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BFH-Urteil vom 20.1.2010 (II R 54/07) BStBl. 2010 II S. 463
Festsetzung der Schenkungsteuer für mehrere Erwerbe bei irriger Annahme
einer einheitlichen Zuwendung durch das FA wirksam
Ist
das FA bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für mehrere freigebige
Zuwendungen erkennbar davon ausgegangen, es liege eine einheitliche
Zuwendung vor, führt dies nicht zur Nichtigkeit des Steuerbescheids.
AO § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 157 Abs. 1
Satz 2; ErbStG i.d.F. des StÄndG 1992 bzw. des StMBG § 12 Abs. 1a Satz 1;
ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 14 Abs. 1; GmbHG § 15 Abs. 3, § 54 Abs. 3.
Vorinstanz: FG Nürnberg vom 20. September
2007 IV 277/2004 (EFG 2008, 395)
Sachverhalt
I.
1
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger), sein Bruder (B) und deren Vater (V) beschlossen am
10. November 1993, das Stammkapital einer GmbH, an der sie zu je einem
Drittel beteiligt waren, von 120.000 DM auf 5 Mio. DM zu erhöhen. Die neuen
Stammeinlagen sollten der Kläger und B zu je 1.339.000 DM sowie V zu
2.202.000 DM übernehmen und in bar sowie durch Einbringung von Aktien
leisten.
2
Mit notariell beurkundetem
Vertrag vom 11. November 1993 trat V an den Kläger und B jeweils die Hälfte
seines bestehenden Geschäftsanteils von nominell 40.000 DM und seines
aufgrund der Kapitalerhöhung neu entstehenden Geschäftsanteils von
2.202.000 DM "mit sofortiger Wirkung" schenkweise ab. Die Kapitalerhöhung
wurde aufgrund der Anmeldung vom 11. Mai 1994 am 22. August 1995 in das
Handelsregister eingetragen.
3
In der im Februar 1996
eingereichten Schenkungsteuererklärung gab der Kläger eine am 11. November
1993 ausgeführte Zuwendung eines Geschäftsanteils von 1.121.000 DM mit einem
Wert von 131 % des Nominalwerts an. Diese Bewertung stützte er auf den durch
Art. 16 Nr. 3 Buchst. b des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar
1992 (BGBl I 1992, 297) eingeführten § 12 Abs. 1a Satz 1 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Nach dieser
Vorschrift war das Vermögen, wenn der gemeine Wert von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft zu schätzen war (§ 11 Abs. 2 Satz 2 des
Bewertungsgesetzes - BewG -), abweichend von § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG mit dem
Einheitswert des Gewerbebetriebs anzusetzen, der für den
Feststellungszeitpunkt maßgebend war, der der Entstehung der Steuer
voranging oder mit ihm zusammenfiel (vgl. dazu Meincke, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 12 Rz 50). § 12 Abs. 1a
ErbStG wurde durch Art. 18 Nr. 2 des Missbrauchbekämpfungs- und
Steuerbereinigungsgesetzes (StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310)
für Erwerbe nach dem 11. November 1993 geändert (§ 37 Abs. 11 ErbStG i.d.F.
des Art. 18 Nr. 3 Buchst. b StMBG). Nunmehr war das Vermögen mit dem Wert im
Zeitpunkt der Entstehung der Steuer anzusetzen.
4
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Schenkungsteuer zunächst
entsprechend der Steuererklärung des Klägers mit Bescheid vom 20. Mai 1997
unter Vorbehalt der Nachprüfung auf 229.839 DM fest. Nach einer Außenprüfung
und Eingang der Verträge vom 10. und 11. November 1993 im Oktober 1997
erhöhte das FA entsprechend einer vorherigen Ankündigung die Schenkungsteuer
für den Erwerb "zum 11.11.1993 (Übergabevertrag)" mit Bescheid vom
19. Dezember 2000 auf 2.807.285 DM. Als Wert des Erwerbs setzte es dabei die
insgesamt auf den Kläger übertragenen Geschäftsanteile mit 1.069 % ihres
Nominalwerts (1.121.000 DM), also mit 11.983.490 DM an. Es berücksichtigte
bei der Steuerfestsetzung Vorerwerbe aus den Jahren 1984 und 1986. In den
Erläuterungen zu dem Bescheid führte das FA aus, für die Übertragung der im
Rahmen der Kapitalerhöhung in die GmbH einzubringenden Aktien seien die
Zustimmung der AG und die Eintragung in das Handelsregister erforderlich
gewesen. Da diese erst nach dem 11. November 1993 erfolgt seien, sei die
Schenkung zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeführt gewesen. Da die
Schenkung nach dem 11. November 1993 ausgeführt worden sei, sei der
Besteuerung der gemeine Wert zum Besteuerungszeitpunkt zu Grunde zu legen.
