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  BFH-Urteil vom 16.5.2001 (X R 149/97) BStBl. 2001 II S. 580

Aufwendungen zur Finanzierung von Ausbauten und Erweiterungen sind als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG nur abziehbar, wenn der Steuerpflichtige eine eigene Wohnung ausbaut oder erweitert. Wird dem Steuerpflichtigen das Eigentum an der Wohnung nach Beginn, aber vor Fertigstellung des Ausbaus oder der Erweiterung übertragen, sind auch die vor dem Eigentumsübergang angefallenen Finanzierungskosten für den Ausbau oder die Erweiterung als Vorkosten zu berücksichtigen.

Schuldzinsen für Kredite zur Auffüllung von Bausparverträgen sind grundsätzlich als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar, wenn mit den künftigen Bauspardarlehen Ausbauten/Erweiterungen i.S. des § 10e Abs. 2 EStG finanziert oder Darlehen zur Finanzierung der Ausbauten/Erweiterungen abgelöst werden sollen. Jedoch sind die Guthabenzinsen aus den aufgefüllten Bausparverträgen mit den Schuldzinsen zu verrechnen.

EStG § 10e Abs. 1, 2 und 6.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1998, 555)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind seit 1977 verheiratet und wohnten im Obergeschoss eines den Eltern der Klägerin gehörenden Wohnhauses. Da sie einen Anbau an dieses Gebäude planten, der mit Bausparverträgen finanziert werden sollte, nahm der Kläger zwei Darlehen über 35.000 DM und 62.400 DM auf und zahlte sie auf zwei Bausparverträge ein, deren Bausparsumme noch nicht erreicht war. Ein weiteres Darlehen über 100.000 DM sollte der Finanzierung der Baukosten dienen.

Im Jahr 1989 begann der Kläger mit den Bauarbeiten für den Anbau. Durch Übergabe- und Schenkungsvertrag vom 2. März 1992 übertrugen die Eltern das Grundstück im Wege vorweggenommener Erbfolge je zur Hälfte auf den Kläger und die Klägerin unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts an der Wohnung im Erdgeschoss. Im finanzgerichtlichen Verfahren trug der Kläger vor, die Klägerin sei im Juni 1995 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und habe ihren Miteigentumsanteil durch notariellen Vertrag vom September 1995 auf ihn übertragen. Der Anbau sei im Jahr 1995 fertig gestellt und im Dezember 1995 vom ihm und seiner Tochter bezogen worden.

In den Streitjahren 1989 bis 1991 waren Schuldzinsen aus den Darlehensverträgen und Guthabenzinsen aus den Bausparverträgen wie folgt angefallen:

 

1989

1990

1991

       
Schuldzinsen

6.666 DM

9.876 DM

10.445 DM

Guthabenzinsen

2.541 DM

2.875 DM

2.945 DM

 

-------------

-------------

---------------

Differenz

4.125 DM

7.001 DM

7.500 DM

Im geänderten Einkommensteuerbescheid für 1989 und in den erstmaligen Einkommensteuerbescheiden für 1990 und 1991 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die von den Klägern als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend gemachten Schuldzinsen nur teilweise (1989: 3.660 DM, 1990: 6.210 DM, 1991: 6.653 DM): Es zog von den Schuldzinsen die Guthabenzinsen ab und kürzte die verbleibenden Aufwendungen um den Anteil, der nach dem Verhältnis der Wohnflächen auf die überbaute Terrasse der Erdgeschosswohnung und eine Garage entfiel, weil diese Räume nicht für eigene Wohnzwecke der Kläger bestimmt seien. Die Bescheide ergingen unter Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Jahr 1993 beantragten die Kläger erfolglos, die Schuldzinsen ohne Verrechnung mit den Guthabenzinsen zum Abzug zuzulassen. Gegen den die Änderung der Einkommensteuerbescheide 1989 bis 1991 ablehnenden Bescheid erhoben die Kläger Einspruch. In der Einspruchsentscheidung änderte das FA - nach vorherigem Hinweis auf die Verböserung - die Steuerfestsetzungen für 1989 bis 1991 und versagte den Schuldzinsenabzug ganz. Es führte aus, Finanzierungskosten seien erst ab dem Zeitpunkt abziehbar, zu dem Maßnahmen eingeleitet würden, die zum Eigentumserwerb führten. Diese setzten regelmäßig ein obligatorisches Verpflichtungsgeschäft voraus. Der Übergabe- und Schenkungsvertrag sei jedoch erst im Jahr 1992 nach Ablauf der Streitjahre 1989 bis 1991 geschlossen worden.

