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BFH-Urteil vom 27.9.1979 (V R 60/76) BStBl. 1980 II S. 83

Eine Bauvoranfrage ist kein Bauantrag i. S. des § 27 Abs. 15 UStG 1973.

UStG 1973 § 30, § 27 Abs. 15.

Sachverhalt

Der Kläger versuchte seit dem Jahre 1972, ein Bauvorhaben auf dem Grundstück Wiesenstraße in A, Ortsteil B, zu verwirklichen. Am 16. November 1972 reichte er nach Aufgabe anderer Bebauungsabsichten, die zum Bauantrag vom 26. April 1972 geführt hatten, einen erneuten formlosen Antrag ein, mit dem er um Genehmigung zur Errichtung eines Lebensmittel-Supermarktes auf dem vorbezeichneten Grundstück nachsuchte. Einen formgerechten Bauantrag hat er beim Bauordnungsamt der Stadt A am 1. Juni 1973 eingereicht. Dieser ist am 4. Oktober 1973 genehmigt worden. Das dementsprechend errichtete Ladengebäude wurde am 4. April 1974 in Betrieb genommen.

Das Finanzamt (Beklagter) setzte in Abweichung von der Umsatzsteuererklärung im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 1974 wegen der Zuführung des Ladengebäudes zur Verwendung als Anlagevermögen gemäß § 30 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 Selbstverbrauchsteuer in Höhe von 46223,36 DM fest. Den Einspruch des Klägers hat es mit Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 1975 als unbegründet zurückgewiesen. In dieser Entscheidung heißt es, der Kläger habe eine "Fertighalle" errichtet.

Die Klage wendet sich gegen die Heranziehung zur Selbstverbrauchsteuer nach § 30 UStG 1973. Der Kläger macht geltend, er habe nachweisbar den Investitionsentschluß bereits im Jahre 1972 mit seinem Bauantrag vom 26. April 1972 gefaßt, der auf Umbau und Erweiterung des auf dem Grundstück Wiesenstraße aufstehenden Gebäudes gerichtet gewesen sei. Die verspätete Antragstellung für das veränderte Bauprojekt auf diesem Grundstück dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, zumal die Verwirklichung seines Investitionsvorhabens in einen Zeitraum gefallen sei, in dem die Bundesregierung bereits wieder von einer Dämpfung der Konjunktur auf eine Förderung derselben umgeschaltet habe.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung unterliegt die Inbetriebnahme der "Fertighalle" der Selbstverbrauchsteuer nach § 30 UStG 1973. Der Kläger habe den Bauantrag nicht vor dem 9. Mai 1973 gestellt (§ 27 Abs. 15 UStG 1973).

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Neben Hinweisen auf die durch die Eingemeindung der Gemeinde B in die Stadt A verzögerte Bearbeitung seiner Bauvoranfrage vom 16. November 1972, welche für den verspäteten Bauantrag vom 1. Juni 1973 ursächlich gewesen sei, weist der Kläger darauf hin, daß er seine "Fertighalle" bereits am 15. Februar 1973 beim Hersteller bestellt habe.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der erkennende Senat hat im Urteil vom 14. Dezember 1978 V R 32/75 (BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289, Umsatzsteuer-Rundschau 1979 S. 66 - UStR 1979, 66 -) ausgeführt, daß die neue durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) eingeführte Selbstverbrauchsteuer (§ 30 UStG 1973) auf Grund ihrer Zielsetzung in erster Linie an die Bestellung bzw. den Beginn der Herstellung des Wirtschaftsgutes anknüpft, da sich in diesen Handlungen der Investitionsentschluß des Unternehmers konkretisiert.

1. Solche Investitionsentschlüsse werden gemäß § 30 I. V. m. § 27 Abs. 15 UStG 1973 von der Selbstverbrauchsteuer dann nicht erfaßt, wenn der Unternehmer sie vor dem 9. Mai 1973 getroffen hat, mag auch die Zuführung des neu geschaffenen Wirtschaftsgutes nach diesem Zeitpunkt liegen. Bei der Errichtung von Gebäuden gilt gemäß § 27 Abs. 15 letzter Satz UStG 1973 als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird.

