| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 13.11.1979 (VIII R 193/77) BStBl. 1980 II S. 188

1. Schlägt ein Ehegatte die Erbschaft nach dem verstorbenen anderen Ehegatten aus, so ist zur Zusammenveranlagung im Todesjahr die Zustimmung des Erben erforderlich.

2. Verluste des einen Ehegatten in den Vorjahren können in den Folgejahren nicht zum Abzug zugelassen werden, soweit im Fall der Zusammenveranlagung der Eheleute ein Ausgleich oder Abzug der Verluste möglich war.

EStG § 10d, § 26 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 26b.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unterhielt im Streitjahr 1970 und in den Vorjahren einen Schweißtechnik- und Apparatebaubetrieb. Vor Aufnahme ihres Betriebes hatte ihr in 1970 verstorbener Ehemann einen gleichartigen Betrieb unterhalten. Über sein Vermögen wurde im Jahre 1967 das Konkursverfahren eröffnet. Die Erbschaft nach ihrem Ehemann hat die Klägerin ausgeschlagen. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1970 beantragte die Klägerin Zusammenveranlagung mit ihrem verstorbenen Ehemann und forderte den Abzug der in den Jahren 1966 und 1967 ihrem Ehemann entstandenen Verluste gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG). Diesen Abzug verweigerte jedoch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -), weil nicht festgestellt werden könne, ob die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden seien.

Der Einspruch blieb erfolglos, in diesem Streitpunkt auch die Klage. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt, daß die Klägerin die Verluste ihres Ehemanns nicht für sich persönlich gemäß § 10d EStG geltend machen könne, weil dies nur dem Verlusterleidenden und dessen Gesamtrechtsnachfolger möglich sei, die Klägerin jedoch die Erbschaft ausgeschlagen habe. Im Rahmen der Zusammenveranlagung könnten sich die Verluste des Ehemanns steuerlich zwar auch bei der Klägerin auswirken, zur Zusammenveranlagung sei jedoch nach dem Tode des Ehemanns gemäß § 26 Abs. 2 EStG die Zustimmung des Erben erforderlich.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sich darauf beruft, als überlebender Ehegatte könne sie die Zusammenveranlagung wählen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und einen Verlustabzug von ... DM zuzulassen.

Das FA beantragt, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Es ist der Ansicht, gemäß § 26 Abs. 1 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1968 vom 20. Februar 1969 (StÄndG 1968) könne ein Ehegatte für den Veranlagungszeitraum, in dem der andere Ehegatte verstorben sei, die Zusammenveranlagung wählen. Komme es zur Zusammenveranlagung, so könnten die Verluste des anderen Ehegatten während der letzten fünf Jahre wie Sonderausgaben bei dem Überlebenden Ehegatten abgezogen werden, sofern die Voraussetzung des § 10d EStG vorlägen. Die Klägerin sei aber wegen der Ausschlagung der Erbschaft nicht Erbin; es könne nicht nach § 26 Abs. 3 EStG unterstellt werden, daß die in die Rechtsstellung des verstorbenen Ehemanns eingerückten Erben die Zusammenveranlagung wählen würden. Die Zusammenveranlagung hänge also von einer entsprechenden Erklärung der Erben ab. Das FG müsse deshalb ermitteln, wer Erbe ist und ob dieser seine Zustimmung zur Zusammenveranlagung gibt. Sei diese Frage zugunsten der Klägerin geklärt, so müsse geprüft werden, ob die Buchführung in den Verlustjahren ordnungsmäßig war und ob den Verlusten in den Jahren bis 1970 Gewinne gegenübergestanden haben.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Zusammenveranlagung der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann im Streitjahr zur Berichtigung der Verluste des Ehemanns in den Vorjahren bei der Ermittlung des Geamteinkommens führen kann und daß der Verlust des Ehemanns auch zur Minderung des Einkommens der Klägerin in Betracht kommt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. September 1969 IV R 288/66, BFHE 97, 16, BStBl II 1969, 726). Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht gelangt der Senat auch zu der Auffassung, daß die Zusammenveranlagung nur mit Zustimmung des Erben möglich ist. Es ist aber richtig, daß der überlebende Ehegatte, also die Klägerin, gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 EStG i. d. F. des StÄndG 1968 vom 20. Februar 1969 (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) für das Todesjahr die Zusammenveranlagung mit dem verstorbenen Ehegatten wählen kann. Zugleich kann aber auch der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Ehegatten die Wahl zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung nach § 26 EStG treffen, denn er tritt an die Stelle des verstorbenen Ehegatten (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1964 VI 175/63 U, BFHE 81, 236, BStBl III 1965, 86). Ist also der Erbe mit der Zusammenveranlagung nicht einverstanden, so muß sie unterbleiben. Allerdings sieht § 26 Abs. 3 EStG vor, es könne unterstellt werden, daß die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen, wenn sie die nach Abs. 2 erforderlichen Erklärungen nicht abgeben. Diese Vorschrift kann auf den Erben jedoch nur angewandt werden, wenn eindeutig feststeht, daß er Kenntnis von seiner Rechtsnachfolge und von den steuerlich wirksamen, den verstorbenen Ehegatten betreffenden Vorgängen hatte. Nur in diesem Falle kann von dem in § 26 Abs. 3 EStG vorausgesetzten Einvernehmen zwischen den Wahlberechtigten ausgegangen werden.

