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BFH-Urteil vom 27.5.2009 (I R 94/08) BStBl. 2010 II S. 937
1.
Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 i.d.F. des UntStRFoG geht ein
verbleibender Verlustvortrag auch dann auf die übernehmende Körperschaft
über, wenn nicht diese, sondern ein anderes Unternehmen den Verlustbetrieb
fortführt.
2.
Ein auf den Schluss des Verschmelzungsjahres festgestellter verbleibender
Verlustvortrag ist unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG
1995 i.d.F. des UntStRFoG erstmals bei der Besteuerung der übernehmenden
Körperschaft für das Verschmelzungsjahr zu berücksichtigen (Fortentwicklung
des Senatsurteils vom 31. Mai 2005 I R 68/03, BFHE 209, 535, BStBl II 2006,
380).
UmwStG 1995 i.d.F. des UntStRFoG § 12 Abs.
3 Satz 2.
Vorinstanz: FG Münster vom 26. August 2008
9 K 5397/04 K (EFG 2008, 2006)
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten
über die Auslegung des § 12 des Umwandlungssteuergesetzes
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, erwarb am 1. Dezember 1998 alle
Anteile an der X-GmbH. Im Anschluss an eine Kapitalerhöhung bei der X-GmbH
wurde diese zum 31. Dezember 1999 auf die Klägerin verschmolzen. Dabei
erlitt die Klägerin einen Verschmelzungsverlust in Höhe des im Jahre 1999
erwirtschafteten Jahresfehlbetrags der X-GmbH, der gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1
UmwStG 1995 n.F. außer Ansatz blieb.
Am 1. Januar 2002 übertrug
die Klägerin ihr gesamtes operatives Geschäft einschließlich des auf sie
übergegangenen Betriebs der X-GmbH auf die S-GmbH. Diese führte den ihr
übertragenen Geschäftsbetrieb über den 31. Dezember 2004 hinaus fort. Die
Klägerin selbst beschränkte sich fortan auf die Verwaltung eigener
Immobilien und Beteiligungen.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte für die X-GmbH auf den 31.
Dezember 1999 einen verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer in
Höhe von 1 034 669 DM fest. In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr
(1999) verrechnete die Klägerin diesen Betrag mit ihren eigenen positiven
Einkünften. Dem folgte das FA im Anschluss an eine Betriebsprüfung nicht. Es
ging davon aus, dass wegen der späteren Veräußerung des operativen
Geschäftsbetriebs der Verlustabzug rückwirkend für das Streitjahr zu
versagen sei, und erließ einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG)
abgewiesen (FG Münster, Urteil vom 26. August 20089 K 5397/04 K); sein
Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 2006 abgedruckt.
Mit ihrer vom FG
zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Körperschaftsteuerbescheid 1999 dahin zu ändern, dass die Körperschaftsteuer
unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Verlustabzugs in Höhe von 1 034
669 DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst. Der
streitgegenständliche Bescheid ist entsprechend dem Antrag der Klägerin zu
ändern.
1. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995 n.F.
tritt im Fall einer Verschmelzung die übernehmende Körperschaft bezüglich
verschiedener - im Gesetz aufgezählter - steuerlicher Merkmale in die
Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Dasselbe gilt gemäß § 12
Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F. für einen verbleibenden Verlustabzug i.S. des
§ 10d Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes unter der Voraussetzung,
dass der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, in einem
nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang
in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird. Die letztgenannte Bestimmung
ist durch das UntStRFoG in das Gesetz eingefügt worden. Um ihre Auslegung
geht es im Streitfall.
2. Der dabei in Rede stehende Verlust ist
von der X-GmbH erwirtschaftet worden, die mit Wirkung zum 31. Dezember 1999
(Verschmelzungsstichtag) auf die Klägerin verschmolzen worden ist. Nach den
bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat die Klägerin den von
der X-GmbH stammenden Betrieb im Anschluss an den Verschmelzungsstichtag
nicht für fünf Jahre fortgeführt, sondern vor Ablauf der Fünfjahresfrist an
die S-GmbH veräußert. Das FG hat jedoch zugleich festgestellt, dass die
S-GmbH jenen Betrieb ihrerseits über den 31. Dezember 2004 hinaus
fortgeführt hat. Das genügt für den Eintritt der Klägerin in den
Verlustabzug der X-GmbH.
a) Die in § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995
n.F. getroffene Fristbestimmung ist dahin zu lesen, dass der den Verlust
verursachende Betriebsteil im Anschluss an den Verschmelzungsstichtag für
mindestens fünf Zeitjahre fortgeführt werden muss (ebenso Prinz,
Finanz-Rundschau - FR - 1997, 885; Dötsch, Der Betrieb - DB - 1997, 2144,
2145; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG Rz
b) Das FG hat in Übereinstimmung mit dem FA
angenommen, dass die Klägerin den geltend gemachten Verlustabzug gleichwohl
nicht beanspruchen könne, weil sie den von der X-GmbH stammenden Betrieb vor
Ablauf der Fünfjahresfrist an die S-GmbH veräußert habe. § 12 Abs. 3 Satz 2
UmwStG 1995 n.F. verlange für einen Verlustabzug durch den übernehmenden
Rechtsträger, dass dieser den für den Verlust ursächlichen Betrieb oder
Betriebsteil selbst fortführe (ebenso Bundesministerium der Finanzen - BMF
-, Schreiben vom 16. April 1999, BStBl I 1999, 455, Tz. 43; Eggemann/Müller,
Die Information über Steuer und Wirtschaft 1997, 641, 647;
Thiel/Eversberg/van Lishaut/ Neumann, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1998, 397,
423; Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 680). Dem kann sich
der Senat nicht anschließen.
