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  BFH-Urteil vom 24.4.2002 (I R 18/01) BStBl. 2002 II S. 670

1. Die Erteilung einer Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft setzt im Allgemeinen die Einhaltung einer Probezeit voraus, um die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers beurteilen zu können. Handelt es sich um eine neu gegründete Kapitalgesellschaft, ist die Zusage überdies erst dann zu erteilen, wenn die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft verlässlich abgeschätzt werden kann (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

2. Die Dauer dieser Probezeit hängt von den Besonderheiten des Einzelfalles ab. Wird ein Unternehmen durch seine bisherigen leitenden Angestellten "aufgekauft" und führen diese Angestellten den Betrieb in Gestalt einer neu gegründeten Kapitalgesellschaft als Geschäftsführer fort (sog. Management-buy-out), so kann es ausreichen, wenn bis zur Erteilung der Zusagen nur rund ein Jahr abgewartet wird (Anschluss an die Senatsurteile vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318; vom 18. Februar 1999 I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384; vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225).

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 2001, 460)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde mit Vertrag vom 28. Mai 1997 gegründet. Sie befasste sich mit der Planung und Durchführung von Tief- und Hochbauleistungen im Zusammenhang mit Verkehrsanlagen. Ihre Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer waren A mit 75 v.H. und B mit 25 v.H. der Geschäftsanteile.

Mit Verträgen vom 26. Juni 1998 erhielten A und B jeweils eine Versorgungszusage in Form einer lebenslangen Altersrente von monatlich 8.100 DM nach vollendetem 65. Lebensjahr oder einer Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 8.000 DM, für die Rückdeckungsversicherungen abgeschlossen wurden. Die Klägerin bildete für die Pensionszusagen eine Rückstellung, der sie in den Streitjahren 1998 und 1999 74.855 DM und 69.876 DM zuführte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah hierin verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA), weil die Klägerin bei Erteilung der Zusagen rund ein Jahr nach ihrer Gründung und nach der Einstellung von A und B als Geschäftsführer weder ihre eigenen künftigen Ertragsaussichten noch die Leistungsfähigkeit der neuen Geschäftsführer verlässlich habe abschätzen können (vgl. Bundesministerium der Finanzen - BMF -, Schreiben vom 14. Mai 1999, BStBl I 1999, 512, Tz. 1.1).

Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 460 abgedruckt.

Ihre Revision begründet die Klägerin mit Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, die angefochtenen Bescheide abzuändern und die Zuführungen zur Pensionsrückstellung für 1998 in Höhe von 74.855 DM und für 1999 in Höhe von 69.876 DM als Betriebsausgaben anzuerkennen und nicht als vGA zu behandeln.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Unter einer vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 75/96, BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577). In diesen Fällen indiziert das vom Fremdvergleich abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis.

1. Wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. z.B.: Senatsurteile vom 30. September 1992 I R 75/91, BFH/NV 1993, 330; vom 11. Februar 1998 I R 73/97, BFH/NV 1998, 1262), ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer neu gegründeten GmbH ihrem Geschäftsführer eine Pension erst dann zusagen wird, wenn er die künftige wirtschaftliche Entwicklung und damit die künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft ebenso wie die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers zuverlässig abzuschätzen vermag. Ohne Erprobung des Geschäftsführers und ohne gesicherte Kenntnis der künftigen Ertragsentwicklung der Kapitalgesellschaft würde eine Pension nicht zugesagt werden. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten: Ein noch junges Unternehmen muss sich erst am Markt bewähren. Ein langfristiges finanzielles Engagement zugunsten des Geschäftsführers wie eine betriebliche Altersversorgung muss deshalb sorgfältig bedacht sein. Aufgabe eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist es, unmittelbar im unternehmerischen Interesse der Körperschaft und damit nur mittelbar im Interesse der Gesellschafter, nicht aber unmittelbar im Interesse einzelner Gesellschafter zu handeln (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1991 I R 13/90, BFHE 166, 251, BStBl II 1992, 359; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Anhang § 8 KStG Rdnr. 174). Da der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung für die Pensionszusage zu zusätzlichen finanziellen Lasten für das im Aufbau befindliche Unternehmen führt, kann die Tatsache der Rückdeckung allein nicht die Annahme rechtfertigen, ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eines jungen Unternehmens hätte die Pension gleichermaßen einem Gesellschaftsfremden zugesagt. Der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung ist nur Indiz für die Ernstlichkeit der Zusage. Darüber hinaus hat sie im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG keine Bedeutung (vgl. auch BFH-Urteile vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316; vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318).

Allerdings hat der Senat das Erfordernis einer Probezeit bei solchen Unternehmen für verzichtbar gehalten, die aus eigener Erfahrung Kenntnisse über die Befähigung des Geschäftsleiters haben und die die Ertragserwartungen aufgrund ihrer bisherigen unternehmerischen Tätigkeit hinreichend deutlich abschätzen können. Diese Kriterien sind bei einem Unternehmen als erfüllt angesehen worden, das seit Jahren tätig war und lediglich sein Rechtskleid ändert, wie beispielsweise bei Begründung einer Betriebsaufspaltung oder einer Umwandlung (vgl. Senatsurteile in BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318; vom 18. Februar 1999 I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384; vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225). Gleiches muss im Grundsatz aber auch bei einem sog. Management-buy-out gelten, wenn bisherige leitende Angestellte eines Unternehmens dieses "aufkaufen" und sodann in Gestalt eines anderen Unternehmens fortführen (vgl. auch -sch, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1998, 489).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall lässt sich nicht ausschließen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter am 26. Juni 1998 auch gesellschaftsfremden Geschäftsführern Pensionen zugesagt hätte.