5
Mit der
Einspruchsentscheidung setzte das FA die Steuer auf 2.767.889 DM herab und
führte zur Begründung aus, die Zuwendung des Geschäftsanteils von 20.000 DM
sei bereits am 11. November 1993 ausgeführt worden. Dieser Geschäftsanteil
sei daher mit 131 % seines Nominalwerts anzusetzen, also mit 26.200 DM. Für
seinen Erwerb sei keine Steuer festzusetzen; denn wegen Ablaufs der in § 14
Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestimmten Frist von zehn Jahren seit einer im Jahr
1981 erfolgten Vorschenkung habe dem Kläger der Freibetrag des § 16 Abs. 1
Nr. 2 ErbStG in Höhe des Erwerbs von 26.200 DM erneut zugestanden. Da die
Zuwendung des Geschäftsanteils von 1.101.000 DM erst nach dem 11. November
1993 ausgeführt worden sei, sei die Steuer für diesen Erwerb gesondert
festzusetzen. Dieser Geschäftsanteil sei mit 1.069 % seines Nominalwerts zu
bewerten, also mit 11.769.690 DM. Die Vorerwerbe aus den Jahren 1984, 1986
und 1993 seien bei der Steuerberechnung ebenso zu berücksichtigen wie der
darauf entfallende Anrechnungsbetrag.
6
Das Finanzgericht (FG) sah
in der Zuwendung der Geschäftsanteile von 20.000 DM und 1.101.000 DM
ebenfalls zwei Erwerbe, weil die Schenkungsteuer zu unterschiedlichen
Zeitpunkten entstanden sei, nämlich für die Zuwendung des Geschäftsanteils
von 20.000 DM am 11. November 1993 und für die Zuwendung des
Geschäftsanteils von 1.101.000 DM mit der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur
Eintragung in das Handelsregister am 11. Mai 1994. Der
Schenkungsteuerbescheid sei trotz der unaufgegliederten Steuerfestsetzung
für die beiden Erwerbe nicht wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig, da
für die Zuwendung des Geschäftsanteils von 20.000 DM eine Steuer von 0 DM
festzusetzen gewesen wäre und die Bemessungsgrundlagen der Steuer auf den
Erwerb des Geschäftsanteils von 1.101.000 DM, der zum 11. Mai 1994 mit
1.069 % seines Nominalwerts zu bewerten sei, reduziert werden könnten. Die
Schenkungsteuer sei jedoch auf 2.589.527 DM herabzusetzen, weil das FA die
1984 ausgeführte freigebige Zuwendung bei der Berechnung der Steuer für die
Zuwendung des Geschäftsanteils von 1.101.000 DM zu Unrecht gemäß § 14 Abs. 1
ErbStG als Vorerwerb berücksichtigt habe. Das Urteil ist in Entscheidungen
der Finanzgerichte 2008, 395 veröffentlicht.
7
Mit der Revision rügt der
Kläger Verletzung von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG sowie § 119 Abs. 1 und § 125
Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Die Zuwendung der beiden Geschäftsanteile
sei aufgrund des einheitlichen Schenkungsversprechens am 11. November 1993
ausgeführt worden. Die Anteile seien demgemäß nach der zu diesem Zeitpunkt
geltenden Fassung des § 12 Abs. 1a Satz 1 ErbStG mit 131 % ihres
Nominalwerts anzusetzen. Sollten zwei Erwerbe anzunehmen sein, seien die
Steuerbescheide wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig.
8
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben sowie unter Änderung der Steuerbescheide vom
20. Mai 1997 und vom 19. Dezember 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 28. Mai 2004 die Schenkungsteuer aufgrund einer Bewertung der
Geschäftsanteile nach § 12 Abs. 1a Satz 1 ErbStG in der am 11. November 1993
geltenden Fassung festzusetzen, hilfsweise, die Vorentscheidung sowie die
Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
9
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
10
Die Revision ist unbegründet und war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die
Vorentscheidung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid
vom 19. Dezember 2000 ist zwar aus zwei Gründen rechtswidrig, aber nicht
nichtig. Die beiden Rechtsfehler wurden durch die Einspruchsentscheidung und
das Urteil des FG korrigiert.
