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BFH-Urteil vom 5.12.1979 (I R 184/76) BStBl. 1980 II S. 119

Die Zugehörigkeit der von einem Kommanditisten gehaltenen Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH zu seinem Sonderbetriebsvermögen bewirkt, daß die Gewinnausschüttungen der GmbH an ihn als Sonderbetriebseinnahmen bei der Ermittlung seiner gewerblichen Einkünfte zu erfassen sind und den Gesamtgewinn der Kommanditgesellschaft erhöhen (Anschluß an BFH-Urteil vom 15. Oktober 1975 I R 16/73, BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188).

EStG 1969 § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2; AO § 215 Abs. 2 Nr. 2.

Sachverhalt

Revisionskläger ist der Kläger zu 2 des finanzgerichtlichen Verfahrens. Die Kläger zu 1 und zu 2 waren im Jahre 1970 (Streitjahr) mit Einlagen von je 140.000 DM als (einzige) Kommanditisten an der G KG (KG) in H beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin war die I-GmbH (GmbH), zunächst ebenfalls in H, später in B bei H. Die GmbH betrieb den Import und Großhandel mit den gleichen Erzeugnissen wie die KG. Das Stammkapital der GmbH wurde am 9. Juni 1967 von 20.000 DM auf 400.000 DM erhöht. Die GmbH-Anteile gehörten je zur Hälfte dem Kläger zu 1 und dem Kläger zu 2.

Der Kläger zu 1 war zugleich Geschäftsführer der GmbH; das Geschäftsführergehalt erhielt er ausschließlich für seine Tätigkeit in der GmbH. Der auf die KG entfallende Umsatz betrug im Streitjahr 4.254.191 DM, der auf die GmbH entfallende 13.315.584 DM. Die KG wies für das am 30. Juni 1970 abgelaufene Wirtschaftsjahr einen Handelsbilanzgewinn in Höhe von 305.351 DM aus, die GmbH einen solchen von 251.752 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das Streitjahr 1970 offene Gewinnausschüttungen der GmbH in Höhe von 2 x 58.935 DM, zusammen 117.870 DM, dem Gewinn der KG und den Gewinnanteilen der Kläger (zu 1 und zu 2) hinzu. Die von den Klägern erhobene Sprungklage ist erfolglos geblieben. Das Finanzgericht (FG) ist - in dem am 28. Juli 1976 zugestellten Urteil - davon ausgegangen, daß die von den Klägern gehaltenen GmbH-Anteile als deren Sonderbetriebsvermögen zu beurteilen und die Erträge aus diesen Anteilen als gewerbliche Einkünfte bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der KG zu erfassen seien (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Oktober 1975 I R 16/73, BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188). Eine unterschiedliche Behandlung der Ausschüttungsbeträge an die Kläger komme nicht in Betracht.

Mit seiner Revision rügt der Kläger zu 2 Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Ansicht, daß sich die Entscheidung des FG nicht hätte an das Urteil des BFH I R 16/73 anlehnen dürfen. Der BFH habe in diesem Urteil die Grenzen der Auslegung überschritten. Außerdem sei im Streitfall ein anderer Sachverhalt zu beurteilen. Der Einfluß des Klägers zu 2 auf die Geschicke der KG sei wegen seiner Beteiligung an der GmbH nicht stärker gewesen. Er, der Kläger zu 2, sei insbesondere nicht in der Lage gewesen, unternehmerische Entscheidungen des (geschäftsführenden) Klägers zu 1 zu blockieren (Hinweis auch auf das BFH-Urteil vom 13. Mai 1976 IV R 4/75, BFHE 119, 256, BStBl II 1976, 617). Auch sei das Engagement der GmbH innerhalb der KG gegenüber dem Eigengeschäft völlig in den Hintergrund getreten.

Sodann macht der Kläger zu 2 in der Begründung seiner Revision - erstmals - geltend, daß sich in seinem Falle eine Zurechnung der Gewinnausschüttung der GmbH zum (gewerblichen) Gewinnanteil an der KG auch aus den Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 - DBA-Großbritannien - (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) verbiete. Schließlich habe die zum 9. Juni 1967 vorgenommene Kapitalerhöhung bei der GmbH nur der Finanzierung der Eigengeschäfte der GmbH gedient, so daß jedenfalls der auf die Kapitalerhöhung entfallende Gewinnanteil nicht dem gewerblichen Gewinn bei der KG hinzugerechnet werden dürfe.

