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  BFH-Urteil vom 15.10.1997 (I R 42/97) BStBl. 1999 II S. 316

1. Die Zuführung zu einer Rückstellung wegen einer Pensionszusage kann vGA sein, wenn die Zusage auf einer Vereinbarung beruht, die Bedingungen enthält, die fremde Dritte bei im übrigen vergleichbaren oder ähnlichen Verhältnissen nicht abgeschlossen hätten.

2. Die Prüfung der Frage, ob eine Passivierung der sich aus der Pensionszusage ergebenden ungewissen Verbindlichkeit zu einer buchmäßigen Überschuldung der Kapitalgesellschaft führen würde, kann sich immer nur auf den Betrag beziehen, für den eine vGA in Betracht gezogen wird.

3. Es ist mit dem Fremdvergleich unvereinbar, eine Pensionszusage stets dann als nicht ernstlich gemeint zu behandeln, wenn keine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen wurde.

4. Ein Zeitraum von fünf Jahren reicht aus, um die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Geschäftsführers als Voraussetzung für die Erteilung einer Pensionszusage zu prüfen.

5. Eine Widerrufsklausel, die der Regelung in Abschn. 41 Abs. 4 EStR entspricht, ist kein Indiz für die Annahme einer vGA.

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1997, 1138)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die ihrem Geschäftsführer (F), der zugleich der Ehemann der Alleingesellschafterin (G) ist, am 28. November 1990 eine schriftliche Pension für den Fall des Eintritts in den Ruhestand nach Vollendung des 65. Lebensjahres mit Witwenklausel versprach. Das monatliche Ruhegeld sollte 4.200 DM und das Witwenruhegeld monatlich 2.520 DM betragen. Die Pensionszusage war unter bestimmten Voraussetzungen unverfallbar (frühestens ab 1. Januar 1997). Ein Widerruf war nur für den Fall vorgesehen, daß eine so erhebliche Beeinträchtigung der Wirtschaftslage des Unternehmens eintritt, daß nach billigem Ermessen (§ 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) unter verständiger Abwägung der berechtigten Interessen des Pensionsberechtigten einerseits und des Unternehmens andererseits die Pensionszusage oder deren Höhe nicht aufrecht zu erhalten sei. Der Geschäftsführer war erst am 1. Januar 1985 in die Dienste der Klägerin getreten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Zuführungen zur Pensionsrückstellung für den Veranlagungszeitraum 1991 als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), weil F im Zeitpunkt der Pensionszusage erst knapp sechs Jahre lang in den Diensten der Klägerin gestanden habe. Außerdem habe die Klägerin keine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1138 veröffentlicht.

Auf die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat das FG die Revision zugelassen. Mit ihrer fristgerecht eingelegten Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und einen Verfahrensfehler.

Sie beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 19. Dezember 1996 den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1991 vom 2. April 1996 zu ändern und die Körperschaftsteuer 1991 festzusetzen, ohne in der Zuführung zur Pensionsrückstellung eine vGA zu sehen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Senat muß nicht entscheiden, ob dem FG der von der Klägerin gerügte Verfahrensfehler unterlaufen ist. Die Klägerin hat ihre Revision auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muß der Bundesfinanzhof (BFH) das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Rdnr. 54). Da die Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage führt, muß der Senat nicht noch darüber entscheiden, ob die Klägerin auch infolge eines Verfahrensfehlers in ihren Rechten verletzt ist.

2. Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795).

3. Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß im Streitjahr 1991 G die Alleingesellschafterin der Klägerin war. Mithin war sie sog. beherrschende Gesellschafterin der Klägerin und F als ihr Ehemann eine ihr nahestehende Person. Zwischen der Klägerin und F bestand ein Geschäftsführervertrag. Dieser wurde auch tatsächlich durchgeführt. Außerdem hatte die Klägerin dem F am 28. November 1990 eine Pensionszusage erteilt. Ihrem Inhalt nach wurde die Pensionszusage von vornherein, klar und zivilrechtlich wirksam vereinbart. Die sich hieraus ergebenden ungewissen Verbindlichkeiten wurden passiviert. Deshalb ergeben sich entgegen der Auffassung des FG aus der beherrschenden Gesellschafterstellung der G keine Anhaltspunkte für die Annahme einer vGA.

