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BFH-Beschluß vom 7.11.1979 (VII B 35/79) BStBl. 1980 II S. 86

1. Bei der Prüfung, ob einer Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluß des FG abgeholfen werden soll, ist auch neues Vorbringen des Vollstreckungsschuldners zu berücksichtigen.

2. Eine richterliche Durchsuchungsanordnung kann nicht aufrechterhalten werden, damit die Durchsuchung bei Nichteinhaltung einer Ratenzahlungsvereinbarung erfolgen kann.

AO 1977 §§ 287, 258; FGO § 130 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1.

Sachverhalt

Auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) ordnete das Finanzgericht (FG) an, daß die Vollziehungsbeamten des FA befugt sind, die Wohn- und Geschäftsräume des Vollstreckungsschuldners und Beschwerdeführers (Vollstreckungsschuldner) zum Zwecke der Vollstreckung zu durchsuchen. Den Beschluß begründete es damit, daß die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner wegen rückständiger Abgaben in Höhe von 6.194,04 DM eingeleitet sei und nach der Darstellung des FA die Möglichkeit bestehe, daß der Vollstreckungsschuldner in seiner Wohnung und seinen Geschäftsräumen der Vollstreckung unterliegende Vermögensgegenstände aufbewahre und diese dem Zugriff des FA zu entziehen versuche. Deshalb könne die Durchsuchung nach § 287 der Abgabenordnung (AO 1977) notwendig sein. Die Entscheidung ergehe ohne vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners, da sonst der Zweck der Durchsuchung gefährdet werden könnte.

Mit der rechtzeitig eingelegten Beschwerde macht der Vollstreckungsschuldner geltend, schon vor Erlaß der Anordnung sei bei einer Unterredung zwischen dem Leiter der Vollstreckungsstelle des FA und ihm vereinbart worden, daß er die Steuererklärungen bis 30. September 1979 vorlege und dann bezüglich des evtl. Rückstandes eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen werde. Die Durchsuchungsanordnung sei deswegen nicht mehr erforderlich gewesen.

In seiner dem FG gegenüber abgegebenen Stellungnahme führt das FA aus, es habe die Durchsuchungsanordnung am 24. August 1979 beantragt. Der Antrag sei am 28. August 1979 beim FG eingegangen. Der Beschluß sei am 30. August 1979 ergangen. Am selben Tag sei bei einer Besprechung an Amtsstelle mit dem Vollstreckungsschuldner und seinem Berater vereinbart worden, daß die Umsatzsteuererklärung 1978 und die Voranmeldungen für das I. und II. Quartal 1979 abgegeben würden und ab 1. Oktober 1979 dann monatlich 1.000 DM auf die Altrückstände zu zahlen seien. Vollstreckungsaufschub i. S. des § 258 AO 1977 sei nicht gewährt worden, da die Erfüllung der vereinbarten Verpflichtungen durch den Vollstreckungsschuldner habe abgewartet werden sollen. Die Vereinbarung habe nur verwaltungsinterne Bedeutung und könne nicht generell zu einer Vollstreckungsaussetzung führen. Der Durchsuchungsbeschluß sei daher noch erforderlich, da eine auf ihn gegründete Vollstreckungsmaßnahme nur dann ermessensfehlerhaft wäre, wenn der Vollstreckungsschuldner die Vereinbarung einhielte. Eine solche Maßnahme werde jedoch nicht erfolgen und sei auch nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde.

Das FG half der Beschwerde nicht ab.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Durchsuchungsanordnung.

Ob hier die Voraussetzungen für den Erlaß des Durchsuchungsbeschlusses zur Zeit seines Erlasses gegeben waren, kann im Streitfall dahingestellt bleiben. Denn er muß jedenfalls aufgrund der am Tage seines Erlasses getroffenen Vereinbarung über Ratenzahlungen aufgehoben werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Vereinbarung zeitlich kurz vor dem Beschluß oder danach getroffen wurde. Schon das FG muß bei der Entscheidung über eine etwaige Abhilfe der Beschwerde gemäß § 130 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) neues Vorbringen des Vollstreckungsschuldners berücksichtigen (s. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 130 Anm. 3 mit Hinweisen). Dies erfordert hier besonders der Umstand, daß der angefochtene Beschluß ohne vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners ergangen ist, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) aber grundsätzlich die vorherige Anhörung des Betroffenen gebietet. In solchen Fällen kommt das Beschwerdevorbringen einer nachgeholten Anhörung gleich.

Die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung einer Ratenzahlung läuft entgegen der Ansicht des FA auf die Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs hinaus. Sie hat nicht etwa nur verwaltungsinterne Bedeutung, der nach außen keine Wirkung zukommt. Denn sie ist mit dem Vollstreckungsschuldner getroffen und enthält neben Zusagen des Vollstreckungsschuldners auch unausgesprochen die Zusage, sich unter gewissen Voraussetzungen mit Ratenzahlungen zufriedenzugeben, also auf Vollstreckungsmaßnahmen vorläufig zu verzichten. Hierauf muß sich der Vollstreckungsschuldner verlassen können. Mit der "Vereinbarung" hat sich auch die Verwaltung gebunden. Wie das FA selbst in seiner Stellungnahme ausführt, will es abwarten, ob der Vollstreckungsschuldner die vereinbarten Verpflichtungen einhält, und nur dann von dem Durchsuchungsbeschluß Gebrauch machen, wenn der Vollstreckungsschuldner die Abmachung nicht einhält. So hält es selbst ein Gebrauchmachen von der Durchsuchungsanordnung für ermessensfehlerhaft, wenn der Vollstreckungsschuldner die Vereinbarung einhält.

Mit der Gewährung der Ratenzahlungen nimmt das FA auch hin, daß der Vollstreckungsschuldner in der Zwischenzeit der Vollstreckung unterliegende Gegenstände dem Zugriff des FA entzieht. Damit ist aber der vom FG angenommene Grund für die Notwendigkeit der Durchsuchung entfallen.

Die Durchsuchungsanordnung kann nicht damit gerechtfertigt werden, daß von ihr dann Gebrauch gemacht werden könnte, wenn der Vollstreckungsschuldner seine Verpflichtungen aus der Vereinbarung nicht einhielte. Abgesehen davon, daß der Vollstreckungsschuldner nach Bekanntwerden des Durchsuchungsbeschlusses und bei Nichtvollziehung der Durchsuchung pfändbare Gegenstände beiseite schaffen und dadurch eine spätere Durchsuchung gegenstandslos machen kann, würde die Aufrechterhaltung der Durchsuchungsanordnung für den Betroffenen eine ständige Bedrohung und damit einen unverhältnismäßigen Eingriff darstellen. Sie ist daher aufzuheben.