Gegebenheiten ankommt, können die Bereederung durch den von einer Partenreederei bestellten Korrespondentreeder einerseits und durch den von einer KG beauftragten "Manager" andererseits bei gleicher Aufgabenstellung (steuerlich) nicht unterschiedlich behandelt werden (Tipke/Kruse, a. a. O., § 10 AO 1977 Tz. 1 a. E.; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 10 AO 1977 Rdnr. 24; a. A. möglicherweise FG Hamburg, Urteil vom 24. Oktober 1986 I 170/83, EFG 1987, 413, rkr.).

3. Es kommt demnach für die Beurteilung des Ortes der Geschäftsleitung beider Klägerinnen darauf an, ob tatsächlich einer der in Hamburg ansässigen Gesellschafter, nämlich die Reederei X-GmbH (bei der Klägerin zu 1) oder die X-GmbH & Co. die laufenden Geschäfte maßgeblich beeinflußt haben.

Der vom FG festgestellte Sachverhalt, an den der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), läßt ausreichende Anhaltspunkte hierfür nicht erkennen.

a) Das FA kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß bereits die Komplementär-GmbH der Klägerin zu 1 für bestimmte, im Gesellschaftsvertrag vom 18. März 1974 näher bezeichnete Rechtshandlungen die Beschlußfassung der Kommanditisten einzuholen hatte. Es handelte sich dabei um folgende Geschäfte:

- jede mehr als sechs Monate währende Frachtvertrags- oder sonstige Beschäftigungsbindung des Schiffes,

- die Vornahme außergewöhnlicher Reparaturen, Um- oder Einbauten, soweit diese einen Aufwand von 200.000 DM übersteigen,

- die Aufnahme von Darlehen oder die Eingehung von Bürgschaften,

- der Abschluß von Kaskoversicherungen,

- der Verkauf des Schiffes.

Diese Vertragsbestimmung beinhaltet im wesentlichen eine Konkretisierung des Begriffs der "über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehenden" Handlungen i. S. des § 164 HGB. Derartige Vorbehalte sind nicht geeignet, den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, die - wie ausgeführt - mehr durch das Tagesgeschäft als durch die gesellschaftsrechtlichen Kontroll- oder Weisungsbefugnisse bestimmt wird (s. o. B. II. 2.), vom geschäftsführenden Komplementär auf die Kommanditisten zu verlagern. Das hat auch das FA nicht angenommen.

Dann aber können diese Vorbehalte entgegen der Auffassung des FA auch nicht als Indiz dafür herangezogen werden, daß der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung auf die X-GmbH & Co. als Kommanditistin übergegangen ist, nachdem ausländische Manager mit der Geschäftsführung beauftragt worden waren.

b) Dasselbe gilt für den in § 3 des Korrespondentreedervertrags vom 12. April 1990 enthaltenen Katalog der über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Geschäfte, der der im KG-Vertrag vom 18. März 1974 enthaltenen Aufstellung im wesentlichen entspricht.

Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist auch nicht etwa deshalb bei der Reederei X-GmbH (bei der Klägerin zu 1) oder der X-GmbH & Co. verblieben, weil mit der Befrachtung des Schiffes der U-Pool beauftragt war, diese Tätigkeit also nicht vom "Manager" bzw. Korrespondentreeder ausgeführt wurde. Der "Mittelpunkt" der geschäftlichen Oberleitung kann sich naturgemäß nur an einem Ort befinden (Lechner, a. a. O., 401). Werden die laufenden Geschäfte von verschiedenen Personen ausgeführt, ist demnach zu gewichten. Wie sich aus der Aufteilung der Managementvergütungen ergibt, machte die Befrachtung 40 v. H. der Bereederungstätigkeiten aus. Deswegen und wegen der Vielfalt der verbleibenden Aufgaben konnte das FG ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß der Mittelpunkt der Geschäftsleitung nicht auf den Befrachter übergegangen ist. Das gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich der Mittelpunkt der Geschäftsleitung des Pool-Sekretärs (U-GmbH) möglicherweise bei der Reederei X-GmbH befand. Denn das FG hat nicht festgestellt, daß die Reederei X-GmbH nach Abschluß des ersten Managementvertrags noch irgendwelche Geschäftsführungsbefugnisse für die Klägerin zu 1 ausgeübt hätte, die sich dann mit der Befrachtung kumuliert hätten. Erst recht kann die Ausgliederung der Befrachtungsaufgaben nicht als Indiz dafür angesehen werden, daß der Mittelpunkt der Geschäftsleitung der Klägerinnen auf die X-GmbH & Co. als Kommanditistin bzw. Mitreederin übergegangen ist.

