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  BFH-Urteil vom 29.4.1999 (III R 27/95) BStBl. 1999 II S. 567

Die Veräußerung von Milchkühen (zur Schlachtung) eines nicht leukoseunverdächtigen Bestandes vor Ablauf von drei Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Zweck der Leukosesanierung des Bestandes ist investitionszulagenschädlich. Das gilt insbesondere dann, wenn dabei ein Erlös erzielt wird, der nur geringfügig niedriger ist als der für Tiere aus einem leukoseunverdächtigen Bestand.

InvZulG 1991 § 2 Satz 1.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft in Brandenburg, beantragte für das Streitjahr 1991 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) die Gewährung einer Investitionszulage in Höhe von 12 v. H. nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1991. Der Antrag umfaßte u. a. auch von ihr, der Klägerin, im Streitjahr hergestellte Milchkühe, deren Herstellungskosten ... DM betrugen. Im Streit ist noch die Gewährung einer Investitionszulage für 321 Kühe zu Herstellungskosten von insgesamt 424.342,50 DM.

Einige Tiere waren an Leukose, einer durch Viren übertragenen Blutkrankheit, erkrankt. Damit gehörten sämtliche Tiere einem nicht leukoseunverdächtigen Rinderbestand an und unterlagen den Beschränkungen der Leukose-Verordnung-Rinder (Leukoseverordnung) vom 2. April 1980 (BGBl I 1980, 417) i. d. F. der Änderungsverordnung vom 17. Oktober 1989 (BGBl I 1989, 1916). Der Einsatz zur Milcherzeugung und der Verkauf zu Schlachtzwecken waren indes weiterhin möglich. Der Verkaufspreis von Rindern aus einem leukosepositiven Bestand war geringfügig niedriger als der von Tieren aus einem leukoseunverdächtigen Bestand.

In der DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 bewertete die Klägerin die Tiere ausgehend davon, daß sie aufgrund des leukosepositiven Befundes bis Ende 1992 ausgesondert werden sollten, entsprechend niedriger. Zum 1. Januar 1992 wurden die Tiere an die A GmbH (GmbH), die wirtschaftliche Nachfolgerin des landwirtschaftlichen Betriebs der Klägerin, veräußert, die die Kühe in denselben Ställen weiter hielt.

Die Klägerin und dann die GmbH führten aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere um die hohen veterinärmedizinischen Kosten zu senken, eine Leukosesanierung des Bestandes durch, indem sie die Tiere stallweise nach und nach durch leukoseunverdächtige Tiere ersetzten. So konnte die Milchquote gehalten werden. Die Klägerin hatte im Streitjahr und in den Jahren davor einen durchschnittlichen Milchviehbestand von rd. ... Tieren. Bei etwa ... Abkalbungen im Jahr blieben die Milchkühe durchschnittlich vier Jahre im Bestand. Im Jahre 1992 wurden die Kühe, um deren Zulagebegünstigung noch gestritten wird, zur Schlachtung verkauft.

Das FA lehnte den Investitionszulagenantrag insoweit ab. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA führte in der Einspruchsentscheidung aus: Da die Kühe bereits in der DM- Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 unter der Voraussicht bewertet worden seien, daß der gesamte Bestand wegen der Einstufung als leukosepositiv bis Ende des Jahres 1992 ausgesondert werden sollte, hätten sie nicht zum Anlagevermögen der Klägerin gehört.

Auch die Klage blieb im Streitpunkt erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Entgegen der Auffassung des FA hätten die Milchkühe zum Anlagevermögen der Klägerin gehört. Ihr Geschäftsgegenstand sei im wesentlichen die Milcherzeugung. Selbst wenn die Klägerin bei der Aufstellung der DM- Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 davon ausgegangen sei, daß die Tiere, die 1991 abkalben würden, im Folgejahr ausgesondert werden sollten, hätten diese Tiere zumindest eine Zeitlang dem Geschäftsgegenstand der Klägerin dienen sollen. Tatsächlich seien die Tiere mehrheitlich mindestens sieben Monate zur Milcherzeugung eingesetzt worden. Ein nicht unerheblicher Teil der Rinder sei noch nach über zwei Jahren im Bestand der Klägerin gewesen. Alle Tiere seien nach der Herstellung, d. h. nach der ersten Abkalbung, zur Milcherzeugung eingesetzt worden.

