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BFH-Urteil vom 17.10.1979 (II R 135/75) BStBl. 1980 II S. 27

Der Kauf eines Betriebsgrundstückes durch einen Ehegatten, das an eine Kommanditgesellschaft vermietet wird, an der sich der andere Ehegatte als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt hat, kann der Festigung einer noch nicht ausreichend gesicherten Existenz i. S. des § 2 Nr. 1 GrEStVertrG Nordrhein-Westfalen dienen. Dies gilt auch dann, wenn der andere Ehegatte zuvor bereits persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Personenhandelsgesellschaft gewesen ist, die ebenfalls in gemieteten Räumen tätig war.

Offen bleibt, ob ein Ehegatte, dessen Existenz auf den Beiträgen des anderen Ehegatten zum Familienunterhalt beruht, bei ausreichend gesicherter Existenz dieses Ehegatten über eine gesicherte Existenzgrundlage verfügt.

GrEStVertrG Nordrhein-Westfalen § 2 Nr. 1.

Sachverhalt

Die Klägerin gehört - wie auch ihr Ehemann - zu den Verfolgten i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des am 1. Januar 1969 in Kraft getretenen Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge, Verfolgte und politische Häftlinge (GrEStVertrG) vom 21. Mai 1970 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 399 - GVBl, 399 -, BStBl I, 820). Sie kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 26. Juli 1969 ein in A gelegenes Grundstück mit aufstehendem Bürogebäude nebst Werkhalle. Der Kaufpreis wurde durch Übernahme der eingetragenen Belastungen in gleicher Höhe belegt. Auf dem Grundstück wurde ein gewerbliches Unternehmen betrieben (B.), an dem sich der Ehemann der Klägerin als persönlich haftender Gesellschafter beteiligte.

Zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages bezog die Klägerin Renten aus eigenem Recht in Höhe von 334,30 DM. Sie war nach ihrem Vortrag als Hausfrau tätig. Ihr Ehemann war seit 1947 persönlich haftender Gesellschafter einer OHG gewesen, die eine Fabrikation betrieb. Die Liquidation dieser Gesellschaft führte 1971 zu einem Auseinandersetzungsguthaben zugunsten des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 100.000 DM.

Das beklagte Finanzamt (FA) hat es abgelehnt, der Klägerin für ihren Grundstückserwerb Steuerfreiheit gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1 GrEStVertrG zu gewähren. Es hat lediglich im Rahmen der Festsetzung der Grunderwerbsteuer einen Steuererlaß in Höhe von 3.500 DM gem. § 131 Abs. 1 Satz 2 der Reichsabgabenordnung (AO) i. V. m. einem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 1958 i. d. F. vom 18. Oktober 1963 nach einer Gegenleistung von 50.000 DM gewährt.

Der gegen den Steuerbescheid eingelegte Einspruch, mit dem die Herabsetzung der Steuer um weitere 3.500 DM begehrt wurde, ist ohne Erfolg geblieben.

Der auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer um weitere 3.500 DM gerichteten Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Es hat angenommen, daß die Klägerin auf Grund ihrer Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann eine Existenzgrundlage i. S. der ersten Alternative des § 2 Nr. 1 GrEStVertrG gehabt habe, die aber noch nicht ausreichend gesichert gewesen sei.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 GrEStVertrG für die teilweise Nichterhebung der Grunderwerbsteuer erfüllt. Diese Vorschrift setzt voraus, daß ein Grundstück zur Schaffung einer gesicherten Existenzgrundlage oder zur Festigung einer bereits geschaffenen, aber noch nicht ausreichend gesicherten Existenz erworben wird. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob ein im Haushalt tätiger Ehegatte bereits dadurch eine gesicherte Existenzgrundlage erlangt, daß die gemeinsame Existenz beider Ehegatten durch die wirtschaftliche Betätigung des anderen Ehegatten gesichert wird. Denn die Existenz der Klägerin könnte bei Bejahung dieser Frage nur dann als gesichert angesehen werden, wenn die Existenz ihres Ehemannes gesichert wäre. Hieran fehlt es jedoch, wie das FG zu Recht angenommen hat.

Die Existenzgrundlage des Ehemannes der Klägerin bestand in seiner Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter. Da die Produktion in gemieteten Räumen betrieben wurde, konnte die Existenz noch nicht als gesichert angesehen werden. Sie konnte z. B. durch die Kündigung des Mietverhältnisses beeinträchtigt werden. Das galt besonders seit der Aufhebung des Mieterschutzes durch das Geschäftsraummietengesetz vom 25. Juni 1952 (BGBl I, 338). Unter diesen Umständen muß bei einem in gemieteten Räumen betriebenen Unternehmen davon ausgegangen werden, daß der Nacherwerb des Betriebsgrundstücks der Sicherung der Existenzgrundlage der Inhaber des Unternehmens dient. Hiervon ist offensichtlich auch die Landesregierung ausgegangen, wie der Begründung zu Art. 2 § 3 des Entwurfes eines Grunderwerbsteueränderungsgesetzes zu entnehmen ist (Landtag Nordrhein-Westfalen 6. Wahlperiode Drucksache Nr. 1145 S. 42). Dort ist zur Begründung der Verdoppelung des Freibetrages von 50.000 DM auf 100.000 DM ausgeführt worden:

" Besonders im Ruhrgebiet werden viele Unternehmen Vertriebener und Flüchtlinge auf Pachtgelände betrieben. In vielen Fällen sind die Betriebsinhaber erst jetzt finanziell in der Lage, die Grundstücke zu erwerben; oft aber sind die Eigentümer erst jetzt - nach den veränderten Strukturverhältnissen - bereit, die Grundstücke zu veräußern."

Diese Ausführungen sind nur dann sinnvoll, wenn davon ausgegangen wird, daß der nachträgliche Erwerb der Betriebsgrundstücke der Sicherung der Existenzgrundlage der Betriebsinhaber eines Unternehmens dienen, das auf gemieteten Grundstücken betrieben wird.

Im vorliegenden Fall lagen die Verhältnisse allerdings anders. Der Ehemann der Klägerin hat sich eine neue Existenzgrundlage durch seine Beteiligung an der B als persönlich haftender Gesellschafter geschaffen. Die Klägerin sicherte diese Existenz dadurch, daß sie das Betriebsgrundstück kaufte. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die Existenz des Ehemannes der Klägerin und damit auch die Existenz der Klägerin vor dem Erwerb des Grundstückes durch die Beteiligung des Ehemannes an einer auf gemietetem Grundstück betriebenen Fabrikation noch nicht ausreichend gesichert war. Diese noch nicht ausreichend gesicherte Existenz konnte auch dadurch gesichert werden, daß die Ehegatten sich wie im vorliegenden Fall eine neue Existenzgrundlage schufen.

Unerheblich ist, daß die Klägerin selbst sich nicht unternehmerisch betätigt. Für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 GrEStVertrG reicht es aus, daß sie das Grundstück erworben hat, auf dem das Unternehmen betrieben wird, an dem sich ihr Ehemann maßgeblich beteiligt hat. Der Erwerb des Grundstücks geht unter diesen Umständen über eine bloße Vermögensanlage hinaus. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob etwas anderes gelten würde, wenn die Klägerin beispielsweise ein Mietwohngrundstück als Vermögensanlage erworben hätte.