d) Der Mittelpunkt der Geschäftsleitung der Klägerinnen ist auch nicht deshalb auf die X-GmbH & Co. als Kommanditistin bzw. Mitreederin übergegangen, weil sich die Manager bzw. der Korrespondentreeder mit der Anheuerung der - vorwiegend philippinischen - Besatzungsmitglieder ausländischer Firmen, sog. Crewing-Manager, bedienten. Für die Beantwortung der Frage, wo sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung eines Schiffahrtsunternehmens befindet, kann es keinen Unterschied machen, ob die Heuerverträge unmittelbar mit den einzelnen Besatzungsmitgliedern oder en bloc mit einem Arbeitnehmerverleiher abgeschlossen werden. Es gibt auch keinerlei Anzeichen dafür, daß die Anstellungsverträge mit den leitenden Schiffsoffizieren von der X-GmbH & Co. abgeschlossen worden sind. Der von den Klägerinnen vorgelegte Vertrag vom 28. Oktober 1991 weist als Vertragspartner den Korrespondentreeder und den angestellten Kapitän aus und ist auch von diesen Personen unterschrieben. Der Umstand, daß der Ort der Unterzeichnung nicht genannt ist, ist als Indiz für eine Einflußnahme der X-GmbH & Co. ungeeignet.

Der in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das FG war nicht verpflichtet, von den Klägerinnen "Protokolle und Unterlagen" zu verlangen, die "Aufschluß über die Einstellung von Kapitänen und Offizieren" hätten geben können. Etwas anderes gelte nur dann, wenn sich die Notwendigkeit einer entsprechenden Aufforderung dem FG hätte aufdrängen müssen (Tipke/Kruse, a. a. O., § 76 FGO Tz. 7 c, m. w. N.). Davon kann jedoch im Streitfall keine Rede sein, da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gab, daß die Auswahl der leitenden Offiziere von der X-GmbH & Co. getroffen wurde. Zudem hat das FG ausweislich des Protokolls des Erörterungstermins vom 1. November 1994 die Klägerinnen aufgefordert, die Unterlagen, die die Bemannungspraxis des in Rede stehenden Schiffes betreffen, vorzulegen. Die Klägerinnen haben daraufhin u. a. den Anstellungsvertrag vom 28. Oktober 1991 vorgelegt und ferner unter Bezugnahme auf einen entsprechenden zypriotischen Zeitungsbericht darauf hingewiesen, daß die Büroräume des Korrespondentreeders im Jahre 1990 ausgebrannt seien, wobei zahlreiche Unterlagen vernichtet worden seien.

e) Schließlich spricht auch der Umstand, daß das Bankkonto des Korrespondentreeders in Hamburg geführt wurde, nicht dafür, daß die X-GmbH & Co. maßgeblichen Einfluß auf die laufenden Geschäfte genommen hätte. Ausweislich der von den Klägerinnen vorgelegten Unterschriftskarte, waren allein die Geschäftsführer des Korrespondentreeders verfügungsberechtigt. Etwas anderes hat auch das FA nicht behauptet.

4. Die Vermutung des FA, die X-GmbH & Co. habe in Wirklichkeit die wesentlichen für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen selbst getroffen, basiert offenbar auf der Vorstellung, daß diese Gesellschaft die Aufgaben des Korrespondentreeders ebensogut selbst habe übernehmen können und zudem dem anderen Mitreeder, der Z-Lebensversicherungs-AG, gegenüber der zuverlässigere Partner gewesen sei. Selbst wenn das zutreffen sollte, kommt es hierauf nicht an. Ebensogut wie die X-GmbH & Co. und die Z-Lebensversicherungs-AG die Reederei X-GmbH als Komplementärin mit der Geschäftsführung der KG betrauen konnten, konnten sie ausländische Firmen aus der X-Gruppe zu Managern bzw. zum Korrespondentreeder bestellen. Gerade die gesellschaftsrechtliche Einflußmöglichkeit der X-GmbH auf diese ausländischen Firmen zeigt, daß es ständiger Eingriffe in die laufende Geschäftsführung nicht bedurfte, um eine ordentliche Bereederung des Schiffes sicherzustellen. Diesen Gesichtspunkt hebt auch das FA hervor. Es zieht allerdings hieraus die unzutreffende Folgerung, daß als Voraussetzung für die Annahme des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung beim Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht verlangt werden dürfe, daß er durch ständige Weisungen in die laufende Geschäftsführung eingreife. Die Rechtsprechung ist - wie dargestellt - einen anderen Weg gegangen. Hieran ist festzuhalten. Nur durch die Unterscheidung zwischen konkret ausgeübter Geschäftsführung einerseits und abstrakter Weisungsbefugnis andererseits läßt sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung hinlänglich genau auf einen einzigen Ort festlegen.