Bei den Tieren sei indes nicht die dreijährige Verbleibensvoraussetzung gemäß § 2 Satz 1 InvZulG 1991 erfüllt. Das vorzeitige Ausscheiden eines Wirtschaftsguts sei nur in Ausnahmefällen, z. B. bei höherer Gewalt, unschädlich. Die Klägerin habe die Milchkühe aber aus wirtschaftlichen Erwägungen gegen leukoseunverdächtige Tiere ausgetauscht. Durch die stallweise Auswechselung der leukoseverdächtigen Bestände habe sich die Klägerin in erster Linie die nach der Leukoseverordnung erforderlichen erhöhten veterinärmedizinischen Aufwendungen erspart, z. B. die getrennte Haltung eines leukosepositiven Bestandes und die Reinigung und Desinfektion der Ställe. Gleichwohl seien die Milchkühe weiterhin zur Milchproduktion einsetzbar gewesen. Beim Verkauf zu Schlachtzwecken hätten sie nur geringfügig niedrigere Preise als Tiere aus leukoseunverdächtigen Beständen erzielt. Da die Klägerin als milchproduzierender Betrieb die Tiere bis zur Schlachtung gehalten habe, sei ihr wirtschaftlicher Wert - abgesehen von den Mehrkosten aufgrund der Leukoseverordnung - nur geringfügig niedriger als bei leukoseunverdächtigen Rindern gewesen. Die Klägerin sei daher nicht aufgrund äußerer Umstände gezwungen gewesen, die Tiere auszusondern. Vielmehr seien Rentabilitätsgesichtspunkte für das vorzeitige Ausscheiden der Tiere maßgebend gewesen. Solche Gründe rechtfertigten keine Ausnahme von der dreijährigen Verbleibensvoraussetzung.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei das vorzeitige Ausscheiden eines Wirtschaftsguts unschädlich, wenn dies aufgrund höherer Gewalt wie Brand, Diebstahl oder Unfall, infolge wirtschaftlichen Verbrauchs oder eines Totalschadens geschehe oder wenn ein Wirtschaftsgut wegen Mangelhaftigkeit gegen ein anderes Wirtschaftsgut gleicher oder besserer Qualität ausgetauscht werde. Die Gründe für das vorzeitige Ausscheiden müßten in den Wirtschaftsgütern selbst liegen. Ihr Ausscheiden dürfe nicht auf einem vom Willen des Unternehmers abhängigen Ereignis beruhen.

Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben. Das vorzeitige Ausscheiden der Milchkühe beruhe nicht auf ihrem, der Klägerin, Willen. Die Gründe für das Ausscheiden hätten vielmehr in den Tieren selbst, nämlich in der Erkrankung einzelner Tiere verbunden mit den Nachteilen für den Betrieb aufgrund der Leukoseverordnung gelegen. Die Beschränkungen hätten im wesentlichen darin bestanden, daß die Tierbestände hätten separiert werden müssen, Verkäufe ohne Benachrichtigung bzw. Genehmigung durch das Veterinäramt unzulässig gewesen seien und ein - für den wirtschaftlichen Erfolg wichtiger - Austrieb auf die Weide untersagt gewesen sei. Außerdem seien in der Zeit vom 28. Februar 1992 bis zum 16. November 1992 Tötungsanweisungen des Amtstierarztes verfügt worden. Davon seien auch 108 Kühe betroffen gewesen, für die für das Streitjahr Investitionszulage beantragt worden sei. Es sei davon auszugehen, daß auch diejenigen Milchkühe, die nach der ersten Abkalbung noch einige Zeit für die Milcherzeugung genutzt und ohne amtstierärztliche Tötungsanweisung zur Schlachtung gegeben worden seien, kurze Zeit später ohnehin aufgrund solcher Tötungsanweisungen hätten geschlachtet werden müssen. Deshalb seien auch diese Tiere als zur Zucht untauglich wirtschaftlich verbraucht gewesen.

Insbesondere die Tötungsanweisungen verdeutlichten, daß die betreffenden geschlachteten Tiere aufgrund höherer Gewalt ausgeschieden seien. In solchen Fällen sei es nicht investitionszulagenschädlich, wenn der Investor durch das Erzielen eines nicht zu vernachlässigenden Preises bei der Veräußerung in gewissem Umfange von den Herstellungskosten entlastet werde.

