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  BFH-Urteil vom 12.8.1997 (VII R 32/97) BStBl. 1998 II S. 166

Der Senat hält trotz eines hierzu ergangenen Nichtanwendungserlasses des BMF an seiner Rechtsprechung fest, wonach die Tätigkeit eines Rechtsreferendars als freier Mitarbeiter bei einem Steuerberater keine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen darstellt und deshalb auf die für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung erforderliche berufspraktische Tätigkeit angerechnet werden kann.

StBerG §§ 2, 5 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Rechtsanwalt. Er war während der Dauer seines Referendariats vom 1. Oktober 1994 bis zum 11. Januar 1995 und nach Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung vom 12. Januar 1995 bis zum 29. März 1995 als freier Mitarbeiter bei den Steuerberatern H und R tätig. Nach seinen Angaben hat er im wesentlichen Voranmeldungen und Steuererklärungen in allen Steuerarten unter Aufsicht, Kontrolle und Verantwortung der Steuerberater erstellt; er ist im Innenverhältnis für die Steuerberater, nicht aber nach außen tätig geworden. Der Zulassungsausschuß für Steuerberater bei dem beklagten und revisionsklagenden Finanzministerium (FinMin) sah die Tätigkeit des Klägers bei den Steuerberatern als unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen an und lehnte es ab, sie als berufspraktische Zulassungsvoraussetzung für die Steuerberaterprüfung anzuerkennen.

Die Klage des Klägers hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FinMin, die dem Kläger erteilte verbindliche Auskunft dahingehend zu ergänzen, daß der Kläger auch im Zeitraum vom 1. Oktober 1994 bis 29. März 1995 hauptberuflich auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern praktisch i. S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) tätig gewesen sei.

Zur Begründung seiner Entscheidung bezog sich das FG auf das Urteil des erkennenden Senats vom 4. Oktober 1995 VII R 38/95 (BFHE 178, 518, BStBl II 1996, 488). Die Hauptberuflichkeit der erforderlichen berufspraktischen Tätigkeit sah es als gegeben an, weil der Kläger dargelegt habe, daß es ihm als Referendar ohne Verstoß gegen beamtenrechtliche Vorschriften möglich gewesen sei, die stationsfreie Zeit des Referendardienstes zur freien Mitarbeit bei den Steuerberatern einzusetzen. Die vom Kläger eingesetzte wöchentliche Arbeitszeit sei mit ca. 40 Stunden, also im Umfang einer Vollzeittätigkeit, angegeben und von den Steuerberatern glaubwürdig bestätigt worden. Unter Hinweis auf den Nichtanwendungserlaß des Bundesministeriums der Finanzen zu dem oben zitierten Senatsurteil (BStBl I 1996, 1164) hat das FG die Revision gegen seine Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Mit der Revision vertritt das FinMin die Auffassung, die Tätigkeit des Klägers als freier Mitarbeiter bei den Steuerberatern stelle eine unbefugte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen dar, die nicht auf die für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung erforderliche berufspraktische Zeit angerechnet werden könne.

Das FinMin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat hält an seiner im Urteil in BFHE 178, 518, BStBl II 1996, 488 vertretenen Rechtsauffassung fest, daß die Tätigkeit eines Referendars - und ebenso die eines Assessors (vgl. insoweit Senatsurteil vom 28. November 1989 VII R 48/89, BFHE 159, 386, BStBl II 1990, 399, 400) - als freier Mitarbeiter bei einem Steuerberater keine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen darstellt und deshalb auf die für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung erforderliche berufspraktische Tätigkeit angerechnet werden kann. Wegen der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehend zitierte Entscheidung Bezug. Die Einwendungen der Revision gegen das FG- Urteil und gegen die Senatsentscheidung führen nicht zu einer anderen Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfrage.