aa) Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich,
wie das FG zutreffend ausgeführt hat, eine Einschränkung des genannten
Inhalts nicht entnehmen. Die dort gewählte Formulierung enthält zu der
Frage, welches Rechtssubjekt den Betrieb oder Betriebsteil fortführen muss,
keine Aussage. Das deutet darauf hin, dass es nach dem maßgeblichen
Gesetzesbefehl darauf nicht ankommen soll (ebenso FG Berlin, Beschluss vom
3. Mai 20058 B 8090/04, Der Konzern 2005, 465; Breuninger/Frey, GmbHR 1998,
866, 868). Diese Deutung liegt um so näher, als zeitgleich mit der Schaffung
des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F. in § 8 Abs. 4 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996) eine vergleichbare Fünfjahresfrist
bestimmt worden ist, die sich dort aber ausdrücklich auf die Fortführung des
wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs durch "die Körperschaft" bezieht (ebenso
Hörger/Endres, DB 1998, 388, 390). Dass § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F.
in anderer Weise formuliert ist, kann vor diesem Hintergrund als Hinweis auf
einen abweichenden Gesetzesinhalt verstanden werden.
bb) Das FG hat diese Überlegung nicht für
durchgreifend erachtet und zur Begründung auf den Zweck der gesetzlichen
Regelung verwiesen. Dieser gehe erkennbar dahin, eine Verlustnutzung in
Fällen zu verhindern, in denen der übernehmende Rechtsträger nur an der
Nutzung der Verluste des übertragenden Rechtsträgers und nicht an der
Fortsetzung von dessen Geschäftsbetrieb interessiert sei; der Gesetzgeber
habe zweifelsfrei nicht in Kauf nehmen wollen, dass der übernehmende
Rechtsträger sich seiner Obliegenheit zur Betriebsfortführung durch einen
alsbaldigen Verkauf des Geschäftsbetriebs entledigen könne. Dem kann nicht
uneingeschränkt zugestimmt werden.
aaa) Die Gesetzesmaterialien geben keinen
Aufschluss darüber, ob der Gesetzgeber die in Rede stehende Problematik
erkannt und wie er sie ggf. beurteilt hat. Die Einfügung des § 12 Abs. 3
Satz 2 UmwStG 1995 n.F. beruht ebenso wie die Ergänzung des § 8 Abs. 4 KStG
1996 auf einer Initiative des Vermittlungsausschusses (Beschlussempfehlung
vom 4. August 1997, BTDrucks 13/8325); beide Maßnahmen sind im
Gesetzgebungsverfahren nicht begründet worden. Deshalb ist insbesondere
nicht erkennbar, auf welcher Erwägung die Unterschiedlichkeit in der
Abfassung des Gesetzeswortlauts beruht.
Es mag zwar richtig sein, dass beide
Gesetzesänderungen von dem Bestreben getragen sind, einem "Handel" mit
Verlustvorträgen entgegenzuwirken. Doch ist es nicht fernliegend, dass der
Gesetzgeber an die Verwirklichung dieses Ziels im Anwendungsbereich des § 8
Abs. 4 KStG 1996 einerseits und in Verschmelzungsfällen andererseits
unterschiedliche Maßstäbe angelegt hat. So könnte es ihm bei der Schaffung
des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F. vor allem darauf angekommen sein,
dass der bis zur Verschmelzung bestehende Betrieb oder Betriebsteil im
Anschluss an die Verschmelzung nicht eingestellt oder wesentlich verkleinert
wird, sondern in einem vergleichbaren Umfang als Wirtschaftsfaktor erhalten
bleibt (so z.B. Simon in Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, § 13 Rz 145);
dieses Ziel wird auch dann erreicht, wenn die betreffende Einheit nicht
unmittelbar durch den übernehmenden Rechtsträger, sondern durch einen
Dritten fortgeführt wird (ebenso Hofmeister, Festschrift Widmann, 2000, S.
