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BFH-Urteil vom 5.12.1979 (II R 103/76) BStBl. 1980 II S. 135

1. Die Bestellung eines Erbbaurechts an einem Erbbaugrundstück (Untererbbaurecht) unterliegt der Grunderwerbsteuer.

2. Die als Gegenleistung zu bewertende Erbbauzinsverpflichtung ist mit ihrem Kapitalwert ohne die sich aus § 16 Abs. 2, § 9 Abs. 1 BewG 1965 ergebende Beschränkung auf den gemeinen Wert des (Erbbau-) Grundstücks anzusetzen.

GrEStG Niedersachsen 1970 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 2 und 3; BewG 1965 § 16 Abs. 2, § 9 Abs. 1.

Sachverhalt

I.

Die G H GmbH (GmbH) ist Inhaberin eines Erbbaurechts an einem im Eigentum der Stadt H stehenden Grundstück. Die GmbH schloß mit dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) am 16. Februar 1973 einen notariell beurkundeten Vertrag, "mit" dem ihm ein Erbbaurecht an dem Erbbaurecht hinsichtlich einer Teilfäche des belasteten Grundbesitzes vom 1. März 1973 bis zum 31. Dezember 2039 bestellt werden sollte. Nach dem Vertrag hatte der Kläger für die Benutzung einer befestigten Teilfäche vor dem Erbbaugrundstück einen "einmaligen" Betrag von 70.000 DM, ferner einen Untererbbauzins von jährlich 800 DM sowie "daneben in Form einer Reallast einen jährlichen Betrag von 19.200 DM zu zahlen".

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ aufgrund des Vertrages am 10. April 1973 einen Bescheid über 30.100 DM Grunderwerbsteuer. Als Gegenleistung sah er das Nutzungsentgelt von 70.000 DM sowie den Untererbbauzins nebst der Reallast von zusammen 20.000 DM an. Die wiederkehrenden Leistungen setzte er mit dem 18fachen ihres Jahreswertes an, so daß sich ein Kapitalwert von 360.000 DM und ein Wert der Gegenleistung von insgesamt 430.000 DM ergab.

Dagegen wandte sich der Kläger. Er machte geltend, die Bestellung eines Untererbbaurechts sei kein der Bestellung eines Erbbaurechts vergleichbarer Vorgang. Durch die in dem Vertrag vom 16. Februar 1973 getroffenen Absprachen sei seine Rechtsposition soweit eingeschränkt worden, daß sie der eines Mieters oder Pächters vergleichbar sei.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Grunderwerbsteuer auf 8.750 DM herab (Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 83 - EFG 1977, 83,-). Es entschied, daß der Vertrag vom 16. Februar 1973 der Grunderwerbsteuer unterliege. Das Nutzungsentgelt für die vor dem Erbbaugrundstück befindliche Fläche gehöre nicht zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Januar 1971 2 BvL 2/68 (BVerfGE 30, 129, BStBl II 1971, 359) gelte § 16 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1965 bei der Vermögensteuer nur für die Bewertung des Erbbauzinsanspruchs, nicht der Erbbauzinsverpflichtung. Nur weil die Vorschrift lediglich eine begünstigende Regelung für die Erbbauverpflichteten enthalte, bestünden gegen sie nach Auffassung des BVerfG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es widerspräche dem Sinn der vom BVerfG gefällten Entscheidung, wenn bei der Berechnung der Gegenleistung nach § 10 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die Begrenzung des Jahreswertes der Erbbauzinsverpflichtung entfiele. Für die Grunderwerbsteuer sei der gemeine Wert i. S. des § 9 BewG der bei Anwendung des § 16 Abs. 2 BewG mögliche Höchstwert. Der gemeine Wert des Grundstücks betrage 50 DM je qm. Somit ergebe sich ein Wert der Gegenleistung von 125.000 DM.

