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BFH-Urteil vom 13.2.1980 (II R 12/78) BStBl. 1980 II S. 236

Hat ein Anschaffungsgeschäft über Wertpapiere deren Untergang zum Inhalt, so unterliegt es nicht der Börsenumsatzsteuer nach § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1 und § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1972.

Der Anteil des Komplementärs einer GmbH & Co. KG ist kein Dividendenwert i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 19 Abs. 2 KVStG 1972.

KVStG 1972 § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 18 Abs. 2 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 19 Abs. 2.

Sachverhalt

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, war persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft. Deren Kommanditisten waren gleichzeitig die Gesellschafter der Klägerin. Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 5. Juli 1972 wurde das Stammkapital der Klägerin erhöht. Als Sacheinlage brachten die Gesellschafter entsprechend dem vorgenannten Beschluß ihre Kommanditanteile in die Klägerin ein. Dadurch vereinigten sich in der Hand der Klägerin sämtliche Beteiligungen an der Kommanditgesellschaft; diese Gesellschaft erlosch.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erhob Börsenumsatzsteuer mit der Begründung, die Klägerin habe mit den Kommanditisten ein Anschaffungsgeschäft über die Kommanditanteile abgeschlossen.

Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet.

Die Kommanditanteile waren Dividendenwerte i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972. Die Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Klägerin als GmbH war, gehörte zu den Kapitalgesellschaften i. S. des Kapitalverkehrsteuergesetzes. Das ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972. Diese Vorschrift beschränkt sich nicht auf die Gesellschaftsteuer, sondern gilt auch für die Börsenumsatzsteuer (vgl. das Urteil vom 3. September 1975 II R 88/74, BFHE 117, 106, BStBl II 1976, 7).

Mit dem Beschluß vom 5. Juli 1972 verpflichteten sich die Gesellschafter der Klägerin, die Wertpapiere (Kommanditanteile) in die Klägerin einzubringen. Auch ein Gesellschafterbeschluß kann ein Anschaffungsgeschäft i. S. des § 18 KVStG 1972 sein (Urteil vom 9. März 1977 II R 19-20/76, BFHE 122, 348, BStBl II 1977, 658).

Die Klägerin wendet jedoch zu Recht ein, das Rechtsgeschäft sei nicht auf den Erwerb, sondern auf den Untergang der Wertpapiere gerichtet gewesen; ein Anschaffungsgeschäft i. S. §§ 17 ff. KVStG 1972 liege daher nicht vor.

Den §§ 17 und 18 KVStG 1972 läßt sich entnehmen, daß bestimmte Fälle, die den Untergang des Wertpapieres zum Inhalt haben, nicht besteuert werden sollen. So entsteht keine Börsenumsatzsteuer, wenn der aus dem Papier Verpflichtete die verbriefte Forderung erfüllt; denn das Rechtsgeschäft ist dann in erster Linie nicht "auf den Erwerb des Eigentums am Wertpapier", sondern auf die Tilgung der Schuld gerichtet (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 23. Mai 1933 II A 605/31, RStBl 1933, 916 sowie die RFH-Urteile vom 5. Oktober 1928 II A 403/28, RFHE 24, 140 und vom 30. Oktober 1931 II A 344/31, RStBl 1932, 745). Diese wortlautgemäße Auslegung entspricht dem Sinn des Gesetzes. Besteuert werden soll eine bestimmte Art des Kapitalverkehrs, nämlich die rechtsgeschäftliche Übertragung "verkehrsfähiger" geldwerter Rechte. Die Besteuerung der Erfüllung dieser Rechte liegt nicht mehr im Rahmen des Gesetzeszweckes.

Entsprechend diesem Grundsatz entsteht auch dann keine Steuer, wenn Aktien gem. § 237 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 eingezogen werden. Die AG erfüllt hier lediglich ihre Verpflichtung zur Rücknahme der Aktien (vgl. das zu § 227 HGB ergangene RFH-Urteil vom 17. November 1931 II A 363/31, RFHE 30, 104).