Da auf den Erben auch das Recht des Erblassers nach § 10d EStG übergeht, Verluste der Vorjahre wie Sonderausgaben von positiven Einkünften in den Folgejahren abzuziehen (vgl. Urteile des BFH vom 22. Juni 1962 VI 49/61 S, BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386, und vom 17. Mai 1972 I R 126/70, BFHE 105, 483, BStBl II 1972, 621), ist das Recht des Erben, für das Todesjahr zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung mit dem überlebenden Ehegatten zu wählen, von Bedeutung, wenn ein abziehbarer Verlust vorhanden ist. Der Rechtsprechung des BFH zufolge kann nämlich der Erbe den abziehbaren Verlust seines Rechtsvorgängers auch von eigenen Einkünften abziehen. Besteht also im Streitjahr ein abziehbarer Verlust, der durch positive Einkünfte des Verstorbenen nicht ausgeglichen wird - wovon die Klägerin ausgeht -, so könnte der Erbe bei getrennter Veranlagung den verbleibenden Verlust im Folgejahr 1971 von eigenen positiven Einkünften wie Sonderausgaben abziehen. Im Falle der Zusammenveranlagung verbliebe ihm dagegen zum Abzug im Folgejahr 1971 nur noch der Rest des Verlustes, der sich nach Berücksichtigung auch des positiven Gesamtbetrages der Einkünfte der Klägerin ergäbe, und zwar auch dann, wenn der Verlustabzug im Streitjahr nicht rechtsverbindlich beantragt würde. Denn aus dem Wortlaut des § 10d EStG folgt ein Zwang zum Verlustabzug mit der Folge, daß ein Verlustabzug auch insoweit nicht mehr zulässig ist, als der mögliche Ausgleich mit positiven Gesamtbeträgen der Einkünfte oder Abzug in den Vorjahren unterblieben ist (vgl. Urteil des BFH vom 17. Februar 1961 VI 243/60 U, BFHE 72, 634, BStBl III 1961, 232). Danach kann der Steuerpflichtige den Vorjahrsverlust vom Gesamtbetrag der Einkünfte nur abziehen, soweit ein Ausgleich oder Abzug der Verluste in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht möglich war. Im Falle der Zusammenveranlagung beschränkt sich dieser Zwang zum Abzug des Verlustes vom Gesamtbetrag der Einkünfte nicht auf den Gesamtbetrag der Einkünfte des verlusterleidenden Ehegatten. Vielmehr besteht im Falle der Zusammenveranlagung auch der Zwang, den Verlust mit dem vom positiven Gesamtbetrag der Einkünfte des anderen Ehegatten abzuziehen. Denn nach § 26b Satz 2 EStG werden die Einkünfte der Ehegatten bei der Zusammenveranlagung zusammengerechnet und bilden damit einen einheitlichen Gesamtbetrag der Einkünfte, von dem die Verluste beider Ehegatten wie Sonderausgaben abgezogen werden müssen, soweit sie nicht bereits im Verlustjahr ausgeglichen worden sind.

Um den Verlustabzug auch von den Einkünften der Klägerin zu ermöglichen, reicht aber die Wahl der Zusammenveranlagung durch den Erben nicht aus. Er muß auch erklären, daß der Verlust abgezogen werden soll. Denn nach der für das Streitjahr 1970 geltenden Fassung des § 10d EStG zieht der Steuerpflichtige selbst den Verlust ab, wird also tätig. Diese Möglichkeit, den Verlust abzuziehen, geht auch bei der Zusammenveranlagung nicht auf den anderen Ehegatten über. Nur der Gesamtrechtsnachfolger, also der Erbe, erlangt die Stellung des verlusterleidenden Steuerpflichtigen und kann statt seiner den Verlustabzug vornehmen. Auch insoweit ist das Verhalten des Erben maßgebend.

Danach steht fest, daß der von der Klägerin begehrte Verlustabzug nur möglich ist, wenn der Erbe der Zusammenveranlagung zustimmt und den Verlustabzug vornimmt.

Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Ist die Zustimmung des Erben zur Zusammenveranlagung mit der Klägerin und zur Vornahme des Verlustabzugs zu erlangen, um die sich die Klägerin zu bemühen hat, so hat das FG auch zu untersuchen, ob die Verluste aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden sind und ob in den Jahren bis 1970 den Verlusten positive Gesamtbeträge der Einkünfte gegenübergestanden haben.