Der Kläger zu 2 beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für das Kalenderjahr 1970 dergestalt zu ändern, daß sowohl der Gesamtgewinn als auch sein Gewinnanteil um 58.935 DM, hilfsweise 14.734 DM, herabgesetzt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der Senat hat seiner Entscheidung die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen zugrunde zu legen, da insoweit zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger zu 2 hat in seiner Revisionsbegründungsschrift selbst ausgeführt, daß das FG-Urteil den Sachverhalt zutreffend und erschöpfend dargestellt habe.

2. Die Entscheidung des FG läßt sachliche Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Zutreffend hat das FG - in Anlehnung an das BFH-Urteil I R 16/73 - angenommen, daß die GmbH-Anteile der Kläger zu 1 und zu 2 auch deren Gesellschafterstellung in der KG "dienten" und somit zu ihrem notwendigen Sonderbetriebsvermögen rechneten.

Der Umstand, daß die Geschäftsführung für beide Unternehmen allein dem Kläger zu 1 oblag, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung der Stellung des Klägers zu 2. Der Kläger zu 2 übersieht, daß er aufgrund seiner Beteiligung an der geschäftsführenden GmbH über diese - jedenfalls im Verein mit dem Kläger zu 1 - auf die Geschäftsführung der KG einen besonderen Einfluß ausüben und diese letztlich mit bestimmen konnte. Insbesondere wegen der allein dem Kläger zu 2 zustehenden Befugnis, den Geschäftsführer zu entlasten (§§ 46 Nr. 5, 47 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -), war diese Einflußmöglichkeit auch durchsetzbar. Die in dem Urteil I R 16/73 als entscheidend angesehene Stärkung der Gesellschafterstellung in der KG war mithin auch im Falle des Klägers zu 2 gegeben. Ohne die Beteiligung an der Komplementär-GmbH wäre er von der Führung der Geschäfte der KG ausgeschlossen gewesen (§ 164 HGB). Er hätte keine Möglichkeit gehabt, bei der Bestellung des Geschäftsführers für die GmbH und damit auch für die KG mitzuwirken (vgl. auch Hesselmann, Handbuch der GmbH & Co., 15. Aufl., Rdnr. 156). Bei dieser Rechts- und Sachlage kann sich der Kläger zu 2 nicht auf das Urteil IV R 4/75 berufen. Der Urteilsfall unterschied sich zudem vom Streitfall bereits dadurch wesentlich, daß dort der Kläger Anteile einer GmbH gehalten hatte, die an der KG rechtlich nicht beteiligt war.

Unbeachtlich für die Entscheidung im Streitfall ist auch, daß die GmbH neben ihrer Geschäftsführertätigkeit für die KG eine eigenständige gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat. Wie schon in dem Urteil des Senats I R 16/73 näher begründet wurde, ändert dieser Umstand grundsätzlich nichts daran, daß die GmbH-Anteile in den Händen der Kommanditisten den betrieblichen Zwecken der KG dienen (vgl. auch das Urteil des BFH vom 6. Februar 1976 III R 93/74, BFHE 118, 475, BStBl II 1976, 412). Der Streitfall bildet keine Ausnahme. Der in diesem Zusammenhang vom FG gezogene Schluß, der der KG gewidmete Geschäftskreis sei gegenüber der eigengewerblichen Tätigkeit der GmbH nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen, ist angesichts der festgestellten Umsatz- und Gewinnzahlen beider Unternehmen nicht zu beanstanden. Zudem waren beide Unternehmen in derselben Branche tätig.