Zweifelhaft mag sein, ob - wie die Klägerin meint - der Gesellschafterbeschluß diesen vorgenannten, auf den Untergang der Wertpapiere gerichteten Inhalt schon deshalb hatte, weil mit dem Erwerb sämtlicher Kommanditanteile durch die Klägerin diese als einzige Gesellschafterin der KG übrig blieb und die KG daher erlosch. Trat dieser Erfolg (Erlöschen der KG) erst mit dem Erwerb sämtlicher Kommanditanteile ein, so konnte er möglicherweise nicht Inhalt des Erwerbes jedes einzelnen Anteiles, sondern allenfalls dessen Motiv sein.

Diese Zweifel mögen dahinstehen. Denn jedenfalls konnte die Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin der KG nicht gleichzeitig deren Kommanditistin sein. Mit dem Erwerb eines jeden dieser Kommanditanteile wandelte sich dieser zwangsläufig in eine Komplementärbeteiligung um. Zumindest insofern war daher der Gesellschafterbeschluß hinsichtlich eines jeden Kommanditanteils auf den Untergang dieses Wertpapiers gerichtet. Mit der Umwandlung in eine Komplementärbeteiligung verlor jeder Kommanditanteil die Eigenschaft eines Wertpapieres i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 KVStG 1972; denn die Komplementärbeteiligung an einer GmbH & Co. KG ist börsenumsatzsteuerrechtlich kein Wertpapier. Das folgt aus § 19 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972. Nach § 19 Abs. 2 gelten als Dividendenwerte u. a. Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften. Als derartige Gesellschaft gilt seit dem Inkrafttreten des KVStG 1972 gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 dieses Gesetzes auch die GmbH & Co. KG. Diese Vorschrift hat für das gesamte Kapitalverkehrsteuergesetz Gültigkeit; allerdings wurde sie im Hinblick auf die Gesellschaftsteuer geschaffen (vgl. dazu das Urteil vom 3. September 1975 II R 88/74, BFHE 117, 106, BStBl II 1976, 7). Dieser Umstand gebietet es, bei der Auslegung der Vorschrift auch den § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 heranzuziehen, welcher die gesellschaftsteuerrechtliche Bedeutung der GmbH & Co. KG abgrenzt und wonach Anteile der persönlich haftenden Gesellschafter einer GmbH & Co. KG nicht als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften gelten. Klammert das Gesetz bei der Gesellschaftsteuer die Anteile des Komplementärs der GmbH & Co. KG aus dem Begriff der Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften aus, so kann die Börsenumsatzsteuer nicht über diesen Rahmen hinausgehen; denn ihr Begriffssystem soll zwar nicht enger, erkennbar aber auch nicht weiter sein als dasjenige der Gesellschaftsteuer. Sind demnach die Komplementäranteile an einer GmbH & Co. KG gesellschaftsteuerrechtlich unerheblich, so sind sie es auch börsenumsatzsteuerrechtlich. Ohne Belang ist dabei, daß sie trotzdem in § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 als "Anteile" bezeichnet werden und dieser Ausdruck auch in § 19 Abs. 2 KVStG 1972 verwendet wird. Diese Fassung mag auf den Mangel eines anderen Ausdruckes oder darauf zurückzuführen sein, daß man bei der Formulierung nicht den Wortlaut des § 19 Abs. 2 bedacht hat. Entscheidend ist der erkennbare Sinn des Gesetzes.

Die Frage, ob der Komplementäranteil an einer KG auf Aktien börsenumsatzsteuerrechtlich erheblich ist, wird durch diese Entscheidung nicht berührt (vgl. dazu das RFH-Urteil vom 15. August 1941 II 52/40, RStBl 1941, 694). Für derartige Anteile gibt es keine dem § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 vergleichbare Vorschrift.