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  BFH-Urteil vom 6.3.2002 (XI R 9/01) BStBl. 2002 II S. 737

Werden Darlehensforderungen, die im Rahmen eines Einzelunternehmens begründet und wertberichtigt wurden, später getilgt, so erhöht die Tilgung den laufenden Gewinn des Einzelunternehmens im Jahr der Tilgung. Das gilt auch, wenn sich der Einzelunternehmer vorübergehend atypisch still an dem Darlehensschuldner beteiligt und die Beteiligung ohne die Darlehensforderungen an einen Dritten veräußert hatte.

EStG §§ 4, 5, 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Nürnberg (EFG 2001, 572)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb ein gewerbliches Einzelunternehmen, dessen Schwerpunkt in der Vermittlung von Beteiligungen an Anlagegesellschaften lag. Er und seine mit ihm im Streitjahr 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte, im Jahr 1993 verstorbene Ehefrau waren auch persönlich an einer Vielzahl von Anlagegesellschaften beteiligt und erzielten hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

In den Jahren 1982 bis 1986 beteiligte sich der Kläger als typischer oder atypisch stiller Gesellschafter an in der Musikbranche tätigen Kapitalgesellschaften. Dazu gehörten Beteiligungen an der A-GmbH, stille Gesellschaft mit 400.000 DM und 700.000 DM. Der Kläger gewährte der A-GmbH Darlehen. Diese wies er in den Bilanzen seines Einzelunternehmens zum 31. Dezember 1984 im Nennwert von 1.039.792 DM und zum 31. Dezember 1985 im Nennwert von 151.948 DM aus und schrieb sie jeweils auf 1 DM ab. Im Rahmen einer Außenprüfung des Einzelunternehmens für die Jahre 1983 bis 1985 wurden wertlose Forderungen des Klägers an die A-GmbH in Höhe von insgesamt 1.248.701 DM anerkannt. Ein von der A-GmbH am 30. September 1985 gestellter Konkursantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Die Gesellschaft wurde in der Folgezeit im Handelsregister gelöscht.

Der Kläger beteiligte sich ferner ab 1. Oktober 1985 an der B-GmbH als atypisch stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 8.750 DM, die er 1986 um 2.900 DM nominal erhöhte. Diese Gesellschaft war am 21. März 1985 mit dem gleichen Unternehmensgegenstand wie die A-GmbH gegründet worden und hatte Anlagevermögen und Verbindlichkeiten der A-GmbH übernommen.

In der zum 1. Oktober 1985 aufgestellten Eröffnungssonderbilanz des Klägers wies die B-GmbH stille Gesellschaft auf der Aktivseite Darlehens- und Zinsforderungen des Klägers in Höhe von 0 DM mit dem Zusatz "abgeschrieb." und auf der Passivseite die dazugehörigen Bankschulden des Klägers aus.

Am 30. September 1986 veräußerte der Kläger seine atypisch stille Beteiligung an der B-GmbH stille Gesellschaft zum Kaufpreis von 1.000 DM an seine Ehefrau. Seine Ansprüche aus den Darlehen wurden vom Verkauf und von der Übertragung ausgenommen.

Ab 1988 begann die B-GmbH mit Rückzahlungen auf die Darlehen. Im Streitjahr 1989 tilgte sie 632.642 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erfasste die (teilweise) Darlehenstilgung als Einkünfte des gewerblichen Einzelunternehmens des Klägers.

Das Klageverfahren, in dem letztlich nur noch streitig war, ob die Tilgungszahlungen im Jahr ihres Zuflusses (1989) oder im Jahr der Beendigung der Mitunternehmerschaft (1986) steuerlich zu erfassen sind, hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 572).

Die Kläger - der Kläger und die aus ihm und seiner Tochter bestehenden Erbengemeinschaft nach seiner Ehefrau - haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Die Darlehensforderungen seien auch nach Veräußerung des Mitunternehmeranteils Sonderbetriebsvermögen der atypisch stillen Gesellschaft geblieben. Die spätere Tilgungsleistung sei daher als nachträgliches Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 im Veranlagungszeitraum 1986 zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für 1989 die Darlehenstilgung in Höhe von 632.642 DM nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Darlehensforderungen seien im Einzelunternehmen des Klägers entstanden und abgeschrieben worden. Gegenstand des Einzelunternehmens sei u.a. die Vermittlung von Anteilen an den Gesellschaften an Dritte gewesen. Ihre Sonderbetriebsvermögenseigenschaft sei zeitlich auf die Dauer der Mitunternehmerschaft begrenzt gewesen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das FG entschieden, dass die nach Veräußerung des Mitunternehmeranteils von der B-GmbH geleisteten Darlehenstilgungen im Jahr der Rückzahlung - 1989 - den laufenden Gewinn des Einzelunternehmens des Klägers (§ 4 Abs. 1 EStG) erhöhen. Sie führen - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht rückwirkend zu einem tarifbegünstigten Gewinn im Jahr der Veräußerung.

1. Die der A-GmbH gewährten Darlehen gehörten im Streitjahr 1989 zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Klägers. Die Darlehensforderungen waren vom Kläger als Einzelunternehmer gewährt worden. Die Schuldübernahme durch die B-GmbH im Jahre 1985 berührte die betriebliche Veranlassung dieser Darlehensforderungen nicht.

Die vom Kläger im Rahmen seines Einzelunternehmens gewährten Darlehen sind durch die Beteiligung des Klägers als atypisch stiller Gesellschafter an der B-GmbH in der Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 30. September 1986 nicht endgültig aus dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens ausgeschieden. Zwar waren in dieser Zeit die Darlehensforderungen als Sonderbetriebsvermögen des Klägers im Rahmen der Gewinnermittlung der B-GmbH stille Gesellschaft auszuweisen; denn bei der insoweit bestehenden Bilanzierungskonkurrenz zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und seiner mitunternehmerischen Beteiligung hat die Mitunternehmerschaft Vorrang (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juli 1979 I R 199/75, BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750; vom 28. November 1991 XI R 14/90, BFH/NV 1992, 377, m.w.N.). Die aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG abgeleitete Bilanzierungskonkurrenz entfällt jedoch mit dem Verlust der Mitunternehmerstellung. Mit der Veräußerung des Mitunternehmeranteils unter Zurückbehaltung der Darlehensforderungen verlieren diese ihren Charakter als Sonderbetriebsvermögen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Mai 1983 I R 5/82, BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771; vom 12. Dezember 1996 IV R 77/93, BFHE 183, 379, BStBl II 1998, 180). Ist das in der Sonderbilanz für die Dauer der Mitunternehmerschaft zu erfassende Wirtschaftsgut zugleich - latent - Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens und wird es nicht mitveräußert, so ist es nach Verlust der Mitunternehmerstellung in der Bilanz des Einzelunternehmens auszuweisen.

2. Gegen eine Besteuerung des durch die Darlehenstilgung erzielten außerordentlichen Ertrags im Streitjahr 1989 kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass die Tilgung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sei und deshalb der Gewinn allein durch eine Änderung der Bescheide für das Jahr der Veräußerung der Mitunternehmerbeteiligung erfasst werden könne. Anders als in dem vom Großen Senat des BFH in seinen grundlegenden Beschlüssen vom 19. Juli 1993 GrS 1/92 (BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894) und GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; vgl. ferner z.B. BFH-Urteile vom 28. Juli 1994 IV R 53/91, BFHE 175, 353, BStBl II 1995, 112, und vom 14. Dezember 1994 X R 128/92, BFHE 176, 515, BStBl II 1995, 465) entschiedenen Fällen geht es hier nicht um den späteren Ausfall einer trotz noch fehlender Vereinnahmung bereits im Veräußerungs- oder Betriebsaufgabejahr nach allgemeinen Realisierungsgrundsätzen verwirklichten Forderung. Vielmehr betrifft der Streitfall einen erst Jahre nach der Veräußerung des Mitunternehmeranteils - durch verbesserte Bonität der Schuldnerin - erzielten außerordentlichen Ertrag aus der Tilgung einer im Einzelunternehmen begründeten und dort wertberichtigten Forderung. Soweit bei der Erfüllung ungewisser Forderungen eine rückwirkende Korrektur des Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinns angenommen wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Rz. 363), handelt es sich um solche Forderungen, die Restbetriebsvermögen des veräußerten oder aufgegebenen Betriebs geblieben sind, d.h. nicht um Forderungen, die im Rahmen der Betriebsveräußerung oder -aufgabe in ein anderes Betriebsvermögen überführt wurden oder - wie im Streitfall - wegen Beendigung der Bilanzierungskonkurrenz in das Betriebsvermögen des (früheren) Mitunternehmers "zurückfielen" (s. oben Nr. 1). In den zuletzt genannten Fällen fehlt es an einem die Aufgabe- oder Veräußerungsbilanz beeinflussenden Gewinnrealisierungstatbestand in Form der Entnahme (vgl. hierzu z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168; vgl. ähnlich BFH-Urteil vom 30. Januar 2002 X R 56/99, BFHE 197, 535, BStBl II 2002, 387).