| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 11.1.1980 (VI R 51/77) BStBl. 1980 II S. 256

Werden im Betrieb Mahlzeiten gewährt, so kann nur für diejenigen Arbeitnehmer, die an den Mahlzeiten tatsächlich teilgenommen haben, die steuerfreie Annehmlichkeit von arbeitstäglich 1,50 DM (Essensgeldzuschuß) in Anspruch genommen werden.

EStG 1971 § 19 Abs. 1, § 8 Abs. 2.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine AG, stellte in den Streitjahren 1970 bis 1975 ihren Arbeitnehmern arbeitstäglich kostenlos Mittagessen zur Verfügung, die ihr von einer Großküche zum Einzelpreis von 2,21 DM einschließlich Mehrwertsteuer geliefert worden waren. Aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) fest, daß in den Streitjahren insgesamt 139.528 Essen abgegeben worden waren. Das FA ging davon aus, daß nach Abzug eines Essensgeldfreibetrages von 1,50 DM je Essen ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil von 0,71 DM je ausgegebener Mahlzeit, insgesamt also 99.064,88 DM, zu erfassen sei. Es nahm die Klägerin, die eine insoweit etwa anfallende Lohnsteuer übernehmen wollte, im Wege eines Haftungsbescheides mit - der Höhe nach unbestrittenen - Lohnsteuer- und Lohnkirchensteuer-Beträgen in Anspruch.

Die Sprungklage der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Steuerpflichtiger Arbeitslohn des einzelnen Arbeitnehmers sei auch der Wert einer Mahlzeit, die ihm der Arbeitgeber unentgeltlich oder verbilligt zukommen lasse. Allerdings sei ein lohnsteuerpflichtiger Vorteil nicht anzunehmen, soweit der Wert der Mahlzeit arbeitstäglich 1,50 DM für den Arbeitnehmer nicht übersteige; insoweit liege eine Annehmlichkeit vor. Deshalb sei im Streitfall für den einzelnen an den Mahlzeiten teilnehmenden Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil in Höhe von jeweils 0,71 DM zu erfassen. Der Klägerin könne nicht gefolgt werden, soweit sie den Annehmlichkeitsfreibetrag nach der durchschnittlichen 220tägigen Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers des Unternehmens und nach der durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl berechnen wolle. Es könne nur von den Sachzuwendungen an Arbeitnehmer ausgegangen werden, die jeweils tatsächlich an den Mahlzeiten teilgenommen hätten, nicht aber von denen, die hätten teilnehmen können.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie trägt vor, der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil vom 7. November 1975 VI R 174/73 (BFHE 117, 172, BStBl II 1976, 50) entschieden, daß Essensgeldzuschüsse des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer bis zur Höhe von 1,50 DM arbeitstäglich als Annehmlichkeit lohnsteuerfrei seien. Auch die Hingabe von Essensmarken im Werte von 1,50 DM an die Arbeitnehmer sei nach diesem Urteil lohnsteuerfrei. Der BFH habe in BFHE 117, 172, BStBl II 1976, 50 darüber hinaus ausgeführt, daß ein Arbeitnehmer auch mehrere Essensmarken im Werte von 1,50 DM gleichzeitig in Zahlung geben könne. Wenn also ein Arbeitnehmer nur jeden zweiten Tag ein warmes Essen im Betrieb einnehme und dabei jeweils zwei Essensmarken im Werte von 1,50 DM hingebe, so habe der BFH dagegen offenbar keine Bedenken. Entsprechendes müsse bei der Gewährung von kostenlosen Mahlzeiten - ohne Hingabe von Essensmarken - gelten. Es sei also nur eine Durchschnittsberechnung erforderlich, wie sie bei der Fixierung von Annehmlichkeitsgrenzen allgemein - z. B. bei Betriebsveranstaltungen - üblich sei.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach den Entscheidungen des Senats vom 21. März 1975 VI R 94/72 (BFHE 115, 268, BStBl II 1975, 486) und in BFHE 117, 172, BStBl II 1976, 50 sind Essensgeldzuschüsse des Arbeitgebers bis zur Höhe von 1,50 DM arbeitstäglich als Annehmlichkeiten lohnsteuerfrei. Allerdings kommt die Steuerfreiheit nur in Betracht für Arbeitstage, die der Arbeitnehmer im Betrieb verbringt, also z. B. nicht für Arbeitstage, an denen er sich auf einer Dienstreise befindet. Denn der steuerfreie Essensgeldzuschuß von 1,50 DM soll insbesondere bewirken, daß die Arbeitnehmer im Betrieb eine Mahlzeit einnehmen können, ohne daß dadurch die Arbeitsleistung und die Gesamtarbeitszeit wesentlich beeinträchtigt wird (BFHE 117, 172, BStBl II 1976, 50). Die Durchschnittsberechnung der Klägerin läßt schon insoweit Zweifel aufkommen, weil Fehltage der Arbeitnehmer im Betrieb aus der Berechnung offenbar nicht ausgeschieden worden sind. Darauf kommt es aber im Streitfall nicht entscheidend an.