Mit seiner Revision macht das FA geltend, da § 16 Abs. 2 BewG 1965 lediglich für die Bewertung des Erbbauzinsanspruchs, nicht dagegen für die Bewertung der Erbbauzinsverpflichtung gelte, müsse die Erbbauzinsverpflichtung bei der Ermittlung des Wertes der Gegenleistung ohne Beschränkung des Jahreswertes auf den 18. Teil des Wertes von Grund und Boden angesetzt werden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist teilweise begründet und führt zur Abänderung der Vorentscheidung.

1) Zu Recht hat das FG entschieden, daß das Nutzungsentgelt für die nicht zu dem Untererbbaugrundstück gehörende Fläche nicht als Teil der Gegenleistung angesehen werden kann.

2) Soweit sich das FA mit seiner Revision gegen die Begrenzung des Wertes der Gegenleistung auf den Wert des belasteten Erbbaugrundstücks wendet, hat die Revision Erfolg.

a) Zutreffend hat das FG angenommen, daß der Vertrag vom 16. Februar 1973 der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG unterliegt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. November 1967 II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223; vom 9. August 1978 II R 164/73, BFHE 126, 71, BStBl II 1978, 678) und daß die Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) aus dem bloß obligatorischen sowie dem als Reallast verdinglichten Teil des Erbbauzinses besteht (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 und 3 GrEStG Niedersachsen 1970; § 9 der Erbbaurechtsverordnung - ErbbauVO -).

Da im Zivilrecht die Bestellung von Untererbbaurechten zugelassen wird und diese als den Erbbaurechten gleichartige Rechte angesehen werden (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22. Februar 1974 V ZR 67/72, BGHZ 62, 179), umfaßt die Gleichstellung der Erbbaurechte mit den Grundstücken (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG) auch die Untererbbaurechte.

b) Der Senat folgt dem FG aber nicht darin, daß die zur Auslegung des § 17 a Abs. 2 BewG 1963 (§ 16 Abs. 2 BewG 1965) ergangene Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 30, 129, BStBl II 1971, 359) die Begrenzung der als Gegenleistung zu bewertenden Erbbauzinsverpflichtung auf den nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu ermittelnden Wert des Grund und Bodens gebiete.

Das BVerfG hat entschieden, daß § 17 a Abs. 2 BewG 1963 (§ 16 Abs. 2 BewG 1965) auch dahin verstanden werden könne, daß er im Interesse einer Förderung des Wohnungsbaus durch die Bestellung von Erbbaurechten lediglich eine Vergünstigung für die Erbbauverpflichteten habe schaffen wollen und mithin für die Bewertung der Erbbauzinsverpflichtung auf seiten des Erbbauberechtigten nicht anwendbar sein solle. Bei dieser Auslegung seien verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift nicht zu erheben (BVerfGE 30, 148). In Gestalt dieser Auslegung ist § 16 Abs. 2 BewG 1965 auch für die Grunderwerbsteuer anzuwenden.

Wäre die vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegte gegenteilige Auffassung zutreffend, so hätte die Vorschrift gleichzeitig zwei einander ausschließende Bedeutungen für denselben Steuerpflichtigen, sofern er vermögensteuerpflichtig ist. Schon das erscheint ausgeschlossen. Jedenfalls aber enthält das Grunderwerbsteuerrecht ein System von Befreiungstatbeständen, die der Förderung des Wohnungsbaues dienen. Es besteht deshalb kein Bedürfnis, die rechtspolitischen Erwägungen, die zur Schaffung des § 17 a Abs. 2 BewG 1963 (§ 16 Abs. 2 BewG 1965) geführt haben und auf die sich das BVerfG bei seiner einschränkenden Auslegung des § 17 a Abs. 2 BewG 1963 gestützt hat, für eine Einschränkung der Tragweite des vom BVerfG gefundenen Auslegungsergebnisses heranzuziehen.

Nach alledem war die Grunderwerbsteuer aus dem Kapitalwert der Erbbauzinsverpflichtung von 360.000 DM zu errechnen. Sie beträgt 25.200 DM. Soweit das FG sie mit der angefochtenen Entscheidung darüber hinaus herabgesetzt hat, war die Vorentscheidung abzuändern (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).