413, 424). Dagegen mag bei der Änderung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 die
genannte Überlegung nicht im Vordergrund gestanden haben, was erklären
könnte, dass (nur) dort auf die Fortführung durch einen bestimmten
Rechtsträger abgestellt wird. Daher hält der Senat es nicht für möglich,
unter Hinweis auf die Einheitlichkeit des Gesetzeszwecks die in § 8 Abs. 4
KStG 1996 enthaltene Einschränkung in § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F.
hineinzulesen.
bbb) Ebenso lässt sich eine solche Deutung
nicht auf die Erwägung stützen, dass § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F.
inhaltlich dem österreichischen Recht entlehnt sei und dass dieses den
Fortbestand des Verlustabzugs ausdrücklich von einer Fortführung der
wirtschaftlichen Einheit durch den übernehmenden Rechtsträger abhängig mache
(so aber Dötsch, DB 1997, 2144,
cc) Schließlich lässt sich die Annahme,
dass § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F. eine Fortsetzung des Betriebs oder
Betriebsteils unmittelbar durch den übernehmenden Rechtsträger verlange,
nicht auf Erwägungen allgemeiner Art stützen. Das gilt namentlich für die
Überlegung, dass die Vorschrift die Besteuerung dieses Rechtsträgers
betreffe und dass ihre Anwendung deshalb nicht von Voraussetzungen abhängen
könne, auf die er keinen Einfluss hat (so Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O.,
§ 12 UmwStG Rz 682). Denn dass es zu solchen Situationen kommen kann, ist
dem Umwandlungssteuerrecht in der hier maßgeblichen Fassung nicht fremd. So
können z.B. im Fall einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 des
Umwandlungsgesetzes oder bei der Übertragung von Teilbetrieben die in § 15
Abs. 1 und Abs. 4 UmwStG 1995 n.F. getroffenen Regelungen bewirken, dass
eine Körperschaft einen verbleibenden Verlustabzug nur dann beanspruchen
kann, wenn eine andere Körperschaft den auf sie übergegangenen Betrieb oder
Teilbetrieb für mindestens fünf Jahre fortführt (Klingberg in Blümich,
a.a.O, § 15 UmwStG 1995 Rz 82); dann kann ebenfalls der Verlustabzug vom
Verhalten eines Rechtsträgers abhängen, das der vom Verlustabzug begünstigte
Rechtsträger nicht bestimmen kann. In derartigen Fällen wird es häufig
sachgerecht sein, dass sich das eine Unternehmen vom anderen die Fortführung
des Betriebs oder Betriebsteils vertraglich garantieren lässt (ebenso
Klingberg in Blümich, a.a.O., § 15 UmwStG 1995 Rz 82); auch wird in der
Besteuerungspraxis zu beachten sein, dass die tatsächlichen Voraussetzungen
des Verlustabzugs von demjenigen nachzuweisen sind, der den Verlustabzug
geltend macht. Einen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, dass im Zusammenhang
mit dem Verlustabzug nur auf die Verhältnisse des ihn begehrenden
Rechtsträgers abgestellt werden könne, enthält das Umwandlungssteuerrecht
aber nicht. Daher kann dieser Gedanke ebenfalls keine Einschränkung des
Verlustabzugs tragen, die vom Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995
n.F. nicht angezeigt ist.
c) Im Ergebnis muss die Vorschrift deshalb
dahin verstanden werden, dass in Verschmelzungsfällen der übernehmende
Rechtsträger einen verbleibenden Verlustabzug auch dann geltend machen kann,
wenn der für den Verlust verantwortliche Betrieb oder Betriebsteil von einem
anderen Rechtsträger über die Fünfjahresfrist hinweg fortgeführt wird
(ebenso FG Berlin, Beschluss in Der Konzern 2005, 465; Breuninger/Frey,
GmbHR 1997, 866, 868; Schönfeld, Der Konzern 2005, 468, 469; Simon in
Heckschen/Simon, a.a.O., § 13 Rz 145; Schmitt in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz,
4. Aufl., Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 12 UmwStG Rz 108;
wohl auch Hofmeister, a.a.O., S. 413, 424). Diese Voraussetzung ist im
Streitfall erfüllt. Über die Höhe des der Klägerin zustehenden verbleibenden
Verlustabzugs besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, weshalb der
Senat auf Ausführungen dazu verzichtet.
3. Die Klägerin hat den zum 31. Dezember
1999 festgestellten verbleibenden Verlustabzug zu Recht bei der Besteuerung
für das Streitjahr geltend gemacht. Denn nach der Rechtsprechung des Senats
kann, wenn die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 n.F.
erfüllt sind, bei der Verschmelzung von Körperschaften ein im
Übertragungsjahr bei der übertragenden Körperschaft eingetretener
(laufender) Verlust mit im Übertragungsjahr erzielten Gewinnen der
übernehmenden Körperschaft verrechnet werden (Senatsurteil vom 31. Mai 2005
I R 68/03, BFHE 209, 535, BStBl II 2006, 380). Diese Rechtsprechung, die
auch für den zeitlichen Geltungsbereich des UmwStG 1995 n.F. gilt, hat zwar
Kritik erfahren (vgl. z.B. Dötsch, Der Konzern 2005, 511; derselbe in
Dötsch/Jost/Pung/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 12 UmwStG [vor SEStEG] Rz
4. Anhand der vom FG getroffenen
Feststellungen lässt sich nicht eindeutig bestimmen, in welcher Höhe
hiernach der Klägerin gegenüber die Steuer für das Streitjahr festzusetzen
ist. Die Berechnung des festzusetzenden Betrags wird deshalb in
entsprechender Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.
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