Die behördlichen Bestrebungen in den neuen Bundesländern seien dahin gegangen, die Bestände möglichst schnell leukosefrei zu bekommen. Um ihre wirtschaftliche Existenz für die Zukunft zu sichern, seien die Betriebe aber gezwungen gewesen, die Produktion zunächst mit nicht leukoseunverdächtigen Beständen fortzusetzen und die Sanierung des Bestandes ratenweise durchzuführen. Das FG habe es unterlassen, diese behördlichen Bestrebungen zu erforschen. Es habe sich auch nicht hinreichend mit der Leukoseverordnung auseinandergesetzt und nicht ermittelt, welche Sanktionen über den Betrieb verhängt worden seien. Das FG hätte feststellen müssen, aus welchem Grund die Tiere vorzeitig ausgeschieden seien. Dabei hätte es auf die Tötungsanweisungen stoßen müssen, die von ihr, der Klägerin, nicht vorgelegt worden seien, weil im finanzgerichtlichen Verfahren die Abgrenzung von Anlagevermögen und Umlaufvermögen im Vordergrund gestanden habe.

Auch sei zu beachten, daß in dem Verbleibenszeitraum die Ausmerzung der Leukose durch Subventionen bezuschußt worden sei. Das FG habe nicht geprüft, ob die Veräußerung von Schlachttieren aus einem nicht leukoseunverdächtigen Bestand auch nach dem Auslaufen der Subventionen zu wirtschaftlich gleichen Konditionen möglich gewesen sei. Ferner habe das FG nicht festgestellt, inwieweit in einem nicht leukoseunverdächtigen Tierbestand eine leistungsstarke Nachzucht erfolgen könne. Bei gebotener Sachaufklärung durch das FG wäre auch deutlich geworden, daß bei den Tieren, die ohne Tötungsanweisung vor Ablauf der Verbleibensfrist aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden seien, ein wirtschaftlicher Verbrauch vorgelegen habe.

Dem FA sei bekannt gewesen, daß in ihrem, der Klägerin, Bestand Tiere erkrankt gewesen seien und daß deshalb der gesamte Bestand habe saniert werden müssen. Das FA habe daher die Tiere im Zeitpunkt ihrer Fertigstellung dem Umlaufvermögen zugeordnet. Dementsprechend habe sie, die Klägerin, im Klageverfahren dahingehend argumentiert, daß die Tiere dem Anlagevermögen zuzurechnen seien. Weder das FA noch das FG hätten indes vor der mündlichen Verhandlung erkennen lassen, daß die Ablehnung der Investitionszulage auf die Nichteinhaltung der Verbleibensfrist gestützt werden könnte.

Das FG habe ferner keine Feststellungen zu der Leukosesanierung in den neuen Bundesländern getroffen. Ihr, der Klägerin, Beweisangebot, den für die Leukosesanierung in ihrem Betrieb zuständigen Sachgebietsleiter beim Landrat des Kreises zu Fragen der Leukosesanierung zu hören, sei nicht angenommen worden.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Investitionszulage auf ... DM festzusetzen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend gemacht, das FG hätte von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, ist insbesondere darzulegen, welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung hätte aufdrängen müssen und inwiefern eine weitere Sachaufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1997 VIII R 18/96, BFH/NV 1998, 582). Wird gerügt, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, ist außer dem voraussichtlichen Ergebnis der Beweisaufnahme auch vorzutragen, daß die Nichterhebung des Beweises vor dem FG rechtzeitig gerügt wurde oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (BFH-Beschluß vom 20. März 1997 XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777).

Die Aufklärungsrüge der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin weist in ihrer innerhalb der bis zum 20. Mai 1995 verlängerten Begründungsfrist eingegangenen Revisionsbegründung lediglich auf Umstände hin, die das FG nach ihrer, der Klägerin, Meinung hätte weiter aufklären müssen, und führt ein im Klageverfahren vorgebrachtes Beweisangebot an. Es fehlt indes an konkreten Darlegungen dahingehend, inwiefern das FG bei einer weiteren Sachaufklärung oder nach dem voraussichtlichen Ergebnis der beantragten Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Ferner hat die Klägerin nicht ausgeführt, daß sie die Nichterhebung des angebotenen Beweises vor dem FG gerügt hat bzw. daß ihr eine entsprechende Rüge im finanzgerichtlichen Verfahren nicht möglich war. Wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist führen die Ergänzungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 8. April 1999 zu keinem anderen Ergebnis.

b) Auch die Rüge, das FG habe vor der mündlichen Verhandlung nicht erkennen lassen, daß die Ablehnung des Investitionszulagenantrags auf die Nichteinhaltung der Verbleibensfrist gestützt werden könnte, hat keinen Erfolg.