Wie in dem zitierten Senatsurteil näher ausgeführt worden ist, bestimmt sich die Frage, ob jemand, der dazu nicht nach §§ 3, 4 StBerG befugt ist, selbständig und damit geschäftsmäßig i. S. der §§ 2 und 5 StBerG unbefugt Hilfe in Steuersachen geleistet hat, so daß diese Tätigkeit bei seiner Bewerbung um die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nicht als berufspraktische Voraussetzung gemäß § 36 StBerG anerkannt werden kann, nicht allein nach arbeitsrechtlichen oder steuerrechtlichen Gesichtspunkten, sondern in erster Linie nach dem Schutzzweck der Verbotsnorm. Der Schutzzweck des Verbots der unbefugten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5 Abs. 1 StBerG) wird danach nur dann berührt, wenn der Berater selbständig im Sinne einer Eigenverantwortlichkeit und Weisungsunabhängigkeit handeln und dadurch die Interessen des Steuerpflichtigen oder der Allgemeinheit gefährden kann. Die Selbständigkeit im vorstehenden Sinne kann deshalb ebenso wie bei einem Angestellten, der auf Weisungen seines Dienstherrn handelt und für dessen Tun der Dienstherr die Verantwortung übernimmt, auch bei einem "freien Mitarbeiter" eines Steuerberaters fehlen. Denn es entspricht sowohl der regelmäßigen und ordnungsgemäßen Erfüllung des Mandats als auch der Berufspflicht eines Steuerberaters, daß dieser, wenn er sich zur Erfüllung seiner Pflichten gegenüber den Mandanten und gegenüber der Finanzbehörde eines freien Mitarbeiters (statt eines Angestellten) bedient, dessen Tätigkeit (Arbeitsergebnis) überwacht und hierfür im Außenverhältnis die Verantwortung übernimmt.

Das FG ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß eine eigenverantwortliche und damit selbständige Hilfeleistung in Steuersachen i. S. des § 5 Abs. 1 StBerG im Falle des Klägers nicht vorlag, sondern daß er lediglich gemäß den Weisungen der Steuerberater, die hierfür die volle Verantwortung trugen, für diese eine interne "Zuarbeit" leistete. Die "Freiheit" der Mitarbeit bestehe hier und in ähnlichen Fällen lediglich darin, daß der Mitarbeiter bezüglich des äußeren Rahmens seiner Zuarbeit (Zeit, Ort, Umfang) Gestaltungsspielräume besitze, die einem Arbeitnehmer regelmäßig nicht zugestanden würden. Der Senat ist mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen der Revision an diese Feststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorinstanz hat auf dieser tatsächlichen Grundlage nach dem Schutzzweck der Verbotsnorm eine unbefugte Hilfeleistung des Klägers in Steuersachen zu Recht verneint.

Wenn die Revision demgegenüber ausführt, ebenso wie bei Arbeitnehmern, die in größerer Zahl parallel laufende Teilzeit- Beschäftigungsverhältnisse auf dem Gebiet der Hilfeleistung in Steuersachen eingingen, die Ernsthaftigkeit solcher Arbeitsverhältnisse sorgfältig zu prüfen sei, bestehe erst recht Anlaß zur Prüfung, wenn statt eines Arbeitsverhältnisses ausdrücklich ein freies Mitarbeiterverhältnis eingegangen werde, so ist dies für den Streitfall nicht entscheidungserheblich. Denn das FinMin hat - wie ausgeführt - gegen die tatsächlichen Feststellungen des FG keine Verfahrensrügen erhoben. Der Senat hat bereits im Urteil in BFHE 178, 518, BStBl II 1996, 488, 491 ausgeführt, ob bei seiner Auslegung des Gesetzes von freien Mitarbeitern eines Steuerberaters das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen - wie die Revision meint - umgangen werden könne, müsse nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Im Streitfall sind aber Anhaltspunkte für eine derartige Umgehung des Gesetzes nicht aufgezeigt worden und nicht ersichtlich.

