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  BFH-Urteil vom 10.7.2002 (I R 79/01) BStBl. 2002 II S. 784

Bei der Einbringung zu Teilwerten oder Zwischenwerten gehören zum Teilwert halbfertiger Arbeiten auch darin enthaltene anteilige Gewinne.

UmwStG 1977 § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 6; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3, Nr. 2 Satz 1 und 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 2001, 1519)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, in die am 26. Mai 1994 steuerrechtlich rückwirkend zum 1. Dezember 1993 die Kommanditanteile einer KG, einer Bauunternehmung, eingebracht worden sind. Die Einbringung sollte zu Zwischenwerten unter Aufdeckung von 90 v.H. der in den materiellen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ruhenden stillen Reserven zum 30. November 1993 erfolgen.

Das Wirtschaftsjahr der Klägerin umfasste den Zeitraum vom 1. Dezember bis zum 30. November. In der Einbringungsbilanz zum 1. Dezember 1993 wurden u.a. halbfertige Bauarbeiten mit 16.186.672 DM unter Einbeziehung der noch nicht realisierten Gewinne ermittelt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) reduzierte diesen Ansatz auf 15.089.126 DM, da der Teilwert für die halbfertigen Arbeiten nur die Wiederbeschaffungskosten erfasse und nicht den darin enthaltenen zu erwartenden Gewinn.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen die hiernach geänderte Körperschaftsteuerfestsetzung 1994 (Streitjahr) statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1519 veröffentlicht.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend die Zwischenwerte der in die Klägerin eingebrachten halbfertigen Bauarbeiten um die darauf anteilig entfallenden Gewinne erhöht.

1. Wird ein Betrieb oder Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft eingebracht und erhält der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft (Sacheinlage), so darf die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen, § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1977). Bei dem Ansatz des eingebrachten Betriebsvermögens dürfen die Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter nicht überschritten werden, § 20 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 1977.

a) Die Klägerin machte von dem ihr eingeräumten Wahlrecht in der Weise Gebrauch, dass sie die eingebrachten Wirtschaftsgüter zu Zwischenwerten unter Aufdeckung von 90 v.H. der in den materiellen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ruhenden stillen Reserven zum 30. November 1993 ansetzte. Wie der Senat entschieden hat, hat dies zur Folge, dass die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven gleichmäßig und einheitlich aufzustocken sind (Urteil vom 24. Mai 1984 I R 166/78, BFHE 141, 176, BStBl II 1984, 747; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., § 20 UmwStG Rz. 314, 328; anders Friedrichs in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 20 Rz. 174). Daran ist festzuhalten.