Mit der Klage beantragten die Kläger, die Guthabenzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen und die Finanzierungskosten für den Anbau (Schuldzinsen zuzüglich Kosten für Fahrten zur Hausbank in Höhe von jährlich 70 DM) als Vorkosten zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 555 veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG.

Sie beantragen, das finanzgerichtliche Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1989 bis 1991 Finanzierungskosten für 1989 in Höhe von 6.736 DM, für 1990 in Höhe von 9.946 DM, für 1991 in Höhe von 10.515 DM als Vorkosten zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu Unrecht hat das FG die Finanzierungskosten insgesamt nicht als Vorkosten berücksichtigt.

1. Nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG setzt der Abzug als Vorkosten unter anderem voraus, dass die Aufwendungen bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung i.S. des § 10e Abs. 1 EStG zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind, unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazugehörenden Grund und Bodens zusammenhängen und im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abziehbar wären. Bei "Ausbauten und Erweiterungen an einer zu Wohnzwecken genutzten Wohnung" gilt § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG entsprechend (§ 10e Abs. 6 Satz 3 EStG i.d.F. für die Streitjahre 1989 bis 1991). Aus der Weiterverweisung in § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG auf § 10e Abs. 1 EStG folgt, dass die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Ausbau oder der Erweiterung an einer eigenen Wohnung stehen müssen.

a) Maßgebend für die steuerliche Behandlung von Schuldzinsen ist der Verwendungszweck des Darlehens (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Im Falle der Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung sind daher nach ständiger Rechtsprechung des BFH Schuldzinsen als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG abziehbar, wenn mit den Kreditmitteln eine eigene Wohnung angeschafft oder hergestellt wird (BFH-Urteil vom 27. Juni 1995 IX R 48/93, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151, unter 3. b; Senatsurteile vom 20. September 1995 X R 94/92, BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186, unter 4. b; vom 1. April 1998 X R 125/94, BFH/NV 1998, 1347, unter II. 2. a; vom 4. November 1998 X R 140/95, BFHE 187, 465, BStBl II 1999, 93, unter II. 1.). Entsprechend hängen Schuldzinsen unmittelbar mit dem Ausbau oder der Erweiterung an einer eigenen Wohnung zusammen, wenn die Darlehensbeträge für die Finanzierung der Herstellungskosten einer solchen Baumaßnahme bestimmt sind.

b) Zu berücksichtigen sind auch Schuldzinsen für Darlehen, deren Mittel auf Bausparverträge eingezahlt werden (sog. Auffüllungskredite), wenn die Bauspardarlehen - wie im Streitfall - nach Zuteilungsreife der Bausparverträge für die Finanzierung von Ausbauten und Erweiterungen verwendet oder damit Kredite abgelöst werden sollen, die zur Finanzierung der Baumaßnahmen und zur Auffüllung der Bausparverträge aufgenommen worden sind. Jedoch sind die Guthabenzinsen aus dem Bausparvertrag mit den Schuldzinsen für den Auffüllungskredit zu saldieren (gl.A. z.B. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 28. Februar 1990, BStBl I 1990, 124; Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 6. Aufl., S. 601; Kleeberg in Kirchhof/ Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10e Rz. H 25; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 10e Rz. 144; Paus, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1988, 204; Thömmes, DStZ 1987, 477; a.A. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Anm. 700 "Bausparverträge").

aa) Die Saldierungspflicht ergibt sich aus der nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG erforderlichen sog. Parallelwertung mit den Werbungskosten im Fall der Vermietung oder Verpachtung. Bei einer Vermietung der ausgebauten/erweiterten Wohnung wären die Schuldzinsen zwar als Werbungskosten abziehbar, jedoch wären die Guthabenzinsen aus dem Bausparvertrag wegen des Zusammenhangs mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Einkünfte anzusetzen (BFH-Urteil vom 19. April 1996 VIII B 41/95, BFH/NV 1996, 745, m.w.N.).

bb) Die Parallelwertung mit den Werbungskosten bezweckt die Berücksichtigung nur solcher Aufwendungen, die nach der Rechtslage vor 1987 als Werbungskosten abziehbar waren. Der Vorkostenabzug soll den - vor Abschaffung der Nutzungswertbesteuerung möglichen - Werbungskostenabzug von Aufwendungen in der Bau- und Anschaffungsphase bei eigengenutzten Wohnungen in seinen Wirkungen erhalten (BTDrucks 10/3633, S. 10). Eine Erweiterung der bisherigen Abzugsmöglichkeiten war damit nicht gewollt (Senatsurteil vom 28. Mai 1998 X R 32/97, BFHE 186, 275, BStBl II 1998, 565). Es ist daher konkret zu prüfen, ob die streitigen Aufwendungen im Rahmen der Einkunftsart "Vermietung und Verpachtung" als Werbungskosten abziehbar wären. Wegen des Ansatzes der Guthabenzinsen als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung wirken sich die Schuldzinsen eines Auffüllungskredits im Ergebnis steuerlich nicht in voller Höhe aus. Deshalb sind sie auch als Vorkosten nur nach Verrechnung mit den Guthabenzinsen abziehbar.