b) Rechtsfehlerfrei hat das FG auch die Ausschüttungen der GmbH als Sonderbetriebseinnahmen der Kläger zu 1 und 2 in die einheitliche Feststellung der gewerblichen Einkünfte für die KG einbezogen. Die Rechtsauffassung des FG beruht nicht auf einer unzulässigen Auslegung des Einkommensteuerrechts. Sie widerspricht nicht dem rechtsstaatlichen Erfordernis (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 28. Februar 1973 2 BvL 19/70, BVerfGE 34, 348, 365, unter Hinweis auf das BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965 I BvR 571/60, BVerfGE 19, 253, 267, BStBl I 1966, 201), daß sich der Steuertatbestand, d. h. das Ausmaß des steuerlichen Eingriffs, aus dem Gesetz selbst ergeben muß. Wie der erkennende Senat in dem Urteil I R 16/73 ausgeführt hat, läßt sich die Zuordnung der Dividenden der Komplementär-GmbH zu den gewerblichen Einkünften der Kommanditisten zwar nicht ausdrücklich dem Gesetz entnehmen; doch ergibt sie sich zwingend aus dem Sinnzusammenhang und Zweck der Vorschriften der §§ 15 Nr. 2 und 16 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Grenze zur unzulässigen Lückenausfüllung durch eine Analogie zuungunsten des Steuerpflichtigen ist somit nicht überschritten. Das Einkommensteuergesetz enthält hier - im Gegensatz zur "echten" Gesetzeslücke - bereits eine Regelung im grundsätzlichen (vgl. zur Gesetzeslücke und Analogie auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., 1979, S. 354f., 388). Welche Folgerungen sich daraus im einzelnen ergeben, ist einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung zugänglich. Eine derartige Konkretisierung ist noch Auslegung, nicht Lückenausfüllung.

3. Soweit der Kläger zu 2 eine möglicherweise abweichende Qualifizierung der von ihm bezogenen GmbH-Dividenden durch das DBA-Großbritannien geltend macht, ist dem Senat eine Würdigung bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen verwehrt. Der Senat geht allerdings davon aus, daß der erhobene Einwand im Feststellungsverfahren - und nicht erst im Verfahren der Einkommensteuerveranlagung - zu berücksichtigen wäre. Denn der Gewinnfeststellungsbescheid setzt sich aus einer Reihe von Einzelfeststellungen zusammen; es ist nicht nur über die Höhe der Einkünfte zu entscheiden, sondern u. a. auch über die Zurechnung zu einer bestimmten Einkunftsart (vgl. auch das Urteil des BFH vom 29. September 1977 VIII R 67/76, BFHE 123, 315, BStBl II 1978, 44).

Doch kann der Kläger zu 2 mit dem Hinweis auf das DBA-Großbritannien im Revisionsverfahren nicht mehr gehört werden. Im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil des FA grundsätzlich nur auf Rechtsfehler zu prüfen (§ 118 Abs. 1 FGO). Grundlage für diese Überprüfung ist in aller Regel der vom FG festgestellte Sachverhalt (§ 118 Abs. 2 FGO). Diesen Sachverhalt darf das Revisionsgericht grundsätzlich nicht ergänzen (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285; BFH-Urteil vom 17. April 1969 V R 123/68, BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505). Das FG hat im Streitfall weder ausdrückliche Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer Anwendbarkeit des DBA-Großbritannien (insbesondere zu Umständen, die eine Ansässigkeit des Klägers zu 2 in Großbritannien hätten begründen können) getroffen noch ergeben sich solche aus den vom FG in Bezug genommenen Schriftstücken (vgl. den Beschluß GrS 3/66). Der Kläger zu 2 hat erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht, daß er den Schutz des DBA-Großbritannien beanspruchen könne. Diese neu vorgebrachten Tatsachen darf der Senat nicht berücksichtigen. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß in der Anlage ESt 1, 2, 3 B zum angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid im Anschriftenfeld für den Kläger zu 2 neben seinem Namen auch "London" angegeben ist. Diese Wohnsitzangabe bezieht sich nur auf den Zeitpunkt der Bescheiderteilung. Es ist damit nichts darüber ausgesagt, wo der Kläger seinen Wohnsitz im Streitjahr 1970 hatte. Angesichts dieser Rechts- und Sachlage braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob er sich im übrigen den Ausführungen des VI. Senats des BFH in dem Urteil vom 10. Mai 1968 VI R 7/66 (BFHE 92, 333, BStBl II 1968, 589) zum Begriff der "getroffenen tatsächlichen Feststellungen" (i. S. des § 118 Abs. 2 FGO) anschließen könnte.

Da der Kläger zu 2 keine entsprechende Verfahrensrüge erhoben hat, kann der Senat die Sache (insoweit) auch nicht an das FG zurückverweisen (vgl. auch Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Anm. 19).

4. In gleicher Weise muß das Vorbringen des Klägers zu 2 unberücksichtigt bleiben, die Kapitalerhöhung zum 9. Juni 1967 habe ausschließlich der Finanzierung der Eigengeschäfte der GmbH gedient. Auch hier handelt es sich - bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers zu 2 - um neues tatsächliches Vorbringen.

Dem Hilfsantrag kann somit schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht entsprochen werden.