Wie sich aus dem dargestellten Sinn und Zweck des steuerfreien Essensgeldzuschusses ergibt, kann im Streitfall nur der Arbeitnehmer die steuerfreie Annehmlichkeit von 1,50 DM in Anspruch nehmen, dem der Sachbezug einer Mahlzeit im Betrieb zugerechnet wird. Hat ein Arbeitnehmer, gleich aus welchen Gründen, keinen Gebrauch von der Möglichkeit der Essenseinnahme im Betrieb gemacht, so kann die steuerfreie Annehmlichkeit nicht von einem ihm zugeflossenen geldwerten Vorteil abgesetzt werden. Denn in diesem Fall hat der Arbeitnehmer einen solchen Vorteil nicht erhalten. Würde ihm dennoch je Arbeitstag im Betrieb eine steuerfreie Annehmlichkeit von 1,50 DM gewährt, so liefe das im Ergebnis auf einen im Verhältnis zu § 19 Abs. 4 EStG zusätzlichen Arbeitnehmerfreibetrag hinaus. Die Gewährung oder Erhöhung eines solchen Freibetrags steht aber nur dem Gesetzgeber zu.

Das Verfahren der Klägerin, die den Freibetrag durch Multiplikation der durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl mit der Zahl der Arbeitstage ermitteln will, würde dazu führen, daß die von einem Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommenen Annehmlichkeiten den anderen Arbeitnehmern zuflössen. Konkret würde das bedeuten, daß die Arbeitnehmer der Klägerin, die an jedem Arbeitstag im Betrieb von der Möglichkeit der kostenlosen Essenseinnahme Gebrauch machen, einen steuerfreien Essensgeldzuschuß von mehr als 1,50 DM arbeitstäglich erhielten, nämlich genau von 2,21 DM je Arbeitstag. Da der Senat in ständiger Rechtsprechung (z. B. BFHE 117, 172, BStBl II 1976, 50) aber nur den Freibetrag von 1,50 DM je eingenommener Mahlzeit anerkennt und über die dementsprechenden Verwaltungsanweisungen in den Lohnsteuer-Richtlinien aus Gründen der Gleichbehandlung grundsätzlich nicht hinausgehen kann (vgl. hierzu Urteile vom 27. Oktober 1978 VI R 8/76, BFHE 126, 217, BStBl II 1979, 54; vom 23. Februar 1979 VI R 74/76, BFHE 127, 205, BStBl II 1979, 390), kann er der von der Klägerin begehrten Berechnung nicht folgen.

Soweit die Klägerin vorträgt, daß bei der Ermittlung der Annehmlichkeitsgrenze von 50 DM bei Betriebsveranstaltungen eine Durchschnittsberechnung erfolge, so daß auch im Streitfall eine solche Berechnung angebracht sei, kann ihr der Senat ebenfalls nicht zustimmen. Die Durchschnittsberechnung bei Betriebsveranstaltungen bestätigt vielmehr die insoweit vom Senat vertretene Auffassung. Denn auch bei ihr wird nicht auf die Zahl der Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt abgestellt, sondern auf die - durchschnittliche - Zuwendung an jeden Veranstaltungsteilnehmer (vgl. zuletzt BFHE 127, 205, BStBl II 1979, 390).

Unbegründet ist schließlich der Einwand der Klägerin, es sei nach den Ausführungen des BFH in BFHE 117, 172, BStBl II 1976, 50, nicht schädlich, wenn ein Arbeitnehmer beim Kauf von Lebensmitteln außerhalb des Betriebs mehrere (steuerfreie) Wertmarken gleichzeitig hingebe; deshalb müsse auch im Streitfall die erweiterte Inanspruchnahme der Annehmlichkeit von 1,50 DM möglich sein, wenn nur sichergestellt bleibe, daß diese Annehmlichkeit nicht in größerem Umfang in Anspruch genommen werde, als Arbeitnehmer im Betrieb Mahlzeiten einnehmen könnten. Der Sachverhalt in jenem Urteilsfall ist ein anderer als im vorliegenden Verfahren. Die Klägerin übersieht, daß die Leistung des Arbeitgebers dort nicht in der Ausgabe von Mittagsmahlzeiten, sondern in der Abgabe von Wertmarken lag. Vor allem aber hat der Senat die gleichzeitige Hingabe von mehreren Wertmarken nur für zulässig erachtet, weil dem Arbeitnehmer nicht verwehrt werden dürfe, sich beim Kauf von Lebensmitteln "für mehrere Mahlzeiten" gleichzeitig einzudecken (vgl. BFHE 117, 172, BStBl II 1976, 50). Hiernach ist der BFH in diesem Urteil davon ausgegangen, daß grundsätzlich je Mahlzeit im Betrieb nur ein steuerfreier Betrag von 1,50 DM als Annehmlichkeit in Anspruch genommen werden darf.