cc) Ein ungekürzter Abzug der Schuldzinsen verbietet sich auch deshalb, weil nach dem Gesetzeszweck nur durch eigene Aufwendungen belastete Steuerpflichtige gefördert werden sollen (Senatsurteil in BFHE 186, 275, BStBl II 1998, 565), der Kläger in Höhe der Guthabenzinsen aber nicht durch eigene Aufwendungen beschwert ist.

c) Geht das Eigentum an der ausgebauten/erweiterten Wohnung vor Fertigstellung des Ausbaus/der Erweiterung auf den Steuerpflichtigen über, hängen - entgegen der Auffassung von FA und FG - auch die vor der Eigentumsübertragung entstandenen Finanzierungskosten unmittelbar i.S. des § 10e Abs. 6 Satz 3 EStG mit dem Ausbau/der Erweiterung an einer eigenen Wohnung zusammen.

Nach dem BMF-Schreiben vom 31. Dezember 1994 IV B 3 - S 2225 a - 294/94 (BStBl I 1994, 887, Rz. 91 Satz 10) sind zwar Finanzierungskosten eines Nutzungsberechtigten für die Anschaffung der Wohnung erst ab dem Zeitpunkt abziehbar, zu dem Maßnahmen eingeleitet worden sind, die zum Eigentumserwerb geführt haben. Diese Verwaltungsregelung ist nach Auffassung des Senats aber jedenfalls auf Finanzierungskosten für Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen nicht anwendbar. Denn maßgebend für den Abzug als Vorkosten ist, dass die Finanzierungskosten für eine nach § 10e Abs. 2 EStG begünstigte Maßnahme aufgewendet worden sind. Ob die Baumaßnahmen des Steuerpflichtigen an der Wohnung die Voraussetzungen des § 10e Abs. 2 EStG erfüllen, ist jedoch erst bei Fertigstellung des Ausbaus/der Erweiterung zu entscheiden; erst vom Jahr der Fertigstellung an beginnt der Abzugszeitraum für die Grundförderung nach § 10e Abs. 2 EStG. Ist das Eigentum an der Wohnung, wie im Streitfall, vor der Fertigstellung des Ausbaus/der Erweiterung auf den Steuerpflichtigen übergegangen, kann daher der Abzug der vor der Eigentumsübertragung angefallenen Schuldzinsen als Vorkosten nicht mangels Zusammenhangs mit dem Ausbau/der Erweiterung an einer eigenen Wohnung abgelehnt werden.

2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, wird die Vorentscheidung aufgehoben. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 Satz 3 EStG sind nur die mit Baumaßnahmen i.S. des § 10e Abs. 2 EStG zusammenhängenden Aufwendungen abziehbar. Der Anbau an das Gebäude ist als Erweiterung nach § 10e Abs. 2 EStG aber nur begünstigt, soweit er sich auf die von den Klägern zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung erstreckt und dadurch neuer Wohnraum geschaffen wird. Nach der Rechtsprechung des Senats wird die nachträgliche Errichtung einer Garage aber mangels Schaffung neuen Wohnraums nicht nach § 10e Abs. 2 EStG gefördert (z.B. Senatsurteile vom 8. März 1995 X R 74/94, BFHE 177, 399, BStBl II 1996, 352, unter 2. c, und vom 17. Dezember 1997 X R 54/96, BFH/NV 1998, 841, unter 3. b; a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 887, Rz. 10).

b) Das FG hat aus seiner Sicht zu Recht nicht ermittelt, inwieweit der Anbau die Voraussetzungen des § 10e Abs. 2 EStG erfüllt. Das FA hatte in den ursprünglichen Bescheiden, in denen es die Schuldzinsen grundsätzlich für abziehbar hielt, diese anteilig gekürzt, soweit der Anbau auf die überbaute Terrasse der Erdgeschosswohnung und die Garage entfiel. Nicht geprüft hat das FG auch die von den Klägern erstmals im Klageverfahren geltend gemachten Kosten für Fahrten zur Hausbank. Die Sache wird deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.