4. Kommt es somit ausschließlich darauf an, ob im Streitfall die gewinnmindernd behandelte ungewisse Verbindlichkeit der Klägerin aus der Pensionszusage gegenüber F ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis zu G hat, so kann von dem Vermutungssatz ausgegangen werden, daß eine Gewinnminderung, die auf einer Vereinbarung mit einer dem Gesellschafter nahestehenden Person beruht, dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, wenn in ihr Bedingungen enthalten sind, die fremde Dritte bei im übrigen vergleichbaren oder ähnlichen Verhältnissen nicht abgeschlossen hätten (ähnlich für Familienpersonengesellschaften: Bordewin, Der Betrieb - DB - 1996, 1359, unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 5. Juni 1986 IV R 53/82, BFHE 147, 139, BStBl II 1986, 798, und vom 22. Januar 1991 VIII R 321/83, BFH/NV 1991, 667). Diese Voraussetzungen sind nur in bezug auf den Betrag zu prüfen, für den eine vGA in Betracht gezogen wird. Dies ist im Streitfall der Betrag von 23.295 DM, der im Streitjahr 1991 der Rückstellung wegen der Pensionszusage zugunsten des F zugeführt wurde. Nur in dieser Höhe trat bei der Klägerin im Streitjahr eine Gewinnminderung ein. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht, daß entweder die Pensionszusage isoliert gesehen oder aber das Geschäftsführerentgelt des F insgesamt gesehen unangemessen hoch gewesen wäre. Die monatliche Pension war in Höhe von 4.200 DM fest vereinbart. Das FG hat zwar die Höhe des Jahresgehaltes von F nicht festgestellt. Das FA hat jedoch insoweit keine Unangemessenheit geltend gemacht, weshalb der Senat keine Notwendigkeit sieht, diese einer erneuten Überprüfung durch das FG zu unterziehen.

5. Das FG hat allerdings die Auffassung vertreten, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin dem F keine Pensionszusage erteilt haben würde, weil die Klägerin damit rechnen müsse, ihren Betrieb zu schließen, wenn F in den Ruhestand treten sollte. Diese Rechtsauffassung des FG wird jedoch von den dazu von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin nicht in der Lage sein soll, einen geeigneten Nachfolger für F als Geschäftsführer zu finden und ihn bis zu der mutmaßlichen Pensionierung des F in seine künftigen Aufgaben einzuarbeiten. Ebensowenig ist es einsehbar, weshalb es unwahrscheinlich sein soll, daß ein Erwerber des Betriebes der Klägerin bereit sein wird, die Pensionszusage gegenüber F zu übernehmen. Grundsätzlich wird ein Erwerber die auf ihn gesetzlich übergehenden Verpflichtungen erfüllen müssen. Zwar steht es ihm frei, mit F über eine mögliche Ablösung der Pensionsverpflichtung zu verhandeln. Im Zweifel wird F dafür jedoch eine Abfindung verlangen und erhalten, woraus deutlich wird, daß ihm aufgrund der Pensionszusage eine ernstlich gemeinte vermögenswerte Position zugewachsen ist. Damit gründet sich die Rechtsauffassung des FG auf Unterstellungen, die als solche unzulässig sind.

6. Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des FA, das darauf abstellt, daß eine Passivierung der sich aus der Witwenklausel für die Klägerin ergebenden ungewissen Verbindlichkeit zu deren buchmäßiger Überschuldung führen müßte. Zu unterscheiden ist zwischen der ungewissen Verbindlichkeit aufgrund der Pensionszusage gegenüber F und der ungewissen Verbindlichkeit aufgrund der Witwenklausel. Es ist durchaus denkbar, daß die Veranlassung beider Verbindlichkeiten unterschiedlich zu beurteilen ist. Dies gilt z. B. dann, wenn die Witwenklausel erst später erteilt wird oder wenn die Witwenpension für sich gesehen unangemessen hoch wäre. Für das Streitjahr 1991 ist jedoch nur über die Veranlassung der Zuführungen zur Pensionsrückstellung in Höhe von 23.295 DM durch das Gesellschaftsverhältnis zu entscheiden. Für diese Zuführungen ist die Witwenklausel ohne jeden Belang. Ihre (hier: unterstellte) Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis schlägt deshalb auf die allein zu beurteilende Gewinnminderung nicht durch.

7. Der Senat folgt auch nicht der Auffassung, daß eine Pensionszusage, für die keine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen werde, stets nicht ernstlich gemeint sei. Fremde Arbeitnehmer erhalten häufig Pensionszusagen, die nicht durch eine Rückdeckungsversicherung abgesichert sind. Deshalb läßt sich die genannte Rechtsauffassung aus dem Fremdvergleich nicht ableiten. Zwar schließt dies nicht aus, die Ernsthaftigkeit der Pensionszusage zu prüfen. Auch kann insbesondere geprüft werden, ob die Kapitalgesellschaft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Anspruch genommen werden wird oder ob sie im Falle ihrer Inanspruchnahme ihrer Verpflichtung mutmaßlich nachkommen kann. Unter diesem Gesichtspunkt kann jedoch eine nicht ernstlich gemeinte Pensionszusage nur dann angenommen werden, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß die Kapitalgesellschaft entweder nicht in Anspruch genommen werden oder sie im Falle ihrer Inanspruchnahme die versprochene Leistung nicht erbringen wird. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wesen des Fremdvergleichs, der den Rückschluß auf eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nur dann zuläßt, wenn positiv festgestellt wird, daß fremde Dritte so nicht gehandelt hätten. Dies folgt aber auch aus der Beweislastverteilung. Für vGA trägt das FA die Beweislast (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 I R 43/94, BFH/NV 1995, 548). Letztlich hat das FG jedoch keine einzige tatsächliche Feststellung getroffen, die eine der beiden Schlußfolgerungen mit ausreichender Sicherheit zuließe.

8. Eine Veranlassung der Zuführungen zur Pensionsrückstellung durch das Gesellschaftsverhältnis ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Klägerin den F erst zum 1. Januar 1985 einstellte und ihm "schon" am 28. November 1990 eine Pension versprach. Der Senat geht davon aus, daß ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren ausreicht, um die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Geschäftsführers als Voraussetzung für die Erteilung einer Pensionszusage zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 1988 I R 107/84, BFH/NV 1989, 195).

9. Eine Veranlassung des Pensionsversprechens durch das Gesellschaftsverhältnis ergibt sich auch nicht aufgrund der Widerrufsklausel in der Nummer 6 der Pensionszusage. Die dort geregelte Widerrufsmöglichkeit entspricht der in § 6a Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes enthaltenen Regelung, wie sie durch Abschn. 41 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien ausgefüllt wird. Wenn der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, daß entsprechende Formulierungen nicht gegen die Ernstlichkeit der Inanspruchnahme des Pensionsverpflichteten sprechen, muß dies auch für den Bereich der vGA gelten.

10. Die Vorentscheidung entspricht nicht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben und war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Klage war stattzugeben. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid wird geändert. In Höhe der Zuführungen zu der Pensionsrückstellung ist keine vGA anzunehmen. Der Gewinn der Klägerin und deren zu versteuerndes Einkommen sind entsprechend zu ändern. Dabei ist die Minderung der Gewerbeertragsteuer gegenzurechnen. Dem FA wird aufgegeben, die sich auf dieser Grundlage ergebende Körperschaftsteuer 1991 zu errechnen und der Klägerin formlos mitzuteilen.