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  BFH-Urteil vom 12.9.2002 (IV R 66/00) BStBl. 2002 II S. 815

Die Veräußerung geht einer hinsichtlich der Gewinnrealisierung nur gleichgestellten Entnahme vor. Jedenfalls kann ein bilanziertes Grundstück nach der Veräußerung dann nicht mehr rückwirkend zum vorletzten Bilanzstichtag durch Entnahme ausgebucht werden, wenn diese Bilanz erst nach der Veräußerung des Grundstücks aufgestellt wird (Bestätigung des BFH-Urteils vom 19. März 1981 IV R 39/78, BFHE 133, 513, BStBl II 1981, 731).

EStG § 4 Abs. 1, § 52 Abs. 15 a.F.

Vorinstanz: FG München (EFG 2001, 290)

Sachverhalt

Die inzwischen verstorbene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lebte mit ihrem bereits am 14. Januar 1989 verstorbenen Ehegatten in Gütergemeinschaft. Beide bewirtschafteten einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, den die Klägerin im Jahre 1959 im Wege vorweggenommener Erbfolge von ihren Eltern übernommen hatte. Der Gewinn wurde seit dem 1. Juli 1983 durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt und in den Streitjahren 1987 und 1988 einheitlich und gesondert festgestellt. Die Hofstelle befand sich auf einem 6.621 qm großen Grundstück der FlNr. 2383 in A. Aus diesem Grundstück hatten die Ehegatten einen unbebauten, 2.660 qm großen, als Obstgarten genutzten Teil abgetrennt und unter der FlNr. 2383/1 am 18. April 1988 für 1.576.800 DM verkauft.

In der berichtigten Bilanz zum 30. Juni 1988 erklärte die Klägerin am 21. März 1989 die Entnahme des gesamten Grundstücks (FlNr. 2383) "vorbehaltlich der Zustimmung des zuständigen Finanzamts" zum 31. Dezember 1987. Aufgrund einer betriebsnahen Veranlagung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, das Grundstück FlNr. 2383/1 habe nicht steuerfrei entnommen werden können. Das FA errechnete einen Veräußerungsgewinn von 1.541.097,40 DM, den es den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft der Streitjahre 1987 und 1988 jeweils zur Hälfte zurechnete und mit geänderten Einkommensteuerbescheiden der Einkommensteuer unterwarf.

Während des dagegen gerichteten Einspruchsverfahrens erließ das FA gegenüber der Klägerin, auch als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes, einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre, in die der Veräußerungsgewinn mit einbezogen war.

Einspruch und Klage gegen die Feststellungsbescheide hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, das Grundstück sei zum 31. Dezember 1987 zu dem Wert des späteren Veräußerungspreises entnommen und sodann aus dem Privatvermögen verkauft worden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 290 veröffentlicht.

Mit ihrer dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie trägt vor: Entgegen der angefochtenen Entscheidung gehöre das früher als Obstgarten genutzte Grundstück nicht zum notwendigen Betriebsvermögen, sondern sei notwendiges Privatvermögen. Zwar sei diese Unterscheidung im Zeitpunkt der Hofübertragung im Jahre 1959 und mithin vor Einführung der Bodengewinnbesteuerung ohne Bedeutung gewesen, als Obstgarten habe das Grundstück aber zu keinem Zeitpunkt zum Betriebsvermögen gehört. Die zum 31. Dezember 1987 erklärte Entnahme sei daher gegenstandslos und eine Bilanzberichtigung erforderlich gewesen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 9. September 1993 aufzuheben und die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft unter Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide vom 21. Juli 1993 für 1987 auf 31.181 DM und für 1988 auf 22.658 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Unrecht ist das FG von einer Gewinnverwirklichung durch Abwahl der Nutzungswertbesteuerung oder durch Entnahme des Grundstücks zum 31. Dezember 1987 ausgegangen.

1. Die Klägerin hat mit dem Verkauf des Grundstücks (FlNr. 2383/1) einen Veräußerungsgewinn realisiert.

a) Beim Verkauf eines zum Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehörenden Grundstücks ist der Gewinn regelmäßig dann realisiert und deshalb die Kaufpreisforderung in voller Höhe zu aktivieren, wenn Besitz, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergegangen sind (ständige Rechtsprechung; s. nur Senatsurteile vom 7. November 1991 IV R 43/90, BFHE 166, 329, BStBl II 1992, 398, und vom 25. Januar 1996 IV R 114/94, BFHE 180, 57, BStBl II 1997, 382, sowie Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. März 2000 VIII R 77/96, BFHE 191, 339, BStBl II 2002, 227).

Im Streitfall ist eine Gewinnrealisierung durch Veräußerung von Betriebsvermögen gegeben. Die von der Klägerin als Obstgarten bezeichnete Fläche gehörte ursprünglich zweifellos zu dem Hof, den die Klägerin von ihren Eltern im Jahre 1959 übernommen hatte. Zu Recht ist das FG auch von notwendigem Betriebsvermögen ausgegangen. Entgegen der Auffassung der Klägerin schloss nämlich der Umstand, dass der Grund und Boden bei der Ermittlung des Gewinns aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft vor Einführung der Bodengewinnbesteuerung außer Ansatz blieb, dessen Zugehörigkeit zum landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen nicht aus (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 18. Mai 2000 IV R 27/98, BFHE 192, 287, BStBl II 2000, 524, m.w.N.). Die veräußerte, 2.660 qm große Fläche wurde nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG auch nicht in einer Weise umgestaltet, dass sie vor Einführung der Bodengewinnbesteuerung notwendiges Privatvermögen der Klägerin geworden wäre. Ebenso wenig führte der von den Beteiligten übereinstimmend angenommene Übergang zur Brachlage zu einer steuerlich relevanten Nutzungsänderung (ständige Rechtsprechung des Senats; s. etwa Urteile vom 7. November 1996 IV R 69/95, BFHE 182, 56, BStBl II 1997, 245, zu 3. der Entscheidungsgründe; vom 31. Mai 2001 IV R 73/00, BFHE 195, 551, BFH/NV 2001, 1485, und vom 17. Januar 2002 IV R 74/99, BFHE 197, 513, BStBl II 2002, 356).