Da das Beschäftigungsverhältnis des Klägers als freier Mitarbeiter der Steuerberater H und R nach den vorstehenden Ausführungen keine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen beinhaltet, kann ihm - entgegen der Auffassung der Revision - die Zulassung zur Steuerberaterprüfung auch nicht unter Hinweis auf diese Tätigkeit nach § 37 Abs. 3 Nr. 1 StBerG wegen der Besorgnis, er werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen, versagt werden. Eine Umgehung der Verpflichtungen des Arbeitgebers (Steuerberater) zum Lohnsteuerabzug, zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, zur Gewährung von Urlaub und zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, an der der freie Mitarbeiter - wie die Revision meint - ihm ebenfalls als Pflichtverletzung zurechenbar mitwirkt, kann bei einem echten Beschäftigungsverhältnis als freier Mitarbeiter, wie es das FG für den Streitfall angenommen hat, nicht angenommen werden. Im übrigen bestimmt sich nach der Rechtsprechung, an der der Senat festhält, die hier für die Anrechnung der Tätigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG maßgebliche Frage der unbefugten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen in erster Linie nach dem Schutzzweck der Verbotsnorm (§ 5 Abs. 1 StBerG) und nicht nach arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten.

Aus dem vorstehend genannten Grunde können auch die von der Revision angeführten arbeits- und sozialpolitischen Erwägungen, die gegen die Anerkennung von Freie-Mitarbeiter-Verhältnissen ins Feld geführt werden (ungesicherte Scheinselbständigkeit: keine Rentenversicherung, keine Krankenversicherung, kein Mutterschutz, kein Erziehungsgeld etc.), für die Frage der Anerkennung der Beschäftigung des Klägers bei den Steuerberatern als berufspraktische Tätigkeit i. S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG keine Berücksichtigung finden. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die in der Praxis häufig vorkommende, regelmäßig zeitlich beschränkte Tätigkeit von Rechtsreferendaren und jüngeren Assessoren als freie Mitarbeiter bei Steuerberatern, die überwiegend im Hinblick auf die Verbesserung von Berufschancen ausgeübt wird, des vorstehend genannten arbeits- und sozialrechtlichen Schutzes überhaupt bedarf. Jedenfalls wäre es nicht sachgerecht und unverhältnismäßig, diesem Schutzgedanken, falls er nach den Vorschriften des Arbeitsrechts, Sozialrechts oder auch Steuerrechts nicht durchgesetzt werden kann, auf dem Umweg der Nichtanerkennung der Tätigkeit als berufspraktische Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung zum Erfolg zu verhelfen.

Etwaige Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises, ob eine Tätigkeit auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern ausgeübt worden ist, die sich bei freien Mitarbeitern - wie die Revision meint - eher als bei Arbeitnehmern von Steuerberatern ergeben können (hier Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses), betreffen die Entscheidung des jeweiligen Einzelfalles und die Beweislast des Berufsbewerbers. Sie gebieten aber nicht die generelle Nichtanerkennung von Beschäftigungszeiten von freien Mitarbeitern bei Steuerberatern als berufspraktische Tätigkeit i. S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG. Im Streitfall sind nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des FG derartige Überprüfungs- und Nachweisprobleme nicht gegeben.

Schließlich führt auch das von der Revision angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. Oktober 1986 I ZR 138/84 (BGHZ 98, 330), wonach eine nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugte Person die Steuerberatung auch nicht durch von ihr beauftragte und bezahlte Steuerberater als ihre Erfüllungsgehilfen ausüben darf, nicht zu einer anderen Beurteilung des Streitfalles, weil es eine andere Sachverhaltsgestaltung betrifft. Der BGH hat bei seiner Entscheidung wesentlich darauf abgestellt, daß sich hier die nicht zur Steuerberatung befugte Unternehmensberatungsgesellschaft gegenüber ihren Kunden vertraglich zur Hilfeleistung in Steuersachen verpflichtet hatte, während im Streitfall die Steuerberatungsleistung gegenüber den Mandanten vertraglich und wegen der alleinigen Verantwortlichkeit der Berufsträger im Außenverhältnis auch tatsächlich durch die Steuerberater erbracht wurde, denen der Kläger nach den Feststellungen des FG nur intern zuarbeitete.