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BFH-Urteil vom 30.1.1980 (VI B 116/79) BStBl. 1980 II S. 300

Wendet sich der Kläger gegen einen nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO ergangenen Einstellungsbeschluß mit dem Einwand, die Klagerücknahme sei unwirksam, so hat das FG das Klageverfahren fortzusetzen (BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543). Das gilt unbeschadet dessen, daß gegen den Einstellungsbeschluß die Beschwerde statthaft ist, auch dann, wenn der Kläger die Unwirksamkeit der Klagerücknahme in Form einer "Beschwerde" geltend macht, die als solche unzulässig ist. Legt das FG gleichwohl die Beschwerde dem Bundesfinanzhof vor, so muß sie zwar als unzulässig verworfen werden. Es erscheint jedoch dann in der Regel angebracht, von einer Erhebung der Kosten abzusehen.

FGO § 72 Abs. 2, § 128 Abs. 1, § 135 Abs. 2; GKG § 8 Abs. 1.

Sachverhalt

Das Finanzgericht (FG) hat das Verfahren über die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nach § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluß eingestellt, weil der Klägervertreter die Klage zurückgenommen habe. Gegen diesen Beschluß, dessen Rechtsmittelbelehrung auf die Beschwerdemöglichkeit und den Vertretungszwang vor dem Bundesfinanzhof (BFH) hinweist, hat der Kläger persönlich Beschwerde eingelegt und dem Sinne nach vorgetragen, er sei im Klageverfahren nicht zu Wort gekommen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist unzulässig.

Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861) muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, daß dies auch für die Einlegung der Beschwerde gilt. Da im Streitfall die Beschwerde vom Kläger persönlich, also nicht von einem der vorgenannten Berufsangehörigen eingelegt worden ist, war sie mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat sieht sich jedoch veranlaßt, nach § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) von der Erhebung von Kosten abzusehen.

Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluß vom 9. Mai 1972 IV B 99/70, BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543, mit weiteren Hinweisen) muß das FG ein Verfahren, das es nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO wegen Klagerücknahme eingestellt hat, fortsetzen, wenn nachträglich die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht wird (§ 72 Abs. 2 Satz 3 FGO). Eine zeitliche Begrenzung hierfür ergibt sich nur aus der in Bezug genommenen Jahresfrist des § 56 Abs. 3 FGO. Hieraus wird deutlich, daß der - nur deklaratorische - Einstellungsbeschluß, auch wenn eine gegen ihn eingelegte Beschwerde nach dem Beschluß in BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543 nicht unstatthaft ist, nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht etwa in Rechtskraft erwächst (insofern unzutreffend FG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 5. Juli 1979 V 84/79, Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 30 - EFG 1980, 30 -). Daher muß auch eine erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelegte Beschwerde, mit der die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht wird, zur Fortsetzung des Klageverfahrens i. S. der genannten Rechtsprechung führen unbeschadet des Umstandes, daß die Verfolgung dieses Begehrens im Wege einer Beschwerde unzulässig ist (so auch der IV. Senat des BFH in dem nicht veröffentlichten Beschluß vom 12. Oktober 1978 IV B 34/78). Dasselbe gilt auch von den anderen Fällen der Unzulässigkeit, so auch in dem hier gegebenen Fall der Beschwerdeeinlegung ohne Vertretung durch einen nach Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG qualifizierten Bevollmächtigten.

Auch im Streitfall hätte daher das FG prüfen müssen, inwieweit der Kläger mit seiner "Beschwerde" die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht hat. Bejahendenfalls hätte es über die Wirksamkeit der Rücknahme entscheiden müssen. Je nach dem gewonnenen Ergebnis hätte es dann entweder die Wirksamkeit der Klagerücknahme feststellen oder das Klageverfahren zu Ende führen müssen. Da das FG jedoch nicht so verfahren ist, sondern der Beschwerde, zu deren Einlegung der Kläger noch durch die entsprechende Rechtsmittelbelehrung im Einstellungsbeschluß veranlaßt worden sein kann, nicht abgeholfen und sie dem BFH vorgelegt hat, ist es angebracht, nach § 8 Abs. 1 GKG von der Erhebung der Kosten des Beschwerdeverfahrens abzusehen. Die Kosten wären dem Kläger nicht entstanden, wenn das FG i. S. der Entscheidung in BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543 richtig verfahren wäre. Vom Kläger selbst konnte eine diesbezügliche Kenntnis nicht verlangt werden, so daß die Rechtsmittelbelehrung im Einstellungsbeschluß zumindest subjektiv für den Kläger irreführend erscheinen mußte.

Die Akten gehen an das FG zurück, damit dieses nun den in der unzulässigen "Beschwerde" enthaltenen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens i. S. der genannten Rechtsprechung behandelt und über ihn entscheidet.