b) Das veräußerte Grundstück FlNr. 2383/1 wurde auch nicht durch die auf Entnahme des gesamten Grundstücks FlNr. 2383 gerichtete Erklärung der Klägerin und ihres Ehemannes vom 21. März 1989 zu Privatvermögen. Ursprünglich ging die Klägerin zwar von einer steuerfreien Entnahme aus, was auf einen Antrag auf Abwahl der Nutzungswertbesteuerung nach § 52 Abs. 15 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. mit der entsprechenden Rechtsfolge des § 52 Abs. 15 Satz 6 und 7 EStG a.F. schließen lässt. Ein solcher unwiderruflicher Verzicht auf die Nutzungswertbesteuerung ist zwar nicht an eine Frist gebunden (s. nur Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 17 Rz. 41, m.w.N.) und konnte daher - wie von der Klägerin beabsichtigt - auf den 31. Dezember 1987 zurückwirken. Er konnte sich indessen nur auf die selbst genutzte Wohnung und den dazugehörenden Grund und Boden beziehen.

Die als Obstgarten bezeichnete Fläche war aber kein zur selbstgenutzten Wohnung "dazugehörender Grund und Boden" i.S. des § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F. Denn abgesehen davon, dass die 6.621 qm große Gesamtfläche die in den Verwaltungsanweisungen zu § 52 Abs. 15 EStG a.F. enthaltene Aufgriffsgrenze von 1.000 qm weit überschreitet, fehlt es der abgetrennten und veräußerten Fläche sowohl an einem vor der Entnahme bestehenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der Wohnung als auch an der für die künftige Wohnungsnutzung vorgesehenen Zweckbestimmung (Senatsurteile vom 24. Oktober 1996 IV R 43/95, BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50, und vom 26. September 2001 IV R 22/00, BFHE 196, 559, BStBl II 2001, 762; s. auch BFH-Urteil vom 20. August 1997 X R 127/94, BFHE 184, 322, BStBl II 1998, 17, jeweils m.w.N.). Die problemlose Trennung und gesonderte Veräußerung dieses Grundstücksteils belegen dies nicht nur; das FG hat überdies festgestellt, dass die Lage eines in sich geschlossenen Obstgartens im rückwärtigen Bereich der Gesamtfläche der FlNr. 2383 schon vor der Abtrennung die Beurteilung als selbständigen Grundstücksteil zuließ. In die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung einbezogen, hätte dieser Teil daher stets zu einer steuerpflichtigen Entnahme führen müssen (s. Leingärtner/Kanzler, a.a.O., Kap. 17 Rz. 103, m.w.N.). Die Klägerin hat daher im Klageverfahren zutreffend klargestellt, dass sich der von ihr und ihrem verstorbenen Ehemann ausgesprochene Verzicht auf die Nutzungswertbesteuerung nur auf die selbst genutzte Wohnung und den dazugehörenden Grund und Boden bezog, der auch durchaus ausreichend bemessen war.

c) Die Erklärung der Klägerin und ihres Ehemannes vom 21. März 1989 ist aber auch nicht als Entnahme zu werten, wie dies das FG für möglich gehalten hat. Denn abgesehen davon, dass die Veräußerung einer hinsichtlich der Gewinnrealisierung nur gleichgestellten Entnahme vorgeht, lässt sich die Entnahme als tatsächlicher Vorgang nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nicht rückbeziehen und auch nicht rückgängig machen (s. nur Senatsurteile vom 30. Juli 1964 IV 20/63 U, BFHE 80, 274, BStBl III 1964, 574; vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87; vom 14. März 1996 IV R 14/95, BFHE 180, 313, BStBl II 1997, 343, und vom 17. September 1997 IV R 97/96, BFH/NV 1998, 311). Der Senat hat daraus gefolgert, dass ein bilanziertes Grundstück nach seiner Veräußerung jedenfalls dann nicht mehr rückwirkend zum vorletzten Bilanzstichtag durch Entnahme ausgebucht werden kann, wenn diese Bilanz erst nach der Veräußerung des Grundstücks aufgestellt wird (Senatsurteil vom 19. März 1981 IV R 39/78, BFHE 133, 513, BStBl II 1981, 731). Entsprechendes gilt auch im Streitfall. Aber auch eine Entnahme zum Zeitpunkt ihrer Erklärung und Buchung, dem 21. März 1989, scheidet aus, weil das Grundstück zu diesem Zeitpunkt bereits veräußert war.

2. Das angefochtene Urteil beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat von seinem Standpunkt aus zu Recht keine Feststellungen zum Zeitpunkt der Gewinnrealisierung durch Veräußerung des Grundstücks getroffen. Nach dem von der Vorentscheidung in Bezug genommenen Grundstückskaufvertrag gehen Besitz, Gefahr, Nutzungen und wiederkehrende Lasten "ab dem Tage der vollständigen Kaufpreiszahlung auf den Käufer über". Das FG wird daher insbesondere festzustellen haben, ob die Kaufpreiszahlung und damit der Gefahrübergang noch im Wirtschaftsjahr 1987/88 oder erst im darauf folgenden Wirtschaftsjahr erfolgt ist. Dementsprechend betrifft die im Übrigen unstreitige Gewinnerhöhung die Streitjahre (1987 und 1988) oder aber die Veranlagungszeiträume 1988 und 1989 (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG).