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BFH-Urteil vom 21.10.2009 (I R 29/09) BStBl. 2010 II S. 644
Anwendbarkeit des § 35b GewStG 1999 auf Organschaften
§ 35b GewStG 1999 ermöglicht in Organschaftsfällen auch bei einer
Gewinnänderung auf der Ebene der Organgesellschaft eine Änderung des
bestandskräftigen Gewerbesteuermessbescheides.
GewStG 1999 § 35b; KStG 1999 § 8b Abs. 7.
Vorinstanz: FG Hamburg vom 24. Februar 2009
6 K 176/07 (EFG 2009, 1131)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war in den Streitjahren (1999 und
2000) körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organträgerin der
C-GmbH. Die C-GmbH war ihrerseits alleinige Gesellschafterin einer
Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts, der C-BV.
2
Die in den Streitjahren von
der C-BV an die C-GmbH ausgeschütteten Gewinne wurden aufgrund des sog.
Schachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 13 Abs. 4
des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der
Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur
Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (BGBl II 1960, 1782, BStBl
I 1960, 382) aus der Bemessungsgrundlage ausgenommen. Allerdings rechnete
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) der Klägerin unter
Hinweis auf § 8b Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) i.d.F.
des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften
(Steuerbereinigungsgesetz 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601,
BStBl I 2000, 13) und § 3c des Einkommensteuergesetzes 1997 5 v.H. der
ausgeschütteten Dividenden als nichtabziehbare Betriebsausgaben hinzu. Die
dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (Senatsurteil vom 13. Juni 2006
I R 78/04, BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821). Das der Klägerin zuzurechnende
Einkommen der C-GmbH als Organgesellschaft war in Höhe der ursprünglichen
Hinzurechnung nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 herabzusetzen. Dem folgte das FA
und erließ entsprechende Abhilfebescheide für die Jahre 1999 und 2000.
3
Am 2. Mai 2007 beantragte
die Klägerin, die bestandskräftigen Gewerbesteuermessbescheide für 1999 und
2000 gemäß § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999) entsprechend den
bei der Körperschaftsteuer vorgenommenen Korrekturen herabzusetzen. Dies
lehnte das FA ab. Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG)
Hamburg mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1131 veröffentlichtem
Urteil vom 24. Februar 2009 6 K 176/07 statt.
4
Mit seiner Revision rügt das
FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
6
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu
Recht angenommen, dass § 35b GewStG 1999 eine Änderung der
streitgegenständlichen Gewerbesteuermessbescheide ermöglicht.
7
1. Gemäß § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG 1999
ist der Gewerbesteuermessbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern,
wenn der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder ein
Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder
Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. Die Änderung des Gewinns aus
Gewerbebetrieb ist insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des
Gewerbeertrags oder des vortragsfähigen Gewerbeverlustes beeinflusst (§ 35b
Abs. 1 Satz 2 GewStG 1999). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind
sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Zweck nach erfüllt.
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2. Ist eine Kapitalgesellschaft
Organgesellschaft i.S. des § 14, § 17 oder § 18 KStG 1999, so gilt sie gemäß
§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1999 gewerbesteuerrechtlich als Betriebsstätte des
Organträgers. Trotz dieser Betriebsstättenfiktion bilden Organgesellschaft
und Organträger jedoch kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr
selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren
Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder
eingeschränkte Einheitstheorie, s. zur insoweit ständigen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH - Urteile vom 4. Juni 2003 I R 100/01, BFHE 203, 171,
BStBl II 2004, 244, m.w.N.; vom 14. Januar 2009 I R 47/08, BFHE 224, 126).
Die Organschaft führt dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der
Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger
zugerechnet wird (Senatsurteile vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157,
BStBl II 1990, 916; in BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244). Deshalb ist der
einheitliche Gewerbesteuermessbetrag allein gegenüber dem Organträger
festzusetzen.
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3. Obwohl hiernach die Gewerbeerträge für
die Organgesellschaft einerseits und den Organträger andererseits getrennt
ermittelt werden und erst danach in einem - einheitlichen - Gewerbeertrag
des Organträgers aufgehen, ermöglicht § 35b GewStG 1999 auch bei einer
Gewinnänderung auf der Ebene der Organgesellschaft eine Änderung
bestandskräftiger Gewerbesteuermessbescheide, sofern die weiteren
Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind.
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a) Der dem Gewerbesteuermessbescheid zu
Grunde liegende Gewerbeertrag umfasst zum einen den originären Gewerbeertrag
des Organträgers, zum anderen den der Organgesellschaft. Der Gewinn der
Organgesellschaft ist daher als unselbständige Besteuerungsgrundlage im
Gewerbeertrag des Organträgers enthalten. Ändert sich der Gewinn der
Organgesellschaft, wirkt sich dies in gleicher Weise auf den Gewerbeertrag
des Organträgers aus wie eine entsprechende Änderung seines eigenen Gewinns.
Das Gesetz, das für Organschaftsfälle keine gesonderte Regelung trifft,
spricht nur davon, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb durch die Änderung der
Körperschaftsteuer- oder Einkommensteuerfestsetzungen "berührt" sein muss.
Es fordert jedoch nicht, dass die Gewinnänderung den nämlichen
Gewerbebetrieb betrifft, sondern verlangt nur, dass eine Gewinnänderung den
Gewerbeertrag beeinflusst hat. Dies ist jedoch auch dann der Fall, wenn sich
der Gewinn der Organgesellschaft ändert.
11
b) Ebenso gebietet der Zweck der
Vorschrift, Gewinnänderungen bei der Organgesellschaft in den
Anwendungsbereich des § 35b GewStG 1999 einzubeziehen.
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Die Vorschrift dient der
Verfahrensvereinfachung. Sie bezweckt die Vermeidung einer unerwünschten
Verdoppelung von Rechtsbehelfsverfahren, in denen der Steuerpflichtige
sowohl gegen den Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid als auch gegen
den Gewerbesteuermessbescheid ein und dieselben materiell-rechtlichen
Einwendungen erhebt (BFH-Urteil vom 23. Juni 2004 X R 59/01, BFHE 206, 449,
BStBl II 2004, 901). Zu einer solchen Verdoppelung von Rechtsbehelfen käme
es jedoch auch dann, wenn in Organschaftsfällen, in denen bei der
Festsetzung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer um die Höhe des Gewinns
der Organgesellschaft gestritten wird, stets mit denselben Einwendungen der
Gewerbesteuermessbescheid angegriffen werden müsste.
13
Ob § 35b GewStG 1999 eine Änderung
bestandskräftiger Gewerbesteuermessbescheide auch dann ermöglicht, wenn zwar
gewerbesteuerrechtlich, nicht aber körperschaftsteuerrechtlich eine
Organschaft vorlag, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
14
4. Dem Gewinn der C-GmbH waren in den
ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheiden gemäß § 8b Abs. 7 KStG 1999
Beträge hinzugerechnet worden, was in den aufgrund des Senatsurteils in BFHE
215, 82, BStBl II 2008, 821 geänderten Körperschaftsteuerbescheiden
rückgängig gemacht wurde. Da sich die Gewinnminderungen bei der C-GmbH in
vollem Umfang auf die Höhe des Gewerbeertrags der Klägerin auswirken, hat
das FG zu Recht die Voraussetzungen des § 35b GewStG 1999 bejaht.
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