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  BFH-Urteil vom 14.8.1997 (III R 55/95) BStBl. 1998 II S. 355

Einer nach einem Doppelbesteuerungsabkommen mit ihren inländischen Einkünften von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft steht eine Forschungs- und Entwicklungszulage nach § 4 InvZulG 1986 nicht zu.

InvZulG 1986 § 4 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1996, 885)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Konzern in Japan, ist eine Körperschaft japanischen Rechts, die im Inland weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung hat. Sie unterhält im Inland seit 1. Dezember 1987 eine selbständige, nicht im Handelsregister eingetragene Repräsentanz. In dieser Repräsentanz werden Informationen beschafft, Testreihen durchgeführt und Produktentwicklungen betrieben. Diese Tätigkeiten kommen der Produktionstätigkeit der Klägerin in Japan zugute. Die Repräsentanz erfüllt nach übereinstimmender Beurteilung der Beteiligten gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. e des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Japan (DBA-Japan) vom 22. April 1966 (BStBl I 1967, 59) nicht den Betriebsstättenbegriff des DBA und unterliegt damit nicht der deutschen Besteuerung.

Zur Einrichtung dieser Repräsentanz investierte die Klägerin im Jahr 1988 (Streitjahr) ... DM und beantragte hierfür eine Investitionszulage nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1986 (sog. Forschungs- und Entwicklungszulage). Diesen Antrag lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ab und vertrat die Auffassung, die Klägerin erfülle nicht die subjektiven Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986, weil sie keine Betriebsstätte im Inland unterhalte und daher keine "Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes" sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom FG zugelassenen Revision. Sie rügt u. a. eine Verletzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 und führt dazu insbesondere aus:

Anspruchsberechtigte i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 seien beschränkt steuerpflichtige Körperschaften auch dann, wenn sie im Inland eine Betriebsstätte unterhielten, die die Voraussetzungen des § 12 der Abgabenordnung (AO 1977), nicht jedoch diejenigen der entsprechenden DBA-Norm erfüllten (Hinweis auf Richter, Recht der Internationalen Wirtschaft 1975, 204, 205; Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 1 InvZulG 1993 Rz. 4; Tz. 1 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 28. August 1991 BStBl I 1991, 768).

Der Vorrang der DBA-Regelungen vor unilateralem nationalem Recht sei auf den Regelungsgegenstand des jeweiligen DBA beschränkt (Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juni 1975 I R 250/73, BFHE 116, 150, BStBl II 1975, 708; vom 5. Juni 1986 IV R 268/82, BFHE 146, 447, BStBl II 1986, 659; vom 5. Oktober 1977 I R 90/75, BFHE 124, 29, BStBl II 1978, 205, und vom 26. Februar 1992 I R 85/91, BFHE 168, 52, BStBl II 1992, 937). Bei den Betriebsstättendefinitionen finde sich deshalb in den DBA wie bei anderen Begriffsdefinitionen häufig die Einschränkung "nur für Zwecke des Abkommens". Eine entsprechende Einschränkung enthalte auch das DBA-Japan bei der streitigen Betriebsstättendefinition durch die Worte "im Sinne dieses Abkommens" (Art. 5 Abs. 1 DBA-Japan). Das habe dazu geführt, daß in Rechtsprechung und Schrifttum für eine Vielzahl von Regelungsbereichen die Anwendbarkeit der einschlägigen DBA-Bestimmungen zugunsten der Anwendung der jeweiligen unilateralen gesetzlichen Bestimmungen verneint werde. Dies gelte z. B. für die Annahme beschränkter oder unbeschränkter Steuerpflicht und für das Vorliegen einer Betriebsstätte i. S. von § 49 Abs. 1 Nr. 2 a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Entsprechendes müsse auch für die Bestimmung des Kreises der investitionszulagenberechtigten Personen i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 gelten. Das ergebe sich schon daraus, daß der betroffene Personenkreis durch Auslegung der Begriffe des Steuerpflichtigen i. S. des § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und der Einkünfte aus einer inländischen Betriebsstätte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG, also anhand nur innerstaatlich wirkender Vorschriften, zu ermitteln sei.