11
Der Steuerfestsetzung ist zu entnehmen,
dass nur eine einheitliche, nach dem 11. November 1993 ausgeführte
freigebige Zuwendung besteuert werden sollte. Tatsächlich lagen aber zwei
Zuwendungen vor. Die bereits am 11. November 1993 ausgeführte Zuwendung des
Geschäftsanteils von 20.000 DM durfte nicht mit der Zuwendung des durch die
Kapitalerhöhung entstandenen Geschäftsanteils zu einer einheitlichen
Zuwendung zusammengefasst und als solche besteuert werden (zur einheitlichen
Zuwendung: Meincke, a.a.O., 15. Aufl. 2009, § 7 Rz 66; Gebel in
Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 9 Rz 5). Dass dies dennoch geschehen ist,
hatte auch Auswirkungen auf die zu berücksichtigenden Vorerwerbe. Bezogen
auf die Zuwendung des Geschäftsanteils von 1.101.000 DM stellt einerseits
die Zuwendung des Geschäftsanteils von 20.000 DM einen Vorerwerb dar;
andererseits ist der Vorerwerb aus dem Jahr 1984 wegen Überschreitens der in
§ 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestimmten Frist von zehn Jahren nicht mehr zu
berücksichtigen. Diese Rechtsfehler führten nicht zur Nichtigkeit des
Bescheids vom 19. Dezember 2000; sie konnten vielmehr berichtigt werden.
Weitere zu Lasten des Klägers wirkende Fehler liegen nicht vor.
12
1. Der Bescheid vom 19. Dezember 2000 ist
nach dem gemäß § 124 Abs. 1 Satz 2 AO für sein Verständnis maßgebenden
Inhalt, mit dem er bekannt gegeben wurde, dahingehend auszulegen, dass das
FA bei der Besteuerung vom Vorliegen einer einheitlichen freigebigen
Zuwendung ausgegangen ist. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es die
beiden übertragenen Geschäftsanteile - ausgehend von einem gemeinsamen
Zuwendungszeitpunkt nach dem 11. November 1993 - einheitlich mit 1.069 %
ihrer Nominalwerte angesetzt und die Schenkungsteuer unaufgegliedert
festgesetzt hat, und zum anderen aus den beigefügten Erläuterungen, in denen
es zweimal die Worte "die Schenkung" verwendet hat. Es bestehen auch unter
Berücksichtigung des dem Erlass des Bescheids vorangegangenen
Schriftverkehrs keine Anhaltspunkte dafür, dass das FA bereits seinerzeit
angenommen haben könnte, es lägen zwei Erwerbsvorgänge vor.
13
2. Die dem Bescheid vom 19. Dezember 2000
zu Grunde liegende Annahme des FA, es liege nur ein einheitlicher
Erwerbsvorgang vor, war fehlerhaft, wie das FA in der Einspruchsentscheidung
und das FG zutreffend erkannt haben. Trotz der Zusammenfassung des
Schenkungsversprechens in einer notariellen Urkunde liegen zwei getrennt zu
besteuernde Erwerbsvorgänge vor. Die Schenkungsteuer für die Übertragung der
Geschäftsanteile von 20.000 DM und 1.101.000 DM ist nämlich zu
unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden; denn die Zuwendungen wurden zu
unterschiedlichen Zeitpunkten ausgeführt i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.
14
a) Die Schenkungsteuer entsteht nach § 9
Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der
Ausführung der Zuwendung. Eine Schenkung oder freigebige Zuwendung ist
ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der
Schenkungsabrede, im Fall der freigebigen Zuwendung nach dem Willen des
Zuwendenden, verschafft werden soll (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 27. April 2005 II R 52/02, BFHE 210, 507, BStBl II 2005, 892, und vom
23. August 2006 II R 16/06, BFHE 213, 399, BStBl II 2006, 786). Es kommt
dabei grundsätzlich auf den Eintritt des Leistungserfolgs an. Die hiervon
für Grundstücksschenkungen entwickelte Ausnahme, wonach es für die
Ausführung der freigebigen Zuwendung genügt, wenn die Vertragspartner die
für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen
Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund
dieser Erklärungen jederzeit in der Lage ist, beim Grundbuchamt die
Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken (BFH-Urteile in BFHE 210, 507,
BStBl II 2005, 892, und in BFHE 213, 399, BStBl II 2006, 786), lässt sich
nicht auf den Fall übertragen, dass ein erst künftig entstehender Gegenstand
zugewendet wird, wie bei der mittelbaren Schenkung eines Grundstücks mit
einem noch zu errichtenden Gebäude (BFH-Urteil in BFHE 213, 399, BStBl II
2006, 786) und bei der Zuwendung eines künftig entstehenden Anspruchs aus
einer Lebensversicherung (BFH-Urteil vom 30. Juni 1999 II R 70/97, BFHE 189,
543, BStBl II 1999, 742) oder anderer erst künftig entstehender Forderungen
(BFH-Urteil vom 21. Mai 2001 II R 48/99, BFH/NV 2001, 1407, unter II.2.b).