Zwar können gemeinhin erst einige Jahre nach Gründung eines Unternehmens gesicherte Erkenntnisse über die künftige Ertragsentwicklung vorliegen. Für den Regelfall ist davon auszugehen, dass 13 Monate nach Gründung derartige Kenntnisse noch nicht vorhanden sind. Letztlich müssen jedoch die Umstände des Einzelfalles darüber entscheiden, ab welchem Zeitpunkt ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft über gesicherte Erkenntnisse zur künftigen Ertragsentwicklung verfügt. Es können auch kürzere Zeiträume genügen (vgl. dazu z.B. Senatsbeschluss vom 4. Mai 1998 I B 131/97, BFH/NV 1998, 1530). Für den Streitfall kann nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass es sich so verhält:

Die Klägerin erzielt bereits im ersten Geschäftsjahr 1997/1998 - und zwar nach Berücksichtigung der in Rede stehenden Pensionsrückstellungen - einen Gewinn von mehr als 200.000 DM. Sie hat unbeanstandet vorgetragen, dass sowohl A als auch B in der betreffenden Branche seit Jahren in vergleichbar verantwortlichen Positionen tätig gewesen seien und sich nur infolge eines gescheiterten sog. Management-buy-outs entschlossen hätten, ein eigenes Unternehmen zu gründen. In diesem Zusammenhang sei es ihnen gelungen, nahezu die gesamten Aufträge der örtlichen Niederlassung des bisherigen Arbeitgebers sowie deren gesamten Kundenstamm und die bestehenden Rahmenvereinbarungen mit den öffentlichen Auftraggebern zu übernehmen. In Konsequenz dieses Vorgehens habe der bisherige Arbeitgeber seine Aktivitäten im Tätigkeitsbereich der Klägerin letztlich einstellen müssen und sei als - einziger - Konkurrent aus dem Felde geschlagen worden.

Unterstellt, dieses Vorbringen trifft zu, wäre die Situation nicht von vornherein anders einzuschätzen als in den erwähnten Fällen einer Betriebsfortführung. Hier wie dort ließen sich sowohl das Leistungs- und Erfahrungspotential der beiden Geschäftsführer als auch die Ertragsaussichten des neu gegründeten Unternehmens mit einer Gewissheit abschätzen, die die Zusage der Pensionen aus objektiver Sicht eines gedachten Dritten rechtfertigen können. Die Vorinstanz hat diesen Besonderheiten nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen. Ihre Begründung dafür, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter den gegebenen Umständen noch weitere zwei Jahre abgewartet hätte, bevor er Pensionszusagen erteilt hätte, ist nicht tragfähig. Das betrifft insbesondere die Bedeutung, die der Auslastung der Klägerin durch die vorhandene Auftragslage beigemessen wird. Gerade eine derartige Auslastung ist geeignet, den Rückschluss auf einen nachhaltigen Geschäftserfolg und eine - so das FG - "verstetigte Leistungskraft" zuzulassen. Ist die Auslastung infolge der Auftragslage für zwei oder drei Jahre gesichert, wäre es im Gegenteil widersprüchlich, wenn daraus keine entsprechende Aussagekraft für den voraussichtlichen Geschäftserfolg in diesem Zeitraum abgeleitet wird. Dass das Auftragsvolumen gleichwohl "ohne weiteres durch gesamtkonjunkturelle Einflüsse erheblich (hätte) reduziert werden können", trifft zu. Ex ante ist dies indes ebenso wenig geeignet, etwas an der entsprechenden Erfolgsprognose zu ändern, wie die Ungewissheit, ob die Klägerin sich bei öffentlichen Ausschreibungen "nachhaltig gegenüber konkurrierenden Planungsfirmen" würde durchsetzen können. Bestätigt sich, dass die Klägerin die bestehenden Rahmenvereinbarungen sowie den Kundenstamm und die Aktivitäten des einzigen bisherigen Wettbewerbers faktisch übernahm, ist - zumal bei der langjährigen einschlägigen Berufs- und Branchenerfahrung von A und B - vielmehr anzunehmen, dass infolge der gesicherten Auftragslage sowie der übernommenen Rahmenvereinbarungen mit den Auftraggebern eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die künftig einzuschätzende wirtschaftliche Entwicklung der Klägerin vorhanden war. Gleiches gilt im Hinblick auf die erwähnte Berufs- und Branchenerfahrung für die fachlichen und persönlichen Qualitäten der beiden neu eingestellten Geschäftsführer A und B. Dass beide zuvor nicht unmittelbar als Geschäftsführer einer GmbH, sondern als Niederlassungsleiterin (A) und als Abteilungsleiter (B) tätig waren, ändert daran nichts. Maßgeblich ist ihre Berufserfahrung als leitende Angestellte in der betreffenden Branche mit im Wesentlichen unveränderten Tätigkeitsbereichen (s. auch Senatsurteil in BFH/NV 1999, 1384).

3. Es ist Sache des FG, dem weiter nachzugehen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Zu diesem Zweck waren das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird dabei auch zu überprüfen haben, ob die Pensionszusagen den weiteren Anforderungen gerecht werden, die hieran aus steuerlicher Sicht zu stellen sind. Das betrifft in erster Linie die Angemessenheit der versprochenen Pensionen im Rahmen der Gesamtausstattung von A und B, aber auch die Frage danach, ob die Pensionen hätten finanziert werden können. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf seine einschlägige Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 7. November 2001 I R 79/00, BFHE 197, 164, m.w.N.).