Unabhängig davon, ob die Klägerin die damit erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs nach dem Vorbringen in ihrem Schriftsatz vom 8. April 1999 weiter aufrechterhält, bestehen bereits Bedenken, ob die Versagung des rechtlichen Gehörs schlüssig vorgebracht ist. Denn die Klägerin hat nicht im einzelnen dargetan, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch zusätzlich vorgetragen hätte und daß bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (BFH-Beschluß vom 25. August 1997 VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196). Jedenfalls liegt darin, daß das FG - anders als das FA - nicht auf die Frage der Zugehörigkeit der Milchkühe zum Anlagevermögen oder Umlaufvermögen, sondern darauf abgestellt hat, ob die dreijährige Verbleibensvoraussetzung eingehalten ist, keine Gehörsverletzung. Die Klägerin konnte von der Entscheidung des FG schon deshalb nicht in unzulässiger Weise überrascht worden sein, weil das FA bereits in dem Schriftwechsel im Antragsverfahren verschiedentlich auf die Einhaltung der Verbleibensvoraussetzungen hingewiesen hatte (z. B. Schreiben vom 28. September und vom 8. Dezember 1992). Auch die Klägerin hatte im Klageverfahren mehrmals zu den Verbleibensvoraussetzungen Stellung genommen (Schriftsätze vom 10. März und vom 15. November 1994). Sie konnte daher nicht davon ausgehen, daß das FG allein deshalb, weil das FA in der Einspruchsentscheidung maßgeblich auf den Gesichtspunkt der Zugehörigkeit der Tiere zum Umlaufvermögen abgestellt hatte, die Einhaltung der Verbleibensvoraussetzungen nicht mehr zu prüfen haben werde. Im übrigen gilt auch hier, daß die Ergänzungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 8. April 1999 vom Senat nicht mehr zu prüfen sind.

2. Die materiell-rechtlichen Einwendungen der Klägerin sind nicht begründet.

a) Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1991 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung insbesondere zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß im Streitfall keine Ausnahme von der dreijährigen Bindungsfrist anzuerkennen ist. Wie der Senat in seinen Urteilen vom 12. April 1994 III R 64/91 (BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711) und vom 26. August 1994 III R 75/92 (BFH/NV 1995, 545), jeweils m. w. N., ausgeführt hat, hat der BFH von vergleichbaren Verbleibregelungen in anderen Zulagevorschriften nur in eng begrenzten Fällen Ausnahmen zugelassen. Er hat ein vorzeitiges Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb des Investors dann als unschädlich angesehen, wenn es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht (schrottreif) war und es außerdem auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert hatte. Betriebswirtschaftliche Gründe, die es dem Betriebsinhaber im Einzelfall zwingend oder ratsam erscheinen lassen, sich vorzeitig von einem Wirtschaftsgut zu trennen, rechtfertigen hingegen keine Ausnahme von dem gesetzlichen Erfordernis der dreijährigen Verbleibdauer (Urteil des Senats vom 5. Mai 1988 III R 181/83, BFH/NV 1988, 741, zu § 1 InvZulG 1975). Das vorzeitige Ausscheiden eines Wirtschaftsguts ist nur dann unschädlich, wenn die dafür ursächlichen Gründe in dem Wirtschaftsgut selbst liegen, nicht aber in dem Betrieb (Urteil des Senats vom 2. Mai 1980 III R 12/79, BFHE 131, 419, BStBl II 1980, 758, zu § 3 Abs. 5 InvZulG 1969). Der Senat hat dementsprechend eine Ausnahme von der Verbleibregelung des § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1982 bzw. 1986 als nicht gerechtfertigt angesehen, wenn Wirtschaftsgüter z. B. aus testspezifischen Gründen vor Ablauf des Drei-Jahres-Zeitraums ihre Tauglichkeit für den Betrieb des Investors verlieren und zu einem nicht zu vernachlässigenden Preis veräußert werden (Urteile in BFHE 175, 173, BStBl II 1994, 711, und in BFH/NV 1995, 545). Entscheidend dafür war neben der Größenordnung des Veräußerungserlöses und der damit im Ergebnis einhergehenden Minderung der ursprünglich geltend gemachten Aufwendungen auch die Überlegung, daß der Gesetzgeber die Einhaltung der Drei-Jahres-Frist in den Fällen, in denen er sie in das Gesetz aufgenommen hat, als maßgebliche Grundlage für die Erreichung des mit der jeweiligen Zulage bezweckten Erfolges angesehen hat. Es handelt sich hierbei um eine typisierende Regelung, die Ausnahmen nur in seltenen Fällen zuläßt. Dementsprechend ist auch für die Gewährung einer Investitionszulage nach § 2 Satz 1 InvZulG 1991 grundsätzlich erforderlich, daß das betreffende Wirtschaftsgut mindestens drei Jahre nach seiner Anschaffung oder Herstellung tatsächlich zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehört und in einer solchen Betriebsstätte verbleibt. Der Gesetzgeber hat hier ebenfalls eine zeitliche Bindung von drei Jahren zur Verwirklichung der Zielsetzung, zusätzliche Anreize für eine verstärkte Investitionstätigkeit zu schaffen, für erforderlich gehalten (BTDrucks. 12/219, S. 21). Der Rechtsauffassung der Klägerin, in Fällen, in denen ein Wirtschaftsgut im Betrieb des Steuerpflichtigen (Investors) nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden kann, dürfe der Investitionszulagengewährung bei einem vorzeitigen Ausscheiden der Gesichtspunkt der Entlastung von den ursprünglichen Aufwendungen nicht entgegenstehen, kann nicht gefolgt werden. Bei Erzielen eines nicht zu vernachlässigenden Veräußerungspreises führte dies im Ergebnis zu einer Doppelförderung des Steuerpflichtigen (Investors) in einem dem Zweck der Investitionszulagengewährung zuwiderlaufenden Umfange.