In diesen Fällen kommt es vielmehr auf den Eintritt des Leistungserfolgs an.
Vor Entstehung des zugewendeten Gegenstands kann die freigebige Zuwendung
nicht ausgeführt sein und die Schenkungsteuer nicht entstehen (§ 9 Abs. 1
Nr. 2 ErbStG).
15
b) Bei der Schenkung eines
Geschäftsanteils, der im Zuge einer Kapitalerhöhung einer GmbH neu entsteht,
ist die Zuwendung danach nicht vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das
Handelsregister ausgeführt (BFH-Urteile vom 20. Dezember 2000 II R 42/99,
BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454, und vom 30. Mai 2001 II R 6/98, BFH/NV
2002, 26; Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 9 ErbStG
Rz 23). Eine beschlossene Erhöhung des Stammkapitals hat nämlich als
Abänderung des Gesellschaftsvertrages nach § 54 Abs. 3 des Gesetzes
betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) keine
rechtliche Wirkung, bevor sie in das Handelsregister des Sitzes der
Gesellschaft eingetragen ist. Erst mit der Erlangung des Vollrechts wächst
dem Bedachten die Rechtsposition zu, die den Gegenstand der Schenkung bildet
(Meincke, a.a.O., 15. Aufl. 2009, § 9 Rz 44; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher,
a.a.O., § 9 Rz 91). Auf den Zeitpunkt, zu dem die Handelsregistereintragung
beantragt wurde, kommt es danach entgegen der Auffassung des FG nicht an
(Fischer in Fischer/Jüptner/ Pahlke, ErbStG, 1. Aufl., § 9 Rz 94). Die
Zuwendung eines erst künftig im Rahmen einer Kapitalerhöhung entstehenden
Geschäftsanteils ist erst recht nicht bereits mit der wirksamen Beurkundung
der Abtretung des Geschäftsanteils ausgeführt (a.A. Schuck in
Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz,
Bewertungsgesetz, 3. Aufl., § 9 ErbStG Rz 60). Daran ändert auch nichts,
dass die Abtretung der Geschäftsanteile im Vertrag vom 11. November 1993
"mit sofortiger Wirkung" vereinbart wurde (a.A. Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG,
Rz 62.3); denn der Leistungserfolg, nämlich der Erwerb des entstandenen
Geschäftsanteils, ist damit noch nicht eingetreten.
16
c) Die Zuwendungen der beiden
Geschäftsanteile wurden demgemäß zu unterschiedlichen Zeitpunkten
ausgeführt, und zwar die Übertragung des Geschäftsanteils von 20.000 DM mit
deren notariellen Beurkundung am 11. November 1993 (§ 15 Abs. 3 GmbHG) und
die Übertragung des Geschäftsanteils von 1.101.000 DM mit der Eintragung der
Kapitalerhöhung in das Handelsregister am 22. August 1995. Dass die
Schenkung der beiden Geschäftsanteile schuldrechtlich in einer notariellen
Urkunde vereinbart worden war, lässt nicht die Folgerung zu, dass auch die
Übertragung des Geschäftsanteils von 20.000 DM erst mit der Eintragung der
Kapitalerhöhung in das Handelsregister ausgeführt worden sei. Die Frage, zu
welchen Zeitpunkten die Zuwendungen der beiden Geschäftsanteile ausgeführt
wurden, ist für jeden der Geschäftsanteile eigenständig zu beurteilen (vgl.