b) Das bedeutet, dass auch die in den halbfertigen Arbeiten enthaltenen stillen Reserven durchgängig mit 90 v.H. ihrer Teilwerte aufgedeckt werden dürfen. Was unter Teilwerten zu verstehen ist, bestimmt sich zwar im Ausgangspunkt nach allgemeinen bilanzrechtlichen Bewertungsgrundsätzen, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (s. Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., § 20 UmwStG Rz. 312 f.; Friedrichs in Haritz/Benkert, a.a.O., § 20 UmwStG Rz. 203). Teilwert ist danach der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Dazu gehören bei halbfertigen Bauarbeiten eines Bauunternehmers die bislang aufgewendeten Selbstkosten (= die Reproduktionswerte mit den Vollkosten; vgl. im Einzelnen Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 8. März 1968 III 85/65, BFHE 92, 339, BStBl II 1968, 575; vom 19. Mai 1972 III R 21/71, BFHE 106, 228, BStBl II 1972, 748; vom 17. Mai 1974 III R 50/73, BFHE 112, 411, BStBl II 1974, 508; Fischer in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., § 6 Rn. 94; Ellrott/ Schulz/Bail in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 3. Aufl., § 253 Rz. 546, m.w.N.), nicht aber auch die in solchen Arbeiten ruhenden, im laufenden Geschäftsbetrieb noch nicht aufzudeckenden Gewinnanteile. Im Zusammenhang mit Einbringungsvorgängen i.S. von § 20 UmwStG 1977 bestehen aber Besonderheiten, die zu normspezifischen Modifikationen des Teilwerts führen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1979 IV R 69/74, BFHE 129, 380, BStBl II 1980, 239, 241, dort zur Ermittlung des tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns beim Einbringenden gemäß § 16 EStG i.V.m. § 22 UmwStG 1969 = § 24 UmwStG 1977; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 3. Aufl., § 20 UmwStG Rz. 970 unter Bezugnahme auf § 3 UmwStG 1977 Rz. 4869). Denn mittels des Wahlrechts gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1977 soll der übernehmenden Gesellschaft die Möglichkeit eingeräumt werden, den Zeitpunkt und - begrenzt durch Unter- und Obergrenzen - den Umfang der Gewinnrealisierung hinsichtlich der eingebrachten Wirtschaftsgüter zu bestimmen. Es geht also darum, Gewinne, die während des laufenden Geschäftsbetriebs noch nicht realisiert sind, als Folge der Einbringung aufdecken zu können. Dies gilt bis zur Obergrenze des normspezifischen Teilwerts für alle stillen Reserven, die sich in dem eingebrachten Betriebsvermögen angesammelt haben. Bei halbfertig erstellten Bauarbeiten gehören dazu auch darin enthaltene künftige Gewinne.

c) Der Gegenmeinung des FA (ebenso Mein, Finanz-Rundschau 1978, 113; Glade/Steinfeld, Umwandlungssteuergesetz 1977, § 3 Rz. 404) kann nicht beigepflichtet werden. Zwar trifft es zu, dass halbfertige (un- oder teilfertige) Bauten eines Bauunternehmers auf fremdem Grund und Boden handels- und steuerrechtlich als Forderungen (Teil-Werklöhne) und damit als Umlaufvermögen behandelt werden (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1974 V R 36/74, BFHE 115, 71, BStBl II 1975, 398; in BFHE 112, 411, BStBl II 1974, 508; Schreiber in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 16. Aufl., § 5 EStG Rz. 740 Teilfertige Bauten, dort m.w.N.; Ellrott/ Schulz/Bail, a.a.O., § 253 Rz. 544). Forderungen sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 EStG mit ihren Herstellungskosten (also den Wiederherstellungskosten, vgl. Ellrott/Schulz/Bail, ebenda) zu bewerten, mit ihren Teilwerten hingegen nur dann, wenn diese niedriger sind. Die in den Arbeiten enthaltenen, noch nicht aufgedeckten Gewinnanteile resultieren aus den diesen Arbeiten zugrunde liegenden, beiderseits noch nicht erfüllten vertraglichen Vereinbarungen, die im laufenden Geschäftsbetrieb ihrerseits als schwebende Geschäfte bilanziell nicht auszuweisen sind. Sie schlagen sich infolge der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG bestimmten Obergrenze deshalb bei dem einbringenden Unternehmen nicht in der Bewertung der bereits erbrachten halbfertigen Arbeiten nieder. Das ändert jedoch nichts daran, dass sie zu den hiervon abzugrenzenden Teilwerten der halbfertigen Arbeiten gehören und infolgedessen bei der Einbringung gemäß § 20 UmwStG 1977 von dem übernehmenden Unternehmen ganz oder anteilig realisiert werden können. Teilwert und Herstellungskosten sind, wie sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zweifelsfrei ergibt, voneinander zu unterscheiden (vgl. dazu eingehend BFH-Urteil in BFHE 106, 228, BStBl II 1972, 748). Ob für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens dennoch von abweichenden Bewertungsgrundsätzen auszugehen ist (vgl. im Einzelnen BFH-Urteile in BFHE 92, 339, BStBl II 1968, 575; in BFHE 106, 228, BStBl II 1972, 748), kann in diesem Zusammenhang dahinstehen.