b) Hiervon ausgehend ist der Streitfall mit den vom Senat anerkannten Ausnahmen von der Einhaltung der Verbleibfrist nicht vergleichbar. Die Milchkühe hätten - wie die Klägerin einräumt - grundsätzlich auch in einem als nicht leukoseunverdächtig eingestuften Bestand bis zum Ende der Verbleibfrist zur Milchproduktion eingesetzt werden können. Davon hat die Klägerin in erster Linie deshalb Abstand genommen, weil sie zur Vermeidung der in einem nicht leukoseunverdächtigen Bestand anfallenden höheren Betriebskosten die Leukosesanierung zügig durchführen wollte. Die betreffenden Tiere waren daher nur für die besonderen betrieblichen Belange der Klägerin nicht mehr geeignet. Sie hätten jedoch - allerdings bei höheren Betriebskosten - nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) von der Klägerin oder einem anderen milchproduzierenden Betrieb ohne weiteres wie zuvor bis zum Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer genutzt werden können. Ein technischer oder wirtschaftlicher Verbrauch im Sinne der oben genannten Rechtsprechung lag somit nicht vor. Für die Veräußerung der Tiere waren vielmehr betriebswirtschaftliche Gründe ausschlaggebend.

Auch hatte die Klägerin im Ergebnis bei weitem nicht die Herstellungskosten zu tragen, für die sie die Zulage begehrt hatte. Dies belegt der von der Klägerin erzielte Verkaufspreis, der - wie vom FG festgestellt - nur geringfügig niedriger war als der für Tiere aus einem leukoseunverdächtigen Bestand. Bei solchen Verhältnissen würde die Gewährung einer Investitionszulage dazu führen, daß der Investor von Herstellungskosten entlastet würde, die er im Ergebnis in erheblichem Umfang gar nicht getragen hat (Senatsurteil in BFH/NV 1995, 545). Im Streitfall ist daher eine (weitere) Ausnahme von der Einhaltung der Verbleibfrist nicht gerechtfertigt (vgl. a. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. November 1996, BStBl I 1996, 1460, zur vorzeitigen Veräußerung erkrankter oder von Krankheiten bedrohter Milchkühe).

Für die Tiere, die aufgrund von Tötungsanweisungen ausschieden, gilt nichts anderes, sofern die Anweisungen - wie auch bei der freiwilligen Aussonderung - zum Verkauf zur Schlachtung führten. Die Klägerin räumt selbst ein, daß auch insoweit Preise erzielt wurden, die nur geringfügig niedriger waren als die für Tiere aus einem leukoseunverdächtigen Bestand.

c) Die Investitionszulage kann schließlich auch nicht etwa deshalb gewährt werden, weil die Leukosesanierung in den neuen Bundesländern einen besonders hohen Stellenwert hatte. Dies entspräche nicht der o. g. Zielsetzung der Förderung durch Investitionszulagen. Dafür gab es auch, worauf die Klägerin selbst hingewiesen hat, spezielle Förderprogramme.