Das angefochtene FG-Urteil sei überdies wegen Verletzung der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung aufzuheben. Nachdem ihr, der Klägerin, zunächst in einem richterlichen Hinweisschreiben mitgeteilt worden sei, Art. 5 Abs. 3 DBA-Japan sei einschlägig, habe der spätere Berichterstatter den Beteiligten geschrieben, daß zwar ein Vorrang der Betriebsstättendefinition nach dem DBA nicht gegeben sei, aber § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 teleologisch reduziert angewendet werden müsse. Diesen Hinweis habe sie, die Klägerin, dahingehend verstehen müssen, daß das FG nunmehr zwar inländische Betriebsstätteneinkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG i. V. m. § 12 AO 1977 annehmen, die Investitionszulagenberechtigung aber deswegen ablehnen wolle, weil diese Einkünfte aufgrund der DBA-Regelungen in Deutschland nicht der Besteuerung unterlägen. In dem angefochtenen Urteil sei das FG indes von der Annahme einer teleologischen Reduktion abgerückt und habe die Klageabweisung wiederum mit dem Nichtvorliegen inländischer Betriebsstätteneinkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG wegen Vorrangs der DBA-Bestimmungen vor § 12 AO 1977 begründet.

Aufgrund dieses letztgenannten Rechtsstandpunktes hätte das FG jedoch prüfen müssen, ob sie, die Klägerin, nicht deswegen beschränkt körperschaftsteuerpflichtig gewesen sei, weil sie über ihre inländischen Betriebsstätteneinkünfte hinaus im Streitjahr andere inländische Einkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 EStG, etwa mit Quellensteuer (Abgeltungswirkung) belegte Dividenden- oder Lizenzeinnahmen, erzielt habe. Darauf hätten ihre Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen. Ein entsprechender schriftsätzlicher Sachvortrag sei aber aus ihrer, der Klägerin, Sicht unter Berücksichtigung des richterlichen Hinweises nicht veranlaßt gewesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Investitionszulage für 1988 auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Klägerin keine Investitionszulage zu gewähren ist.

Nach einem DBA hinsichtlich ihrer Tätigkeit im Inland von der Ertragsteuer befreiten Körperschaften ohne Geschäftsleitung oder Sitz im Inland steht keine Investitionszulage nach § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 zu. Das ergibt sich sowohl aus der Auslegung des im InvZulG 1986 verwendeten Begriffs des "Steuerpflichtigen im Sinne des KStG" als auch aufgrund des besonderen Gesetzeszwecks der sog. Forschungs- und Entwicklungszulage.

1. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 haben Anspruch auf eine Investitionszulage u. a. "Steuerpflichtige im Sinne des KStG", die begünstigte Investitionen vornehmen. Mangels Geschäftsleitung oder Sitz im Inland i. S. von §§ 10 und 11 AO 1977 kommt bei der Klägerin als Körperschaft des japanischen Rechts nur eine beschränkte Steuerpflicht gemäß § 2 Nrn. 1 oder 2 KStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG und § 49 EStG in Betracht.

Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 3 Buchst. e DBA-Japan wäre das Besteuerungsrecht insoweit indes ausschließlich dem Vertragsstaat Japan zugewiesen. Der erkennende Senat hat keinen Anlaß, diese übereinstimmende Rechtsansicht der Beteiligten in Zweifel zu ziehen. Für eine andere DBA-rechtliche Bewertung der Aktivitäten der Klägerin in ihrer Repräsentanz in Deutschland, etwa eine Verneinung ihres lediglich vorbereitenden oder Hilfscharakter im Hinblick auf die Haupttätigkeit des Konzerns in Japan (vgl. dazu allgemein Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 10. Aufl., MA Art. 5 Rz. 177 ff., m. w. N.), bieten die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt. An diese nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen Feststellungen ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden. Diese Bestimmungen des DBA ergänzen das KStG; sie sind daher bei der Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 zu berücksichtigen.