Der Kläger hat zwar am 26. April 1972 einen Bauantrag zum Umbau und zur Erweiterung eines auf seinem Grundstück aufstehenden Gebäudes gestellt, dieses Projekt aber nicht verwirklicht. In bezug auf das nach dem 8. Mai 1973 dem Anlagevermögen zugeführte Wirtschaftsgut, nämlich den Lebensmittel-Supermarkt, hat er sich vor dem 9. Mai 1973 zwar nicht mit einem Bauantrag, aber mit einer Bauvoranfrage i. S. des Art. 92 Abs. 1 der Bayerischen Bauordnung - BayBO - (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1962 S. 179 - BayGVBl 1962, 179 -) an das zuständige Bauamt gewendet (Schreiben vom 16. November 1972). Diese Bauvoranfrage kann jedoch einem formgerechten Bauantrag gemäß den baurechtlichen Vorschriften - wie in § 27 Abs. 15 UStG 1973 in Anlehnung an ältere Regelungen des Einkommensteuerrechts im Auge hat - nicht gleichgestellt werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 28. März 1966 VI 281/64, BFHE 85, 425, BStBl III 1966, 454, und vom 20. November 1973 VIII R 86/69, BFHE 110, 559, BStBl II 1974, 69). Eine Bauvoranfrage führt nicht wie ein Bauantrag zu einer Baugenehmigung (auch nicht Teilbaugenehmigung). Es werden mit ihr gewisse Fragen vorgeklärt, was zu einer zeitlich befristeten Bindung der Bauverwaltung durch Vorbescheid gemäß Art. 92 Abs. 1 BayBO führen kann (vgl. Mang/Simon, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 1.-6. Aufl., Art. 92 Tz. 1). Den eigentlichen Bauantrag kann die Bauvoranfrage infolge ihres andersartigen Charakters nicht ersetzen.

Es ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber des § 30 UStG 1973 diese baurechtliche Differenzierung, die zu den allgemeinen Grundsätzen des Baurechts gehört, gekannt und beachtet hat. Dafür spricht, daß die Wahl des Bauantrags (statt der Bauvoranfrage) mit der Zielsetzung harmoniert, die der Gesetzgeber mit der Besteuerung der Investitionen verfolgte. Beabsichtigt war, die Unternehmer zur Zurückhaltung bei Investitionen zu veranlassen. Dazu wäre eine Anknüpfung an die Bauvoranfrage ein untaugliches Mittel gewesen, da sich in dieser der Investitionsentschluß des Unternehmers noch nicht hinreichend konkretisiert und verfestigt hat.

2. Der erkennende Senat hat in seinem bereits erwähnten Urteil vom 14. Dezember 1978 V R 32/75 (BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289, UStR 1979, 66) erkannt, daß es bei typengenormten Fertighäusern dann nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung des Bauantrags ankommt, wenn das Fertighaus bereits vor dem 9. Mai 1973 bestellt worden ist. Die Differenzierung zwischen Fertighäusern und Gebäuden herkömmlicher Bauweise rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß der späteren Zuführung eines Gebäudes zum Anlagevermögen die Bestellung eines maßgeblichen, aber nicht unbedingt an den vorgesehenen Standort gebundenen Hauptstoffes, nämlich des auf den vorbereiteten Fundamenten zu errichtenden Fertighauses, vorangeht. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist der maßgebliche Investitionsentschluß mit der Bestellung dieses Hauptstoffes, eines zunächst eigenständigen Wirtschaftsgutes, verwirklicht.

Diese Erwägungen sind vom Finanzgericht nicht berücksichtigt worden. Bereits in der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 1975 hat das Finanzamt ausgeführt, der Kläger habe eine "Fertighalle" errichtet. Auch die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils gehen davon aus, daß Gegenstand der Selbstverbrauchsteuerpflicht die "Inbetriebnahme einer Fertighalle" sei, ohne darzulegen, mit welchem Bedeutungsinhalt sie das Wort "Fertighalle" gebrauchen. Sollte es sich bei der Errichtung des Lebensmittel-Supermarktes um die Erstellung eines Gebäudes handeln, dem die Bestellung eines typengenormten Fertighauses vor dem 9. Mai 1973 vorausgegangen ist, wäre der vom Finanzgericht verwendete Ausdruck im Sinne eines Fertighauses zu verstehen, wie es Gegenstand des Urteils vom 14. Dezember 1978 V R 32/75 war. Möglich ist aber auch, daß ein Gebäude in Massivbauweise errichtet worden ist, bei dem lediglich Fertigbauteile verwendet worden sind. Nur in diesem Falle hätte das Finanzgericht richtig entschieden.

3. Die Revision ist begründet, da die Feststellungen des Finanzgerichts nach den vorstehenden Ausführungen für die Anwendung des § 30 UStG 1973 unzureichend sind. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Finanzgericht wird die notwendigen Feststellungen zu treffen haben, ob der Kläger ein Fertighaus-Vorhaben im Sinne der Senatsentscheidung vom 14. Dezember 1978 V R 32/75 verwirklicht hat.