Meincke, a.a.O., 15. Aufl. 2009, § 9 Rz 44). Dem Schenkungsvertrag lässt
sich nicht entnehmen, dass die Übertragung der beiden Anteile zivilrechtlich
zwingend ein einheitliches Geschäft bilden sollte. Demgemäß kann nicht
angenommen werden, dass der Kläger das, was ihm nach der Schenkungsabrede
verschafft werden sollte, insgesamt, also einschließlich des
Geschäftsanteils von 20.000 DM, erst mit dem Erwerb des Geschäftsanteils von
1.101.000 DM erhalten habe.
17
3. Diese fehlerhafte Beurteilung der Sach-
und Rechtslage durch das FA im Bescheid vom 19. Dezember 2000 führte nur zu
dessen Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit. Nach § 125 Abs. 1 AO
ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden
Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht
kommenden Umstände offenkundig ist. Ein solcher Fehler liegt nicht in der
irrigen Annahme des FA, es sei nur ein einziger der Besteuerung
unterliegender Erwerbsvorgang gegeben. Ein Verwaltungsakt ist nicht allein
deswegen nichtig, weil die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften
unrichtig angewendet worden sind (BFH-Urteile vom 13. Mai 1987 II R 140/84,
BFHE 150, 70, BStBl II 1987, 592, und vom 26. September 2006 X R 21/04,
BFH/NV 2007, 186).
18
Die Rechtsprechung, nach der die
unaufgegliederte Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid zur
Unbestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO) und Nichtigkeit eines Steuerbescheids
führen kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1998 II R 6/97, BFH/NV
1999, 1091; vom 22. September 2004 II R 50/03, BFH/NV 2005, 993; vom
15. März 2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472, und vom 6. Juni
2007 II R 17/06, BFHE 217, 398, BStBl II 2008, 46) ist nicht anwendbar, wenn
sich dem Steuerbescheid entnehmen lässt, dass das FA - wenn auch
rechtsirrtümlich - bei der Steuerfestsetzung vom Vorliegen eines
einheitlichen Erwerbsvorgangs ausgegangen ist. In einem solchen Fall ist der
Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO. Wie
§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO vorschreibt, ist in einem derartigen Steuerbescheid
die Steuer nach Art und Betrag bezeichnet und der Steuerschuldner angegeben.
Die Rechtsprechung zur Nichtigkeit der unaufgegliederten Zusammenfassung
mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid betrifft Fälle, in denen aus dem
Steuerbescheid hervorgeht, dass das FA trotz Annahme mehrerer Steuerfälle
die Steuer unaufgegliedert festgesetzt hat, und auf die gesonderte
Ermittlung der Steuer für die einzelnen Steuerfälle nicht ausnahmsweise
verzichtet werden kann (zu den Ausnahmen vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV
1999, 1091, und in BFHE 217, 398, BStBl II 2008, 46; zur Grunderwerbsteuer
BFH-Urteile vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996,
162, und vom 13. Dezember 2007 II R 28/07, BFHE 220, 537, BStBl II 2008,
487). In diesen Fällen lässt sich aus der unaufgegliederten
Steuerfestsetzung nämlich nicht ersehen, welche Steuerbeträge für die
einzelnen Steuerfälle festgesetzt sein sollen.
19
4. Gegen die Höhe der vom FG festgesetzten
Steuer bestehen keine revisionsrechtlichen Bedenken.
20
a) Der Geschäftsanteil von 1.101.000 DM war
gemäß § 11 ErbStG nach der am 22. August 1995 geltenden Fassung des § 12
Abs. 1a ErbStG zu bewerten. Zu diesem Zeitpunkt wurde, wie bereits
dargelegt, die freigebige Zuwendung dieses Geschäftsanteils ausgeführt mit
der Folge der Entstehung der Steuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Dass der
danach anzusetzende Wert des Geschäftsanteils niedriger als 1.069 % des
Nominalwerts gewesen sei, hat der Kläger nicht geltend gemacht.
21
b) Die Vorschenkung aus dem Jahr 1984 wurde
bei der Steuerberechnung zutreffend nicht mehr berücksichtigt. Die in § 14
Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestimmte Frist von zehn Jahren war bei Ausführung der
Zuwendung des Geschäftsanteils von 1.101.000 DM bereits abgelaufen. Für die
Berechnung der in § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestimmten Frist von zehn Jahren
kommt es auf den Zeitpunkt des Vermögensanfalls, also des Erwerbs an
(BFH-Urteil vom 16. Januar 2008 II R 30/06, BFHE 220, 518, BStBl II 2008,
626). Der Zeitpunkt, zu dem der Schenkungsvertrag abgeschlossen wurde,
spielt keine Rolle.
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