Offenbleiben kann im Streitfall, ob für die Gewährung einer sog. Regionalzulage nach Maßgabe später erlassener Gesetze (hier: Investitionszulagenverordnung - InvZV - vom 4. Juli 1990 sowie Investitionszulagengesetze in den ab 1. Januar 1991 geltenden Fassungen) möglicherweise etwas anderes gilt (vgl. dazu Nr. 1 des BMF-Schreibens vom 31. März 1992 BStBl I 1992, 236).

2. Die fehlende Zulagenberechtigung der Klägerin als steuerbefreiter Körperschaft ergibt sich ferner aus § 5 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1986. Die Investitionszulage ist danach aus dem Einkommen- oder Körperschaftsteueraufkommen zu gewähren. Haushaltsrechtlich wird sie als Steuermindereinnahme qualifiziert (vgl. Gesetzesmaterialien zum InvZulG 1979, BTDrucks 8/1409 S. 7 f.). Dieses und andere Elemente der Ausgestaltung der Investitionszulage im Streitjahr 1988 zeigen, daß der Gesetzgeber lediglich solche Unternehmen fördern wollte, die im Inland zu versteuernde Einkünfte erzielten bzw. erstrebten. Wegen der genannten anderen Elemente wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in den Senatsurteilen vom 8. Juli 1994 III R 13/93 (BFHE 175, 178, BStBl II 1994, 869) und vom 28. Juli 1994 III R 2/92 (BFHE 175, 182, BStBl II 1994, 872) zur fehlenden Zulagenberechtigung steuerbefreiter Körperschaften nach § 1 InvZV und nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes verwiesen.

3. Daß nach einem DBA hinsichtlich ihrer Aktivitäten in Deutschland ertragsteuerbefreite Körperschaften ohne Geschäftsleitung oder Sitz im Inland nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1986 anspruchsberechtigt sind, folgt schließlich auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der sog. Forschungs- und Entwicklungszulage (vgl. hierzu schon Senatsurteil vom 22. Juni 1995 III R 6/90, BFHE 178, 287, BStBl II 1995, 843, Abschnitt II Nr. 1 b der Entscheidungsgründe). Nach den Gesetzesmaterialien kam es der Bundesregierung bei Einführung des § 2 InvZulG 1969, der ersten Vorgängervorschrift zu § 4 InvZulG 1986, darauf an, die deutsche Wirtschaft finanziell zu stärken, damit sie sich auf dem Weltmarkt mit ihren Produkten behaupten könne. Gerade auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung sei die deutsche Wettbewerbsposition gefährdet, weil andere große Industrienationen (z. B. Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten von Amerika) die diesbezüglichen Aufwendungen der dortigen Industrie über die Vergabe von Staatsaufträgen mitfinanzierten. Die Gefährdung der deutschen Wettbewerbslage komme auch in dem signifikanten deutschen Defizit bei der sog. Patent- und Lizenzbilanz zum Ausdruck (BTDrucks V/3890 S. 19 li. Sp.). Der für die Gewährung von z. B. sog. Regionalzulagen meist maßgebliche allgemeine Gesichtspunkt der Schaffung von Arbeitsplätzen im Betrieb des Investors oder bei seinen Geschäftspartnern ist bei der Forschungs- und Entwicklungszulage hingegen nicht unmittelbar einschlägig (vgl. dazu schon Senatsurteil in BFHE 178, 287, BStBl II 1995, 843). Vor diesem Hintergrund würde eine Zulagenförderung der Forschungstätigkeit der Klägerin als ausländischem Unternehmen auch insoweit dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen.

4. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge führt nicht zum Erfolg. Der geltend gemachte Verfahrensfehler ist jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Nach den oben (unter Nr. 3) gemachten Ausführungen ist es ohne Belang, ob die Klägerin über ihre Repräsentanz möglicherweise andere, im Inland steuerpflichtige Einkünfte erzielt hat.